
Kino
Widerstand damals, Warnung heute: Bonhoeffer-Film trifft Nerv der Zeit
Mitten im europäischen Rechtsruck startet „Bonhoeffer“ im Kino: Das bewegende Drama über den Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer erinnert erschreckend aktuell daran, Zivilcourage gegen Faschismus und rechte Hetze zu zeigen.
Von Barbara Munker Mittwoch, 12.03.2025, 12:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 12.03.2025, 12:19 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Unter dem schlichten Titel „Bonhoeffer“ kommt ein Film über das Leben des evangelischen Pastors und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer, der sich früh gegen das NS-Regime auflehnte, in die deutschen Kinos. Für US-Regisseur Todd Komarnicki, der auch das Drehbuch für das Biopic schrieb, könnte das Timing nicht passender sein, wie er im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt.
„Es ist schockierend aktuell“, sagt Komarnicki. „Als ich das Drehbuch schrieb, war der wachsende Trumpismus bereits eine drohende Gefahr, aber es gab noch nicht den harten Rechtsruck, den wir jetzt weltweit sehen.“ Diese Entwicklung sei „zutiefst besorgniserregend“, aber auch eine „unglaubliche Gelegenheit“, sich wie Bonhoeffer gegen Faschismus, für Nächstenliebe und Menschlichkeit einzusetzen. „Ich hoffe, dass dieser Film Menschen dazu inspiriert, diesen Mut in sich zu finden“.
Biopic mit deutschen Stars
Komarnicki packt das komplexe Leben von Bonhoeffer in gut zwei Stunden Länge. Es geht um die Kindheit mit sieben Geschwistern in einer großbürgerlichen Familie, die Studienjahre des jungen Theologen in New York, geprägt von Jazz und einer schwarzen Gospel-Gemeinde, den Widerstand im Nazi-Deutschland als Mitstreiter der Bekennenden Kirche, die Planung von einem Attentat auf Adolf Hitler gemeinsam mit seinem Schwager Hans von Dohnanyi und anderen Widerstandskämpfern.
Jonas Dassler (28, „Aus meiner Haut“) spielt die Hauptrolle, Moritz Bleibtreu (53) mimt seinen Vater Karl, August Diehl (49) schlüpft in die Rolle des Theologen Martin Niemöller, Flula Borg (42) verkörpert Hans von Dohnanyi.
Komarnicki, vor allem bekannt als Drehbuchautor von der Pilotenstory „Sully“, die Clint Eastwood mit Tom Hanks inszenierte, zollt Bonhoeffer als einem Helden Tribut, der mutig Widerstand leistet. An einer Stelle wettert er als Prediger von der Kanzel: „Die deutsche Kirche muss sich auf Gottes Wort allein berufen, nicht auf eines Mannes Wort und insbesondere nicht auf das Wort des Führers“.
Kontroverse um Verzerrungen
Der Film sei „eindeutig antifaschistisch und antinationalistisch“, betont der Regisseur. Er ist um Schadenbegrenzung bemüht, denn mit dem Kinostart in den USA im vergangenen November ging eine Kontroverse um Verzerrungen und eine Vereinnahmung Bonhoeffers durch nationalistische Evangelikale einher.
Das fing schon beim US-Titel „Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin“ – also Pastor, Spion und Attentäter – und dem Filmposter an. Darauf war der Theologe mit einer Waffe in der Hand abgebildet. Auf dem deutschen Kinoplakat fehlt die Pistole, der Titel ist schlicht „Bonhoeffer“. Die Firma Angel Studios, die den Film in den USA vertrieb, bewarb ihn reißerisch wie einen Thriller: „Bonhoeffer wird in das Epizentrum eines tödlichen Plans gerissen, Hitler zu ermorden.“ Der Pastor also als Held, der zu Gewalt bereit ist?
Nachfahren Bonhoeffers und Stars reagieren
Die Nachfahren der sieben Geschwister des Theologen, der im April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg von den Nazis hingerichtet wurde, liefen Sturm. Die „rechts-evangelikale“ Produktionsfirma Angel Studios würde die Geschichte verdrehen und Bonhoeffer zu einem „evangelikalen Heiligen“ stilisieren, schrieben sie im vorigen Oktober in einer Stellungnahme. Er sei ein „friedliebender, freiheitlich gesinnter Menschenfreund“ gewesen. „Niemals hätte er sich in der Nähe rechtsextremer, gewalttätiger Bewegungen gesehen, die heute versuchen, ihn zu vereinnahmen.“
Als eine „Schlüsselfigur für diesen Missbrauch“ nannten die Nachfahren den US-Autor Eric Metaxas, der 2010 die Bonhoeffer-Biografie „Bonhoeffer: Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet“ verfasste. Metaxas, ein loyaler Anhänger von Donald Trump, rührte die Werbetrommel und pries „die wichtige Botschaft“ des neuen Films. So wie Bonhoeffer damals vor den Nazis gewarnt habe, müssten sich heute amerikanische Christen gegen „das Böse“ wehren, sagte Metaxas in einer Talkshow, wenige Wochen vor den US-Präsidentschaftswahlen. Der Autor stellte Vergleiche zwischen den Demokraten um Joe Biden und dem NS-Regime an und rief zum Widerstand gegen ein linkes Establishment auf.
Auch Dassler, Bleibtreu, Diehl und weitere Mitwirkende hatten sich damals in einer Mitteilung der Kritik der Nachfahren von Bonhoeffers Verwandten angeschlossen. Sie seien „tief besorgt“ über einen Missbrauch ihres Films und des Vermächtnisses Bonhoeffers durch christliche Nationalisten in den USA. Der Theologe habe gegen ein totalitäres Regime, gegen Lügen, Rassismus und Antisemitismus gekämpft. Diese Botschaft hätten sie mit dem Film vermitteln wollen.
Historisch korrekt?
Komarnicki schlägt sich auf ihre Seite. Er habe alles versucht, die Vermarktung seines Films in den USA mit der Darstellung Bonhoeffers als bewaffneter Attentäter zu verhindern, betont der Regisseur. Doch Angel Studios hätte an der reißerischen Werbung festgehalten. Dies sei für ihn „herzzerreißend“ gewesen.
Es gibt inhaltliche Kritik an dem Film, dass er an einigen Stellen deutlich von den historischen Fakten abweiche. Ein Beispiel: Bonhoeffer wurde am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg durch Erhängen hingerichtet, doch wie auch in anderen Szenen nimmt es das Biopic mit der Geschichte nicht so genau. Hier wird Bonhoeffer auf einem Feld hinter einer leerstehenden Schule zum Galgen geführt. Eine eher kitschige Inszenierung, wenn am Ende auch noch Licht durch die Wolken strahlt.
Er habe sich dramaturgische Freiheiten erlaubt, räumt Komarnicki ein. „Es ist schon genug, dass unser Held in der letzten Einstellung des Films stirbt“, sagt der Regisseur. Unter anderem habe er sich an dieser Stelle gegen eine weitere Darstellung eines Konzentrationslagers entschieden. Auch wollte er nicht zeigen, dass Bonhoeffer bei seiner Hinrichtung nackt an den Galgen treten musste.
Wer über einige historische Ungereimtheiten in der irisch-belgischen Filmproduktion hinwegsehen kann, wird mit einem spannenden Widerstands-Drama entlohnt, das hochaktuelle Themen anspricht. Gerade in seinem Heimatland, mahnt Komarnicki: „In Amerika haben Menschen Angst, wie damals unter Mussolini oder Hitler, ihre Meinung zu äußern. In einem Land, das immer für seine Redefreiheit bekannt war. Es ist an der Zeit, den Mund aufzumachen.“ (dpa/mig) Aktuell Feuilleton
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