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Nach dem Brandanschlag in Solingen (Archiv) © Ina Fassbender/AFP

Mehr Nazi-Material aufgetaucht

Richter im Solingen-Prozess kritisiert Polizei: „Das darf nicht passieren“

Im Prozess um den Vierfachmord von Solingen ist noch mehr Material mit NS-Bezug aufgetaucht. Eine Anwältin erstattete Strafanzeige gegen Polizisten. Wurden Beweise mit Nazi-Bezug zurückgehalten? Auch der Richter zeigte sich erstaunt.

Sonntag, 06.04.2025, 14:05 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 06.04.2025, 14:05 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Im Zusammenhang mit dem Vierfachmord von Solingen hat eine Rechtsanwältin den Wuppertaler Polizeipräsidenten und mehrere Polizisten angezeigt. Es bestehe der Verdacht, dass Beweismaterial zurückgehalten wurde, das auf eine rechtsradikale Gesinnung und ein entsprechendes Motiv des Angeklagten deuten könnte, sagte Nebenklage-Vertreterin Seda Başay-Yıldız im Prozess um den Mord und weitere Verbrechen. „Welches Beweismaterial gab es noch, das uns nicht vorgelegt wurde?“, fragte sie.

Es seien Fotos von Literatur über NS-Größen aufgetaucht, von denen niemand im Prozess gewusst habe. Warum die ermittelnden Beamten diese nicht vorgelegt hätten, sei schleierhaft. Auch der Vorsitzende Richter Jochen Kötter zeigte sich erstaunt: „Ich könnte da auch aus der Haut fahren, wenn ich das sehe“, sagte er. „Ich muss Ihnen zugestehen, dass das nicht passieren darf.“

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Wem gehören die Bücher?

Ob die Bücher allerdings dem geständigen Angeklagten zugeordnet werden können, ist umstritten. Seine Verteidiger sagen, er habe die Räume, in denen die Bücher gefunden wurden, nicht bewohnt. Die Schlüsselgewalt für die Räume habe beim Vater gelegen, die Wohnung sei bis kurz vor der Durchsuchung noch vermietet gewesen. Beim Angeklagten habe sich kein Schlüssel zu dieser Wohnung gefunden.

Fotos aus dem Haus, indem der Angeklagte wohnte, zeigen zehn Bücher unter anderem mit Hitler im Titel, eine „Kriegsfibel“, „Die Wehrmacht“, „Hermann Göring“, „Das neue Universum“, „Karin Göring“. Der Polizeipräsident hatte nach den Taten gesagt, dass es keine Hinweise auf einen rechtsradikalen Hintergrund gibt.

In Häusern lebten fast nur Miganten

Ein Polizist des Staatsschutzes sagte aus, auch eine nochmalige Überprüfung des Angeklagten habe nichts ergeben, was diesen mit rechtsextremen Straftaten in Verbindung bringt. Seine Freundin habe im Tatzeitraum Inhalte der SPD online geteilt.

Die Anwälte der Angehörigen hatten darauf hingewiesen, dass in den vom geständigen Angeklagten angezündeten Häusern fast ausschließlich Menschen mit Migrationshintergrund gelebt hätten. Eine der Brandstiftungen sei am Jahrestag der Pogromnacht gewesen. In einem Chat habe sich der Angeklagte zudem rassistisch geäußert.

Familie starb beim tödlichen Feuer

Der mutmaßliche Mörder und Brandstifter hat bereits umfassend gestanden. Bei dem tödlichen Feuer am 25. März 2024 starb in Solingen eine bulgarische Familie im Dachgeschoss – die 28 und 29 Jahre alten Eltern und ihre beiden Töchter im Alter von drei Jahren sowie wenigen Monaten. Als Motiv gab der Angeklagte „Stress mit der Vermieterin“ an. Ihm war wegen Mietrückständen gekündigt worden.

Der deutsche Angeklagte gestand neben mehreren Brandlegungen auch eine Macheten-Attacke, bei dem er einen Bekannten lebensgefährlich verletzte. Der 40-Jährige muss sich in Wuppertal wegen vierfachen Mordes und Mordversuchen an bis zu 21 Menschen vor Gericht verantworten. Ein Psychiater hatte ihn als hochgefährlich eingestuft. Das Landgericht hat für den Prozess zwei weitere Verhandlungstage bis zum 15. April angesetzt. Das Gericht will nun entscheiden, wie es mit weiteren Anträgen der Nebenkläger umgeht. Der Prozess wird am kommenden Mittwoch (9. April) fortgesetzt. (dpa/mig) Leitartikel Panorama

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