
Pakistan
Die Uhr tickt für die afghanischen Flüchtlinge
Pakistans Regierung verschärft die Abschiebepolitik – und für afghanische Flüchtlinge läuft die Zeit ab. Hunderttausende von ihnen sollen bis Ende März das Land verlassen. 174 sind am Donnerstag in Hannover gelandet.
Von Julian Busch Donnerstag, 27.03.2025, 15:35 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 27.03.2025, 15:35 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Nur wenige Tage bleiben noch, um das Land zu verlassen. Bis zum 31. März sollen alle afghanischen Flüchtlinge ohne offiziellen Aufenthaltsstatus in Pakistan freiwillig ausreisen. Wer der Aufforderung nicht nachkommt, dem drohe die sofortige Abschiebung, erklärte das pakistanische Innenministerium Anfang des Monats.
Schätzungen zufolge leben insgesamt drei bis vier Millionen Afghaninnen und Afghanen in Pakistan. Viele von ihnen sind während der zahlreichen Konflikte der vergangenen vier Jahrzehnte in das östliche Nachbarland geflohen und haben nie offizielle Papiere erhalten.
Aufnahmeprogramme kommen kaum voran
Bereits im Herbst 2023 hatte die pakistanische Regierung den „Illegal Foreigners‘ Repatriation Plan“ verkündet, nach dem alle afghanischen Staatsangehörigen, die sich ohne offizielle Papiere in Pakistan aufhalten – geschätzte 1,7 Millionen Menschen – unverzüglich in ihr Heimatland zurückkehren sollen. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) haben bisher knapp 840.000 Menschen das Land verlassen.
Nun weitet die Regierung von Premierminister Shehbaz Sharif ihr Vorgehen auf Inhaber der sogenannten Afghan Citizen Card aus, einer temporären Duldung durch die pakistanischen Behörden. Nach Schätzungen der internationalen Denkfabrik Crisis Group könnte dies allein 850.000 Menschen betreffen. Außerdem nehmen die Behörden Menschen ins Visier, die seit der Machtübernahme der Taliban vor mehr als drei Jahren in Islamabad darauf warten, in die USA oder andere westliche Länder, darunter Deutschland, umgesiedelt zu werden.
Flugzeug mit gefährdeten Afghanen in Hannover gelandet
Zwar landete am Donnerstag ein Flugzeug mit 174 gefährdeten Afghaninnen und Afghanen in Hannover, die Aufnahme kommt insgesamt aber kaum voran. Weil auch viele andere westliche Aufnahmeprogramme nur schleppend vorankommen, harren noch immer Zehntausende Afghaninnen und Afghanen in der pakistanischen Hauptstadt aus, darunter ehemalige Mitarbeitende von Nato-Staaten, aber auch Journalistinnen, Künstler und Frauenrechtlerinnen. Viele von ihnen haben keine gültigen Papiere und fürchten, nach Ablauf ihrer pakistanischen Visa in ihre Heimat zurückgeschickt zu werden.
Den jetzt in Hannover angekommenen 82 Frauen und 92 Männern, die aus Islamabad nach Deutschland geflogen sind, wurde bereits in der Vergangenheit eine Aufnahme zugesagt, teilte ein Sprecher des Innenministeriums dem Evangelischen Pressedienst mit. „Neue Aufnahmezusagen werden nicht gegeben, sondern es handelt sich um bestehende Verpflichtungen Deutschlands“, sagte der Sprecher weiter. Anfang März hatte das Auswärtige Amt mitgeteilt, dass im Rahmen des deutschen Aufnahmeprogramms für gefährdete Afghaninnen und Afghanen noch rund 2.800 Menschen mit einer Aufnahmezusage auf eine Ausreise warten.
„Ich hatte keine andere Wahl“
„Ich hatte keine andere Wahl, als Afghanistan zu verlassen, ich kann dort weder leben noch arbeiten“, sagt die ehemalige Journalistin Binesh Banafshah, die jahrelang für afghanische Medien gearbeitet hat, darunter den bekannten Fernsehsender Tolo News. Immer wieder hätten die Taliban sie und ihre Kollegen seit der Machtübernahme im Sommer 2021 bei der Arbeit bedroht sowie festgehalten und aufgenommenes Material oder Kameras zerstört, erzählt sie dem Evangelischen Pressedienst am Telefon.
Um der Herrschaft der Taliban in ihrem Heimatland zu entkommen, reiste die 28-Jährige vor eineinhalb Jahren mit ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Islamabad, wo sie es anschließend in das US-Aufnahmeprogramm schaffte. Doch US-Präsident Donald Trump hat das Programm nach seiner Amtseinführung im Januar zunächst gestoppt.
Visa-Verlängerung nun nur noch für jeweils einen Monat
Zwar hätten sie und ihre Familie noch ein gültiges Visum bis Ende März, aber sie fürchtet um ihren Aufenthalt in Pakistan, sagt die geflüchtete Journalistin. Um den Druck zu erhöhen, verlängern die Behörden die Visa nun nur noch für jeweils einen Monat – und auch die Gebühren wurden deutlich erhöht. Jede Woche kämen Polizisten in ihre Unterkunft, um die Papiere zu kontrollieren. Wer keine gültigen Papiere vorweisen könne, werde abgeschoben, auch Frauen, Kinder und ältere Menschen. „Das ist unmenschlich und brutal“, sagt sie.
Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ berichtet ebenfalls von menschenunwürdigem Vorgehen der Behörden. Laut einem Bericht der Organisation kommt es im ganzen Land zu Hausdurchsuchungen, gewaltsamen Übergriffen auf Afghanen, willkürlichen Festnahmen und der Zerstörung von Eigentum.
Islamabad besorgt um Sicherheitslage
Die Regierung rechtfertigt die Abschiebungen mit der schwierigen Sicherheitslage im Land. Sie wirft der Regierung in Kabul vor, die pakistanischen Taliban (TTP), die immer wieder Anschläge verüben, zu unterstützen und Unterschlupf zu gewähren. Die Taliban in Afghanistan bestreiten dies jedoch.
Sollte sich die Situation in Pakistan nicht schnell verbessern, könne sie sich in ein paar Monaten die Verlängerung der Visa ihrer Familie nicht mehr leisten, sagt Binesh Banafshah. Dann müsse auch sie nach Afghanistan zurückkehren. Sie hofft, dass Präsident Trump seine Entscheidung überdenkt: „Ich wünsche mir einfach einen Ort, an dem ich meine Zukunft selbst gestalten kann und an dem die Regierung sich nicht in unser Leben einmischt.“ (epd/mig) Aktuell Ausland
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