
SVR-Studie
Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte seltener politisch aktiv
Junge migrantisch wahrgenommene Menschen erleben erhebliche Barrieren bei der politischen Teilhabe. Das ist das Ergebnis einer Studie des Sachverständigenrates. Das Papier gibt Empfehlungen aus – unter anderem Antirassismustrainings für Politiker.
Sonntag, 16.03.2025, 12:57 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 16.03.2025, 12:57 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sind seltener politisch aktiv als Gleichaltrige ohne Zuwanderungsgeschichte. Das geht aus einer neuen Studie des wissenschaftlichen Stabs des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) hervor. Danach gibt es zahlreiche Hürden vor allem für migrantisch wahrgenommene Personen: fehlende Zugänge zur Politik, Diskriminierungserfahrungen und die geringe Repräsentation der eigenen Gruppe.
Das zeigt sich aktuell auch nach der Bundestagswahl. So sind im Parlament Menschen mit Migrationshintergrund mit 11,6 Prozent der Abgeordneten weiterhin unterrepräsentiert. Zum Vergleich: 2023 hatten knapp 30 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund; etwa jeder Zweite besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit.
Staatsministerin: Junge Migranten längst nicht gleichberechtigt in der Politik
Eine Folge davon zeigt die nun vorgelegte Studie: Besonders junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sind seltener politisch aktiv (11 %) als Gleichaltrige ohne Zuwanderungsgeschichte (40 %). „Aus integrationspolitischer Sicht ist das problematisch, da Teilhabe politische Zugehörigkeit symbolisiert und die Identifikation mit dem Gemeinwesen und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken kann“, erklärt Studien-Autorin Nora Storz vom SVR.
Staatsministerin für Integration und Antirassismus, Reem Alabali-Radovan, ergänzt: „Menschen mit Einwanderungsgeschichte sind noch längst nicht gleichberechtigt in der Politik vertreten. Das ist ein Problem, denn mangelnde Repräsentation schwächt die Demokratie und den Zusammenhalt in unserem Land.“
Befragte sehen Interessen nicht gut vertreten
Die Studie geht mithilfe qualitativer Interviews dem Problem auf den Grund. „Einige Befragte sehen ihre Interessen in der aktuellen politischen Landschaft nicht gut vertreten. Sie wünschen sich eine gezieltere Ansprache durch die Politik, zum Beispiel an Orten, die verstärkt von jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte frequentiert werden, etwa in Schulen oder benachteiligten Stadtteilen, aber auch in den sozialen Medien“, so Dr. Storz. Das würde den Zugang zur Politik erleichtern, denn oft fehle es den Befragten an Wissen über politische Strukturen und Beteiligungsmöglichkeiten. Entscheidend sei dafür auch die politische Bildungsarbeit.
Die Studie empfiehlt, Angebote politischer Bildung schon ab dem Grundschulalter an allen Schulformen vorzusehen. Planspiele, Exkursionen und Kooperationen mit außerschulischen Bildungsträgern sind Möglichkeiten, um Politik lebensnah zu vermitteln. Auch Vereine, Migrantenorganisationen und sonstige zivilgesellschaftliche Akteure können hier eine zentrale Rolle spielen
Wenn der Kanzler gegen kleine Paschas hetzt, hat man Angst
Interviewte Jugendliche berichten zudem von Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen. Diese motivieren manche dazu, sich politisch zu beteiligen, um der Ungerechtigkeit etwas entgegenzusetzen. Andere halten eben diese Erfahrungen davon ab, sich politisch zu engagieren. Jan Schneider, Leiter des Bereichs Forschung beim SVR, empfiehlt „Antirassismustrainings für Personen in politischen Führungspositionen und Lehrkräfte“.
Peter Cellestino Kraus, Jugendbeauftragter der Sinti in Deutschland, unterstreicht diesen Bedarf: „Wenn in einer Partei jemand ist, der bald Kanzler wird, der gegen Kinder wie uns hetzt und sagt, das sind kleine Paschas“, dann habe man Angst, in eine solche Partei zu gehen und fühle sich darin nicht wohl. Er bezog sich damit auf eine Aussage von Friedrich Merz (CDU).
Befragte nehmen Parteien als nicht-diverse Räume wahr
Wie aus der Studie weiter hervorgeht, nehmen viele Befragte Parteien als nicht-diverse Räume wahr, die weder ihre Erfahrungen noch Perspektiven anerkennen. „Dabei würden auch Parteien von der Diversifizierung profitieren. Indem sie die Interessen junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte berücksichtigen, können sie auch neue Mitglieder und Wählerstimmen gewinnen“, so die Studienautoren. Schneider sieht die Parteien in der Pflicht, „sich stärker als bisher für junge Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu öffnen und ihnen attraktive Angebote zu machen“.
Die Studie untersuchte unter dem Titel „Jung und vielfältig, aber noch nicht politisch beteiligt?“ die politische Teilhabe junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zwischen 15 und 35 Jahren. Die Stichprobe bildeten 1.557 migrantisch wahrgenommene Menschen. Der Sachverständigenrat für Integration und Migration ist nach eigenen Angaben ein unabhängiges und interdisziplinär besetztes Gremium der wissenschaftlichen Politikberatung. (mig/dpa) Gesellschaft Leitartikel
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Gutschein gegen Bargeld Immer mehr Tauschbörsen gegen die Bezahlkarte für…
- Keine Strafe für CDU-Mann „Wir füttern sie durch… Dieses Pack muss raus…
- Korrektur Polizei: Rassistische Tat gegen Mutter mit Baby war erfunden
- Wende im Prozess War Brandanschlag in Solingen doch rechtsradikal motiviert?
- Lagebericht Ausnahmezustand an deutschen Hochschulen für Juden
- Polizei sucht Zeugen Rassistische Attacke: Mann tritt auf Mutter mit Baby ein