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Integrationskurse

Integrationsland Deutschland bald im Streik?

Lehrkräfte an Integrationskursen aus dem gesamten Bundesgebiet schließen sich zu einem Netzwerk zusammen und diskutieren über einen möglichen Streik. Grund ist eine weit unterdurchschnittliche Entlohnung und eine mangelhafte Absicherung.

Dienstag, 30.11.2010, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 19.12.2010, 22:33 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Für mittlerweile mehrere Hunderttausend Migranten sind Lehrkräfte an Integrationskursen die Helden des Alltags. Mit ihrer Hilfe und Engagement lernen Zuwanderer Land, Kultur und Sprache, damit sie sich in die Gesellschaft eingliedern, Arbeit finden und ihren Lebensunterhalt selbstständig bestreiten können. Dabei droht ausgerechnet den Dozenten das wirtschaftliche Abseits. Sie sind kaum in der Lage, mit den Einkünften aus den Deutschkursen ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Aus dieser Not heraus entstand vor einem Jahr das „DaZ-Netzwerk“, ein Zusammenschluss von Lehrkräften aus Integrationskursen. Innerhalb eines Jahres schlossen sich der Initiative mehrere Hundert Dozenten aus dem gesamten Bundesgebiet an, die am 20. November 2010 zum ersten DaZ-Netzwerktreffen in Köln zusammenkamen. Unter dem Titel „Zwischen Nutzen und Sparen – Was ist Integrationsarbeit wert?“ diskutierten sie über die prekäre Lage der Lehrkräfte in den staatlich verordneten Integrationskursen.

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Zahlreiche Vorträge von Politikern, Wissenschaftlern, Praktikern und eine anschließende Podiumsdiskussion brachten erhebliche Mängel zutage: drohende Altersarmut, überhöhte Sozialbeiträge oder die völlig unzureichende Entlohnung waren nur einige der Schwerpunktthemen. Hinzu kommt die mangelnde Absicherung, wie es bei Arbeitnehmern und Angestellten üblich ist. So tragen Dozenten das volle finanzielle Risiko einer möglichen Arbeitslosigkeit selbst bei amtlich zu verantwortenden Kursausfällen und haben weder Lohnfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall noch Urlaubsgeld.

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Info: Die Finanzierung der Integrationskurse erfolgt durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Auftrage des Bundesinnenministeriums. Pro Stunde und Teilnehmer zahlt das BAMF dem Träger (öffentlichen Trägern wie VHS sowie diversen privaten Trägern, Vereinen und Verbänden) 2,35 Euro. Von dem Betrag müssen sämtliche Kosten für Räume, Festangestellte sowie DozentInnen bestritten werden.

Diskussionen über Streik
Angesichts der Fülle von Problemen, die von vortragenden Wissenschaftlern der Universität Duisburg bestätigt wurden, fordern die Dozenten eine angemessene Honorierung von zunächst 30 Euro pro Stunde und eine schrittweise Eingliederung in den Tarifvertrag für Weiterbildung in Anlehnung an Lehrkräfte an öffentlichen Schulen. Andernfalls müsse man einen möglichen Streik in Betracht ziehen.

Denn „die Situation ist so nicht mehr länger hinzunehmen“, fasste Renate Hof vom DaZ-Netzwerk Köln die allgemeine Stimmung der Lehrkräfte zusammen. Evy van Brussel vom Deutschen Volkshochschulverband unterstützte die Lehrkräfte in ihren Forderungen und wies auf zahlreiche Protestschreiben hin, die bei den zuständigen Stellen bereits eingegangen seien.

Überrascht und erschüttert von den Rahmenbedingungen in den Integrationskursen zeigte sich Anton Rütten (SPD) vom NRW-Integrationsministerium. Nicht so die integrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, Sevim Dagdelen. Sie hatte bereits in mehreren parlamentarischen Anfragen die Bundesregierung zur Stellungsnahme aufgefordert. Die Antworten seien leider nicht zufriedenstellend gewesen, erklärte die Linkspolitikerin.

Das dürfte auch der Grund für die Abwesenheit des Bundesinnenministeriums und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bei der Tagung gewesen sein. Trotz ausdrücklicher Einladung, so die Initiatoren, habe sich kein Vertreter finden lassen, der teilnehmen wollte.

DaZ fordert Teilhabe an Entscheidungsprozessen
Die Bundesregierung hat trotz eines alle vorherigen Jahre übersteigenden Budgets von 233 Mio. Euro drastische Kürzungen und Zulassungsbeschränkungen für die Deutschkurse eingeführt und umgesetzt. Für lernwilligen Zuwanderer bedeutet das eine Wartezeiten von bis zu 6 Monaten.

„In der Öffentlichkeit wird dabei der Eindruck erweckt, das Angebot an Integrationskursen reiche nicht aus. Tatsächlich können aufgrund amtlicher Zulassungsbeschränkungen und Verzögerungstaktiken nur weniger Kurse von den Trägern angeboten werden“, so Claudia Schol und Helga Steinmaier vom DaZ-Netzwerk.

Erklärtes Ziel der Politik sei es, Migranten die Teilnahme an Integrationskursen zu ermöglichen, um die Eingliederung in unsere Gesellschaft zu fördern. Die Tatsachen belegten jedoch, dass Bund, Länder und Gemeinden nicht in der Lage sind, die notwendigen Voraussetzungen in einem gemeinsamen Konsens zu schaffen. Die Leidtragenden seien die lernwilligen Migranten und nicht zuletzt auch die Dozenten in den Integrationskursen.

Schol und Steinmaier abschließend: „Statt öffentlichkeitswirksame, neue Projekte anzukündigen, sollten die bestehenden Verfahren optimiert und nicht nur die amtlich Beteiligten, sondern auch die Dozenten an Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Es wird immer schwieriger, Teilnehmer an Integrationskursen den hohen Stellenwert von Bildung zu vermitteln, wenn die Dozenten trotz ihrer akademischen Ausbildung kaum in der Lage sind, mit den Einkünften aus den Deutschkursen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.“ (bk) Gesellschaft

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