Haus, Brandanschlag, Brand, Wohnung, Fenster, Rassismus, Solingen
Haus in Solingen nach dem Brandanschlag

Wende im Prozess

War Brandanschlag in Solingen doch rechtsradikal motiviert?

Nach dem Mord an einer türkeistämmigen Familie in Solingen hatten die Ermittler keine Hinweise für eine rechtsradikale Motivation des geständigen Brandstifters gesehen. Nun gibt es doch Hinweise auf eine rechtsradikale Gesinnung des Täters.

Dienstag, 11.03.2025, 13:13 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 11.03.2025, 13:13 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Im Prozess um den Vierfachmord von Solingen sind neue Hinweise aufgetaucht, die auf eine mögliche rechtsradikale Motivation des Angeklagten schließen lassen. Eine Rechtsanwältin wies darauf hin, dass in der Wohnung des Angeklagten Datenspeicher entdeckt wurden. Auf einer Festplatte seien 166 einschlägige Bilder und auch Chats mit rassistischen Inhalten gefunden worden, sagte die Nebenklagevertreterin.

In einem Chat habe sich der Angeklagte rassistisch geäußert. Einige der Bilder auf der Festplatte zeigten zudem Gasflaschen mit dem Konterfei Adolf Hitlers mit dem Zusatz: „Dafür stehe ich mit meinem Namen“ oder Gefangene in einem Konzentrationslager mit dem Schriftzug: „Bitte konzentriert euch“. Ein Foto zeige Hitler mit der Bildunterschrift: „Ohne dich ist alles doof“. Auf einem anderen Foto sei ein Schlauchboot mit Geflüchteten zu sehen. Bildunterschrift: „Mein Humor ist wie ein afrikanischer Flüchtling. Er kommt manchmal nicht gut an.“

___STEADY_PAYWALL___

Lebensgefährtin soll erneut gehört werden

Ein Polizist sagte als Zeuge, die Festplatte trage den Namen der Lebensgefährtin des Angeklagten. Es sei unklar, wem die Inhalte zuzurechnen seien. Der Computer sei vom Täter und seiner 41-jährigen Lebensgefährtin gemeinsam genutzt worden.

Sie hatte bei der mündlichen Verhandlung Anfang März den Angeklagten in Schutz genommen und Ausländerfeindlichkeit als Motiv ausgeschlossen. „Er war mehr links als alles andere, hatte ausländische Freunde“, hatte sie erklärt. Einer der Nebenklage-Vertreter beantragte nun, die Lebensgefährtin des Angeklagten erneut vernehmen zu lassen. „Zu ihren Angaben passt diese braune Soße nicht.“

Brandstiftungen auf Häuser mit Migranten & Pogromnacht

Für eine mögliche rechtsextreme Gesinnung spricht zudem, dass der deutsche Angeklagte vor Gericht neben der tödlichen Brandstiftung in Solingen auch weitere Brandlegungen gestanden hatte. In allen angezündeten Häusern haben den nun vorliegenden Angaben nach fast ausschließlich Menschen mit Migrationsgeschichte gelebt. Eine der Brandstiftungen sei am Jahrestag der Pogromnacht gewesen.

Trotz allem hatten die Ermittler nach der Tat keine Hinweise für eine rechtsradikale Motivation gesehen. Warum die Festplatten-Funde mit rechtsextremen Inhalten von den Ermittlern nicht öffentlich gemacht wurden, ist bislang unklar. Beobachter und Aktivisten indes hatten schon kurz nach der Tat gefordert, mögliche rechtsextreme Hintergründe aufzudecken.

Die Tat hatte Erinnerungen an den tödlichen Brandanschlag in Solingen im Mai 1993 geweckt. Damals wurden bei einem nächtlichen Brandanschlag mit rechtsextremem Hintergrund fünf türkischstämmige Frauen und Mädchen ermordet. Der Anschlag markierte damals den Tiefpunkt einer Welle rassistischer Anschläge auf Menschen ausländischer Herkunft in Deutschland.

Vierköpfige Familie stirbt beim tödlichen Feuer

Der mutmaßliche Mörder und Brandstifter hat bereits gestanden. Bei dem tödlichen Feuer am 25. März 2024 starb in Solingen eine bulgarische Familie mit türkischen Wurzeln im Dachgeschoss – die 28 und 29 Jahre alten Eltern und ihre beiden Töchter im Alter von drei Jahren sowie wenigen Monaten. Als Motiv gab der Angeklagte „Stress mit der Vermieterin“ an. Ihm war wegen Mietrückständen gekündigt worden.

Der deutsche Angeklagte gestand neben mehreren Brandlegungen auch eine Macheten-Attacke, bei dem er einen Bekannten lebensgefährlich verletzte. Der 40-Jährige muss sich in Wuppertal wegen vierfachen Mordes und Mordversuchen an bis zu 21 Menschen vor Gericht verantworten. Der Prozess wird fortgesetzt. Am kommenden Freitag soll der vom Gericht bestellte Psychiater sein Gutachten über den Angeklagten vorstellen. (dpa/mig) Leitartikel Panorama

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)