Kultusministerkonferenz
Keine Deutschpflicht auf dem Schulhof
Die Kultusminister der Länder erteilten der Forderung, Deutschpflicht auf dem Schulhof einzuführen eine klare Absage. Migrantenverbände bezeichneten die Forderung als Stigmatisierung der Muttersprache.
Montag, 18.10.2010, 8:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 20.10.2010, 4:23 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Einen Tag vor Beginn der zweitägigen Kultusministerkonferenz (KMK) am 14. und 15 Oktober 2010 hatte der Bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) alle Eltern mit Migrationshintergrund zu mehr Mitarbeit an den Schulen für eine bessere Integration aufgerufen. Dies sei nicht nur wichtig für den Schulerfolg ihrer Kinder, sondern wirke auch der Entstehung einer „Parallelgesellschaft auf den Schulhöfen“ entgegen, sagte er in München in Anlehnung an die Debatte um Deutschpflicht auf den Schulhöfen. Für seine Forderung erhoffe er sich Unterstützung von den Migrantenverbänden.
Skandal ersten Ranges
Diese bezeichneten die Debatte allerdings als Stigmatisierung der Migrantensprachen. Eine Deutschpflicht auf dem Schulhof widerspreche internationalen und nationalen Vereinbarungen. „Eine Diskussion darüber, dass hier lebende Migranten die deutsche Sprache erlernen sollten, da dies zu allererst ihrem eigenen Interesse entspringt, braucht nicht geführt zu werden. Die Erstrangigkeit der deutschen Sprache ist für uns selbstverständlich. Nur über die Wege dazu sollte gesprochen werden“, so die Migrantenverbände in einer gemeinsamen Erklärung. Dass Schulen ausgezeichnet würden, weil sie Migrantenkindern untersagen, in den Schulpausen ihre Muttersprache zu sprechen, stelle „einen gesellschaftlichen Skandal ersten Ranges dar“.
Die Fokussierung allein auf den Erwerb der deutschen Sprache lenke von den eigentlichen Problemen wie selektives Bildungssystem, geringe Ausbildungsbeteiligung aufgrund von Diskriminierungen und hohe Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Migrationshintergrund ab.
Keine Deutschpflicht auf dem Schulhof
Auch auf Druck vieler Länderressortchefs sprach sich die KMK schließlich gegen eine Deutschpflicht aus. Damit stellen Sie sich gegen das Plädoyer führender Koalitionspolitiker, darunter der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU) und FDP-Generalsekretär Christian Lindner.
Der KMK-Präsident Spaenle, sagte zwar, freiwillige Regelungen an einzelnen Schulen könnten „durchaus interessant“ sein. Er könne darin „auch keine Diskriminierung der Muttersprache erkennen“. Eine flächendeckende Deutschpflicht auf dem Pausenhof sei aber nicht denkbar.
Instrumentalisierung von Parallelgesellschaften
Bereits im Vorfeld der KMK hatte die migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, Sevim Dagdelen die Spaenles Aussagen kritisiert: „Mit konservativen Kampfbegriffen wie ‚Parallelgesellschaft‘, der einseitig auf Muslime bezogen ist und instrumentalisiert wird, um restriktive Maßnahmen in der Zuwanderungs- und Integrationspolitik durchzusetzen, verzerrt er die Realität“, so Dagdelen. Damit würden lediglich Vorurteile gegenüber Migranten verfestigt.
Das deutsche Schulsystem sei erwiesenermaßen eines der sozial selektivsten weltweit. Schon dies führe dazu, dass hier aufwachsende Kinder von Migranten, die überdurchschnittlich häufig aus sozial schwachen Familien kommen, von Beginn an benachteiligt seien und ausgegrenzt würden. Dagdelen weiter: „Diskriminierungen von Kindern aufgrund ihrer Herkunft, etwa bei der unterschiedlichen Zuweisung an weiterführende Schulsysteme bei gleicher Leistung, kommen hinzu. Auch ein frühzeitiger Zugang zu Krippen und Kindergärten wurde und wird vielen eingewanderten Familien mangels entsprechender Angebote oder wegen zu hoher finanzieller Selbstbeteiligungen erschwert.“ Diese Tatsachen seien durch Studien, Untersuchungen und Forschungen längst bekannt.
Migrantenverbände engagieren sich bereits
Kritik erntete Spaenle auch vom Grünen-Politiker Memet Kilic, der die Migrantenverbände in Schutz nahm. Diese engagierten sich „bereits stärker für die Integration als viele es wahrhaben wollen“.
Zahlreiche Migrantenverbände würden Hausaufgabenbetreuung und Integrationskurse anbieten. „Sie laden Pädagogen zu Vorträgen in die Vereinsräume ein. Sie machen Öffentlichkeitsarbeit und suchen den Kontakt zu Einheimischen“, so Kilic. Mit ihrer Arbeit würden sie einen wichtigen Beitrag zur besseren Teilhabe der Migranten leisten und Vorurteile auf beiden Seiten abbauen. Aktuell Politik
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