
Gutschein gegen Bargeld
Immer mehr Tauschbörsen gegen die Bezahlkarte für Geflüchtete
Die Bezahlkarte für Asylbewerber ist umstritten. Geflüchtete tauschen Gutscheine gegen Bargeld. Initiativen stellen sich damit gegen die Bezahlkarte – unter anderem im Osten Brandenburgs. Bald soll es bundesweiten Protest geben.
Von Monika Wendel Sonntag, 16.03.2025, 10:12 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 16.03.2025, 9:55 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Mit der Ausgabe der Bezahlkarten in den Landkreisen in Brandenburg rufen Flüchtlingsinitiativen vermehrt zu Tauschbörsen auf, um das umstrittene Bargeld-Limit zu umgehen. In Seelow im Landkreis Märkisch-Oderland etwa kaufen Geflüchtete Gutscheine bei Supermärkten ein, die ihnen einmal im Monat rund 20 Bürgerinnen und Bürger gegen Bargeld abkaufen. Auch in Strausberg gibt es laut Flüchtlingsrat Tauschaktionen sowie etwa in Berlin-Kreuzberg.
Flüchtlingsinitiativen lehnen die Bezahlkarte ab und halten sie für diskriminierend. Asylbewerber erhalten einen Teil der staatlichen Leistungen zum Lebensunterhalt damit nicht mehr als Bargeld, sondern als Guthaben auf der Chipkarte. Für Bargeld ist dabei eine Grenze festgelegt: Erwachsene sollen maximal 50 Euro im Monat mit der Karte abheben können.
Laut Bund und Ländern soll mit der Umstellung auf die Bezahlkarte unter anderem verhindert werden, dass Migranten Geld an Schlepper oder Familie und Freunde im Ausland überweisen. Einer Studie zufolge kommt das bei den meisten Geflüchteten aber ohnehin nur ganz selten nicht zum Tragen. Ab 2025 stehen einem alleinstehenden Erwachsenen 441 Euro zu, die als Guthaben auf die Karte kommen. Die Leistungen sollen den Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts decken.
50-Euro gegen Gutschein aus dem Supermarkt
In der rund 5.500 Einwohner-Stadt Seelow im Kreis Märkisch-Oderland organisieren Sabine Grauel und Jutta Krause seit vergangenen Oktober Tauschaktionen und wollen damit gegen die Bezahlkarte protestieren. Treffpunkt ist ein Raum in der Kirche. Dort gibt es auch regelmäßig ein Willkommens-Café für Geflüchtete.
Ein junger Mann aus Afrika etwa tauscht zwei Gutscheine im Wert von 50 Euro ein, die er im Einzelhandel gekauft hat – zwei 50-Euro-Scheine bekommt er zurück. Auch andere Asylbewerber nutzen die Möglichkeit, die Bargeld-Obergrenze so zu umgehen.
Ärger in Bayern: CSU will Tauschbörsen verbieten
Rund 20 Einheimische unterstützen die Tauschaktion und bestellten regelmäßig Gutscheine, die die Geflüchteten dann besorgten, sagte Initiatorin Grauel, die in einem Aktionsbündnis gegen rechts im Landkreis aktiv ist. Sie und ihre Mitstreiterin hoffen auch auf mehr Nachahmer für die Tauschbörsen. Die Geflüchteten wollten mit dem Geld unter anderem Bahntickets, Handykarten oder auch einen Rechtsanwalt bezahlen, meinten sie.
In Bayern lösten die Tauschaktionen jedenfalls viel Ärger bei der CSU aus. Die Partei kündigte an, sie zu verbieten und unter Strafe zu stellen. Von einer „linken Umgehungs-Industrie“ war die Rede.
Weitere Landkreise geben nach und nach Bezahlkarten aus
Der Landkreis Märkisch-Oderland im östlichen Brandenburg hatte im Alleingang bereits im Mai vergangenen Jahres die Bezahlkarte eingeführt. Jetzt folgen nach einiger Verzögerung die anderen Landkreise, die nach und nach die Karten ausgeben.
Auch bestimmte Überweisungen etwa für ÖPNV-Tickets und Handyverträge sollen via Karte freigegeben werden, wie der Landkreistag Brandenburg mitteilte. „Dieser Prozess ist im Fluss“, so der Landkreis Oberspreewald-Lausitz, dessen Landrat Präsident des Landkreistages ist. Im vergangenen November hatte es geheißen, dass die Einrichtung von Zahlungsfunktionen der Chipkarte noch Zeit in Anspruch nehme.
Aufruf zu bundesweitem Aktionstag gegen die Bezahlkarte
Über die Höhe der Bargeld-Begrenzung via Chipkarte hatte es in der früheren Landesregierung in Brandenburg heftigen Streit gegeben, weil der grüne Koalitionspartner nicht mitzog. 50 Euro Bargeld im Monat reichten nicht, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, argumentierten Kritiker. Gerade auf dem Land sei Kartenzahlung auch gar nicht überall möglich, sagte Grauel.
Ein bundesweites Netzwerk ruft am 21. März, am Internationalen Tag gegen Rassismus, zu einem Aktionstag gegen die Bezahlkarte in Deutschland auf. Der Flüchtlingsrat Brandenburg kritisiert, sie schaffe ein System der Kontrolle und Überwachung. Er will mehr Menschen in den Landkreisen Brandenburgs zum Gutschein-Tausch mit Geflüchteten bewegen. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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