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Canan Ulufer

Kulturelle Vielfalt muss auch in der Politik erkennbar sein

Canan Ulufer, die einzige türkischstämmige GAL-Kandidatin im Wahlkreis 3 in Altona für die Wahlen am 20. Februar in Hamburg. Wird sie gewählt, wäre sie auch die erste Frau mit Kopftuch, die in ein deutsches Parlament einzieht.

Von Sidonie Fernau Donnerstag, 10.02.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 16.02.2011, 3:08 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Es ist Samstagmorgen, halb acht. Nur vereinzelt sieht man Menschen, dick eingepackt in Wintermänteln, das Gesicht schützend vor der Kälte im Schal verborgen. Die Sonne geht langsam auf und die ersten Sonnenstrahlen lassen die Eisschicht, die der Winter über die Stadt gelegt hat glitzern. „Guten Morgen! Sie gucken so interessiert. Haben Sie sich schon über die Wahlen informiert?“, spricht eine junge Frau ein älteres Ehepaar an, was grade aus der Bäckerei kommt.

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Es ist Canan Ulufer. Sie ist die einzige türkischstämmige Kandidatin, die auf der Liste der Grünen Alternativen Liste (GAL) im Wahlkreis 3 (Altona) für die Wahlen am 20. Februar für die Hamburgische Bürgerschaft kandidiert. Doch das wirklich Interessante an Ulufers Erscheinung, ist nicht etwa ihr türkischer Hintergrund, sondern die Tatsache, dass sie ein Kopftuch trägt. Wenn sie gewählt werden sollte, wäre sie die erste Frau mit Kopftuch, die für eine etablierte Partei in ein deutsches Parlament einzieht. „Kulturelle Vielfalt muss auch in der Politik sichtbar sein!“, sagt Ulufer motiviert.

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Sie sucht das Gespräch und den Austausch mit den in Altona lebenden Menschen. Es ist ihr erster Wahlkampfstand als Kandidatin. „Ich habe viele positive Rückmeldungen erhalten. An so einem Wahlkampfstand offenbart man sich den Menschen“, erzählt sie, während sie die Wahlprogramme und Flyer auf dem Tisch sortiert. Besonders junge, deutsche Akademiker_innen reagierten positiv auf die herzliche und offene Art der Kandidatin und seien begeistert von ihrer euro-islamischen Lebensweise, die ihr auf Grund der Art und Weise ihr Kopftuch zu tragen zugeschrieben werde. Oft sei Religion und Kultur ein Thema am Wahlkampfstand. „Die Leute sind immer ganz irritiert, wenn ich erzähle, dass ich riesiger Fußballfan bin“, lacht die junge Frau, die in der Türkei Galatasaray und in Hamburg dem FC St. Pauli die Daumen drückt.

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Canan Ulufer ist 31 Jahre alt und wurde in Hamburg als älteste von drei Kindern türkischer Einwanderer geboren. Heute ist sie eine studierte Sozialpädagogin. Der Weg dorthin war allerdings nicht einfach und führte von der Hauptschule zur Realschule über zwei Ausbildungen – als Kinderpflegerin und Erzieherin – zur Fachhochschule. Ihre Eltern, die sich selber ihre Träume nicht erfüllen konnten aber dafür immer an ihre Tochter glaubten, seien dabei ihre größte Stütze und ihre größten Vorbilder gewesen. Sie machten ihr klar, dass man in Deutschland nur mit einer guten Bildung zu seinen Rechten käme. Und auch, wenn sie mit ihr weder deutsche Bücher lesen, noch mit ihr Diktate üben konnten, sei die emotionale Wärme und Fürsorge umso wichtiger gewesen.

Schon früh hat sich Ulufer für Politik interessiert „als Mädchen mit 12 Jahren die Bravo gelesen haben, habe ich politische Zeitschriften gelesen“. Zu den Grünen, so Ulufer, sei sie durch Cem Özdemir gekommen. Er war der erste türkischstämmige Abgeordnete im Deutschen Bundestag und sei lange Zeit ihr Vorbild gewesen. „Vielfalt ist das, was die grüne Partei ausmacht. Wir sprechen alle Menschen an. Wir geben jedem eine Chance, unabhängig von Alter, Religion, Bildungsstand oder kultureller Herkunft“, die junge Frau rückt ihr Kopftuch zurecht „Natürlich werde ich viel zum Islam gefragt aber jeder lebt seinen Glauben unterschiedlich. Ich kann nur sagen, was ich richtig und wichtig finde. Ich bin eine integrative Figur und Brückenbauerin. Menschen haben Vorurteile und sind verunsichert durch die Islamdebatte. Ich zeige ihnen, dass Glaube vielfältig ist“.

Vor sechs Jahren erhielt die junge Frau ihre deutsche Staatsangehörigkeit. „Herzlichen Glückwunsch, jetzt sind sie deutsch“, sagt der Beamte in der Behörde zu ihr. „Menschen brauchen einen natürlichen Zugang zum Deutsch-sein, das ist kein bürokratischer Prozess. Man muss Jugendlichen das Gefühl geben dazu zu gehören. Viele Jugendliche identifizieren sich mit Hamburg. Sie sind Teil eines Fußballvereins, sie fühlen sich zuhause“, so die junge Politikerin. Wenn Ulufer am 20. Februar in die Bürgerschaft gewählt wird, so möchte sie sich vor allem für die doppelte Staatsbürgerschaft und gegen die Optionspflicht, für Frauen- und Familienpolitik und für Integration und Antidiskriminierung stark machen. Von Letzterem seien besonders Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund betroffen. Sie hätten oft mit Vorurteilen und Ablehnung zu kämpfen. Dies sei etwas, was sie nicht nur mit vielen in Hamburg lebenden Türk_innen verbände, sondern auch mit Menschen aus anderen Ländern.

Auf die Frage was sie mit ihrem Stadtteil Altona verbände, strahlt Ulufer übers ganze Gesicht „Heimat und zu Hause! Ich fühle und lebe in Altona meinen Ursprung, meine Wurzeln und mein zu Hause die Hansestadt Hamburg. Hier spiegelt sich die Vielfalt der Gesellschaft. Kulturen und Religionen verbinden sich. Das möchte ich weiter unterstützen. Es gibt keinen Stadtteil, in dem ich lieber wohnen würde!“

Ulufer drückt einer jungen Frau mit Kinderwagen einen Flyer in die Hand „Egal wie die Wahl ausgehen wird, allein Kandidatin zu sein ist ein Erfolg. Ich habe so viele Herzen gewonnen, dass das meinen Lebensweg bereichern wird. Auch wenn ich nicht genügend Stimmen bekommen werde, werde ich weiterhin die Stimme derer sein, die mich und meine politische Einstellung unterstützen. Das kann mit keiner nehmen“. Politik

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  1. Jos. Blatter sagt:

    Vielleicht habe ich es ja überlesen, aber aus dem Artikel geht keine politische Intension Frau Ulufers hervor, die sich abseits von Islam und türkischen Interessen befindet. Dazu noch eine ausgrenzende Äußerlichkeit.
    Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn denn nicht die Grünalternativeliste als Vehikel für derlei Aktivitäten herhielte. Wenn man an die Anfänge grüner Politik in Deutschland zurückdenkt, ist ein solch rückständiges Denken natürlich, zumindest für Sympathisanten einer solchen Strömung, mehr als betrüblich.
    Es stünde einer Frau Ulufer gut zu Gesicht, eine solche religiöspolitische Richtung in einer religiöspolitischen Partei, vielleicht einer Art deutscher AKP, zu verwirklichen. Das wäre ehrlich, wenn auch nur in der Türkei erfolgreich.

  2. Spiro sagt:

    Kopftücher gehören nicht ins Parlament. Ein Grund, niemals die Grünen zu wählen.

    Man kann nur hoffen, dass für den Fall der Fälle die Hausordnung geändert wird und wenigstens die SPD den säkularen Staat verteidigt.

  3. Miro sagt:

    Das Kopftuch ist letzlich das Zeichen für einen konservativen bis radikalen Islam. Und dieser Islam ist sicher nicht integrierbar in eine moderne, freie, westliche Gesellschaft.
    Von daher wäre der Einzug dieser Dame ins Parlament eher ein Rückschritt als ein Fortschritt.

  4. Sakine sagt:

    Liebe MitkommentatorInnen,

    ich hätte gar nicht gedacht, dass solche Leute wie Sie, das Migazin lesen. Aber offensichtlich tun Sie das auch nicht richtig, weil Sie hier Dinge kritisieren, die im Artikel so nicht behauptet werden.
    Natürlich wird Frau Ulufer, als türkeistämmige Muslimin die Probleme von genau diesen mehr zur Sprache bringen als es andere tun. Doch das ist auch dringend notwendig. Immerhin bilden türkeistämmige Menschen in Deutschland die größte Minderheit dar, die von der Politik immer wieder marginalisiert werden. Selbst in so konservativen Ländern wie Frankreich oder Österreich sind Minderheiten politisch besser integriert als in Deutschland. Es ist natürlich einfacher das Bild vom kriminellen, ungebildeten und gewalttätigen türkeistämmigen muslimen aufrecht zu erhalten, wenn man genau die, die nicht in dieses Vorurteil passen, ausgrenzt! Ich wünsche Frau Ulufer viel Erfolg bei dieser Wahl und wünsche mir, dass es in Deutschland heute schon möglich ist, akzeptiert und trotzdem anders zu sein!
    Und übrigens: die doppelte Staatsbürgerschaft, Familien-, Frauen und Antidiskriminierungspolitik sind nicht nur Angelegenheiten der türkeistämmigen Bevölkerung in Altona!

  5. Sugus sagt:

    @ Sakine
    Frankreich negiert Minderheiten. Bretonen und Basken etc. spielen – als Volksgruppe – so gut wie keine Rolle in der Politik und haben weniger zu melden als Dänen in Schleswig-Holstein.
    Die Türken sind keine anerkannte Minorität in D – sie kamen nach den Deutschen hierher und sind nicht ältere Überbleibsel, wie Indianer in den USA, die eigene Reservate haben. Erkennen Sie den entscheidenden Unterschied? Alles was zur Konstituierung der Türken als Volksgruppe in der Politik beiträgt SPALTET dieses Land!

  6. Sakine sagt:

    @Sugus:
    Sie meinen also Minderheiten könne man nur als Minderhieten anerkennen, wenn man vorher einige Generationen ausgelöscht, gefoltert und vertrieben hat? Das ist ja eine sehr interessante Sichtweise von Ihnen auf die ich so ohne weiteres nicht gekommen wäre, gleichwohl mir sehr wohl bekannt ist, dass Türken in Deutschland nicht als Minderheiten gesehen werden.

  7. Frollein XY sagt:

    Ich kann nur hoffen, dass Sie liebe mit-Kommentatoren sollten Sie mal ins Ausland kommen (hört sich nicht danach an, was sie hier verzapfen), dort genauso behandelt und beäugt werden, wie sie hier die „Fremden“ behandeln und beäugen (und das sage ich in Anlehnung an unsere Erzkonservative Kanzlerin, die es eigentlich ganz anders meint…).

    @Spiro: Sie mein lieber, sind für mich ein Grund niemals wieder etwas anderes als die Grünen zu wählen!

  8. Ghostrider sagt:

    @Spiro
    Kopftücher gehören nicht ins Parlament.

    Miro
    Das Kopftuch ist letztlich das Zeichen für einen konservativen bis radikalen Islam.

    Erst wenn die Bundesregierung den ewiggestrigen braunen Sumpf in der Gesellschaft trockengelegt hat und Verbote gegen NPD & Co erteilt hat.

    Erst wenn man die Akteure des menschenverachtenden Rechtsextremismus in den Knast gejagt hat, wo sie auch hingehören, erst dann kann man darüber diskutieren, ob Kopftücher ins Parlament gehören oder nicht.

    Ich bin kein Kommunist, gehöre auch keiner linken Gruppierung an, aber Rassismus hat in einer modernen Gesellschaft, in eine Demokratie nichts und in Deutschland erst recht nichts zu suchen.

    Ghostrider

  9. Sugus sagt:

    @ Sakine
    Schön, wie Sie mir Dinge in den Mund legen, die ich nie geschrieben habe.
    Andere Frage: Sind Sie eigentlich für Volksgruppenrechte der deutschen Minderheit an der türkischen Südküste? Immerhin gibt es dort tausende deutsche Rentner, die ihre kulturelle Eigenständigkeit (z.B. Schweinefleischverzehr) bewahren wollen. Warum werden in Antalya die Schilder an öffentlichen Gebäuden nicht türkisch und deutsch beschriftet? Lauter Dinge, die der türkische Stasat unterläßt. Ich als Deutscher fühle mich dadurch beleidigt.

  10. Miro sagt:

    @Ghostrider
    Ich vermute sie sind Moslem, falls das so ist, ist ihnen im Koran schonmal eine gewisse Tendenz aufgefallen, vorallem gegenüber Ungläuigen, also Nicht-Muslimen?
    Von Hetze bis hin zum Aufruf zu Gewalt und Mord ist da alles zu finden. Wie stehen sie als Antifa zu sowas?

    Miro