Migration
Für ein freies Europa mit offenen Grenzen!
Migration is the oldest action against poverty. It selects those who most want help. It is good for the country to which they go; it helps break the equilibrium of poverty in the country from which they come. What is the perversity in the human soul that causes people to resist so obvious a good? J. K. Galbraith
Von Sabine Beppler-Spahl Montag, 16.05.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 20.05.2011, 2:10 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Hat jemand bemerkt, dass am 9. Mai Europatag war? Gefeiert werden sollte die Unterzeichnung der Schumann-Erklärung, die einem Europa ohne Grenzen – dem heutigen „Schengenraum“– den Weg bereitete. Nur aufmerksame Zeitungsleser werden es mitbekommen haben. Kein Wunder, denn von einem Kontinent ohne Grenzen scheinen wir uns mehr und mehr zu entfernen. Am Donnerstag etwa wurde gemeldet, dass die konservative dänische Minderheitsregierung überlege, wieder Grenzkontrollen einzuführen. Und auch in anderen Teilen Europas gerät die Idee offener Grenzen zunehmend unter Druck. Der Optimismus der EU-Gründerzeit weicht Pessimismus und Skepsis.
Der Grund sind die ca. 23.000 Flüchtlinge, die seit Beginn der Unruhen in Nordafrika in Lampedusa eingetroffen sind. Vorbei die Zeit, in der die Jugend Nordafrikas wegen ihres Muts, Elans und Freiheitswillens bewundert wurde. Heute gelten die Helden der Freiheit als ein Problem und internationale Migration hat den Beigeschmack eines moralischen Vergehens, wenn nicht gar einer Straftat. ZDF-Fernsehmoderator Peter Hahne gibt den Trend vor, wenn er meint, die „Flüchtlinge sollten jetzt lieber zurück nach Tunesien, um dort zu helfen, ihr Land aufzubauen“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teilt diese Sicht: „Unser Ziel ist, die Probleme in den Heimatländern zu lösen, den Menschen dort eine Perspektive zu geben und ihnen damit auch eine Chance zu geben, in der eigenen Heimat leben zu können.“ Das klingt vornehmer, als zu sagen, „Bleibt dort, wo ihr herkommt“. So lange sich also der Freiheitsdrang junger Menschen gegen Diktatoren richtete, war er für unsere Politiker tolerierbar, nicht jedoch, wenn er sich in der Überschreitung unserer Landesgrenzen ausdrückt.
Dabei gibt es kaum einen deutlicheren Ausdruck für Freiheitswillen und den Wunsch, sein Leben selbst zu gestalten, als die Auswanderung. Warum sollten Menschen gezwungen werden, dort zu leben, wo sie das Schicksal der Geburt hinversetzt hat? Wer auswandert, um sich in der Fremde ein neues, besseres Leben aufzubauen, beweist Mut und Initiative. Hätte man den mehr als sechs Millionen Deutschen, die bis zum ersten Weltkrieg in die USA ausgewandert sind, auch gesagt, sie sollten lieber zuhause bleiben und ihr Land aufbauen? Der Drang, das eigene überschaubare, aber begrenzte Umfeld zu verlassen und Neues zu wagen ist oft aus der Not geboren, hat der Menschheit aber immer wieder neue Entwicklungsimpulse gebracht und bis heute Millionen von Menschen neue Lebenschancen gegeben. Zwischen 1870 und 1910 wanderte jeder sechste Schwede nach Amerika aus. Noch mehr, fast die Hälfte der Bevölkerung, verließ um die gleiche Zeit Irland und mehr als ein Drittel aller Italiener packten ihre Koffer und machten sich auf die Reise über den Atlantik. Die heutigen Warnungen und Ängste vor einem „Exodus“ aus Nordafrika relativieren sich schnell, wenn wir in die Geschichte schauen. Wir müssen nicht einmal sehr weit zurückgehen: Allein zwischen 1945 und 1950 waren 12,5 Millionen Menschen aus osteuropäischen Ländern nach Deutschland gekommen.
Immer wieder hat sich gezeigt, dass flexible und dynamische Wirtschaften Immigranten aufnehmen können. Während der großen Ausreisewelle ab 1870 erlebten die USA einen ungeheuren Wachstumsschub und konnten den Lebensstandard Englands deutlich überholen. Auch für die heutige Zeit gibt es Beispiele: Zwischen 1990 und 1997 wanderten über 710.000 Russen nach Israel aus. Die arbeitende Bevölkerung wuchs dadurch um 15%. Kam es zu einem massiven Einbruch der israelischen Wirtschaft und grassierender Unterbeschäftigung? Ganz und gar nicht, denn im gleichen Zeitraum sank die Arbeitslosigkeit in Israel, laut Sarit Cohen Goldner, einem Wirtschaftsexperten der Bar-Ilan Universität in Tel Aviv sogar leicht. (Philippe Legrain: Immigrants-Your country needs them, 2007, Little Brown Books Group, S. 134.[/efn_note]
Trotz der vielen Beispiele für den positiven Antrieb, der durch Ein- und Auswanderung entsteht, tritt heute kaum jemand für offene Grenzen und das Recht auf freie Wahl des Wohnortes ein. Wer dies tut, gilt als skurril und weltfremd. In Deutschland, einem Land das besonders strenge Immigrationsgesetze hat und erst in diesem Monat seine Grenzen für Arbeiter aus den neuen EU Mitgliedstaaten in Osteuropa geöffnet hat, vielleicht ganz besonders. Das ist schade, denn die Grenzen zu öffnen ist mehr als nur ein Gebot der Humanität. Die Einwanderungsfrage trifft uns im Kern, denn es geht darum, wie und in welcher Art von Gesellschaft wir leben möchten. Wollen wir in einer Gesellschaft leben, die das Prinzip der Freiheit – auch der Bewegungsfreiheit – schätzt? Gesellschaften, die sich abschotten und Ängste pflegen, büßen an Dynamik ein und werden pessimistisch im Bezug auf die Potentiale menschlicher Gestaltungskraft und Erfindungsreichtums.
Es mag sein, dass vor allem bankrotte Politiker, denen innenpolitisch das Wasser bis zum Hals steht, das Angstszenario einer Massenflucht aus dem armen Süden heraufbeschwören. Aber es wäre unfair, nur Silvio Berlusconi oder Nikolas Sarkozy für die gegenwärtige Abschottungs- und Angstkampagne verantwortlich zu machen. Auch deutsche Politiker haben sich für eine Reform von Schengen ausgesprochen und die EU Innenkommissarin, Cecilia Malmström, die am Montag noch den Europa Tag feierte, will jetzt die Mission der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex im Mittelmeerraum weiter ausbauen.
Europa war schon immer eine Festung, deren Tore für Immigranten aus ärmeren Ländern fest verschlossen waren. Die jüngste Debatte über Schengen ist nur ein Ausdruck dafür, dass die alten Strategien zur Flüchtslingsabwehr nach den Unruhen in den nordafrikanischen Ländern nicht mehr zuverlässig funktionieren. Während innerhalb der EU von Freizügigkeit und Freiheit die Rede war, erledigten die Diktatoren des nördlichen Afrikas einen Großteil der schmutzigen Arbeit vor Ort. Nicht zuletzt mit dem verhassten Libyschen Führer Muammar al-Gaddafi wurde ein Pakt zur Unterbindung der Auswanderung geschlossen. Haben unsere europäischen Politiker vielleicht mehr mit den bornierten Diktatoren des nördlichen Afrikas gemein, als ihnen lieb ist? In jedem Fall hat sich auch in unserer Politik ein Denken in engen Grenzen durchgesetzt, das in Immigration nur die „Einwanderung in die Sozialsysteme“ sieht. Auch unsere Politik scheint den Glauben an Dynamik, Wachstum und die eigene positive Gestaltungskraft verloren zu haben. Eine dynamische Gesellschaft, die Menschen nicht allein nach ihrer Herkunft beurteilt, würde einige zehntausende Einwanderer niemals als Bedrohung wahrnehmen. Immigration war immer auch eine treibende Kraft menschlichen Fortschritts und Entwicklung. Daran sollten wir uns erinnern und endlich für offene Grenzen eintreten. Aktuell Meinung
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Ich schlage vor: Europa schottet sich nicht mehr ab. Stattdessen schickt Europa Flugzeuge und Schiffe nach Afrika und in sämtliche anderen armen Länder der Welt, die dort die Menschen, die migrieren wollen, einsammeln und sicher nach Europa bringen. So stirbt niemand mehr während der Migration und Europa kann dadurch nur gewinnen. Alles andere wäre eine Verletzung der Menschenrechte.
Zudem darf man auch keinesfalls sozialdarwinistisch denken (wie der rechtspopulistische Kulturrassist Thilo Sarrazin) und danach fragen, ob diese Menschen in Europa einen Job finden. Wenn nicht, dann müssen eben die, die einen Job haben, länger arbeiten und mehr Steuern bezahlen. Das ist ein Gebot der Nächstenliebe.
Die migrationswilligen Menschen werden also nach Europa gebracht, egal wieviele es sind. Denn warum soll man dem einen Menschen die Möglichkeit eröffnen, nach Europa einzuwandern, und dem anderen nicht? Man darf nicht den einen bevorzugen und den anderen benachteiligen, das wäre nicht fair.
Wir machen das also so und schauen einfach mal, was passiert.
„Allein zwischen 1945 und 1950 waren 12,5 Millionen Menschen aus osteuropäischen Ländern nach Deutschland gekommen.“
Um genau zu sein: Deutsche kamen aus den Ostgebieten in jene Gebiete, die noch deutsch waren. Das ist wohl ein eklatanter Unterschied. Es sind ja nicht 12,5 Millionen Polen oder Tschechen nach Deutschland gekommen.
Als Deutscher oder EU-Europäer, habe ich nicht wirklich das Gefühl, dass die Grenzen für mich jetzt geschlossen wären. Wenn ich das richtig verstehe, dann suchen die doch hauptsächlich illegale einwanderer und ich bin keiner, also: who cares!!!
Menschen die glauben, dass durch Grenzkontrollen die europäische Idee gefährdet ist, übertreiben total. Man kann ja als Bürger durchaus nachvollziehen warum das gemacht wird und ich finde die Gründe vollkommen gerecht. Es werden halt Menschen gesucht, die nichts hier verloren haben.
@Sabberlatz
Ist das ernst gemeint? Oder willst du auf eine sarkastisch übertriebene Art Gutmenschen imitieren?
„Immigration war immer auch eine treibende Kraft menschlichen Fortschritts und Entwicklung. Daran sollten wir uns erinnern und endlich für offene Grenzen eintreten.“
Erzählen Sie das mal Tibet! Da sind die Grenzen jetzt auch offen und was ist passiert: die Chinesen strömen in ungeheuren Mengen nach Tibet ein und die gesamte Kultur der Tibeter wurde platt gemacht bzw. zu touristenattraktionen umfunktioniert.
Immigration bringt nicht NUR Vorteile mit sich, sondern auch viele Nachteile und zwar ausschliesslich für die aufnehmende Gesellschaft. Vorallem dann wenn Sie ungesteuert ist, wie beim Ehegattennachzug für Türken oder die Wirtschaftsflüchtlinge aus Nordafrika. Hier weiss keiner, wer einwandert, warum er einwandert, ob er eine Ausbildung hinter sich hat, geschweige denn die Sprache kennt. Ausserdem sollte daraufhingewiesen werden, dass es genug arbeitslose Spanier gibt fast 20%!!! Bevor man jetzt wieder irgendwelche Migranten aus Ouagadougou holt, bei denen man wieder nur Integrationsschwierigkeiten feststellen wird, sollte man einfach mal Menschen aus der EU Beschäftigung besorgen und dann kann man mal anfangen an der Peripherie für Wohlstand zu Sorgen, aber auch erst DANN.
„Wenn ich das richtig verstehe, dann suchen die doch hauptsächlich illegale einwanderer und ich bin keiner, also: who cares!!!“
Es gibt durchaus Menschen, die Empathie gegenüber Flüchtlingen haben. Sie können die gerne mit dem populistischen Kampfbegriff „Gutmenschen“ titulieren.
Ich habe Flüchtlinge in Deutschland kennengelernt und muss sagen: der begriff „illegale Einwanderer“ ist pervers.
Was interessieren mich Grenzkontrollen ?
Daß ich an den Ländergrenzen meinen Pass vorzeigen muß schränkt doch meine Reisereiheit in keinster Weise ein und wenn man dadurch die Illegalen abfangen kann, umso besser
Ich kenne nicht die Intension von Frau Beppler-Spahl, aber eines sei gewiß:
Diese Leute kommen nicht als Bittsteller oder um uns zu helfen, sie kommen auch nicht, weil wir sie brauchen oder um Europa zu bereichern – sie kommen als Eroberer, selbst wenn sie es nicht wollen. Denn das liegt in der Natur der Sache. Da muß Frau Beppler-Spahl nur mal bei den Inkas, bei den Dakotas, bei den Aborigines oder in Konstantinopel nachfragen. Und es ist das gute Recht dieser Leute.
Aber genauso gut ist es unser gutes Recht ein solches Unterfangen zu verhindern, das ist weder gut noch böse, sondern menschlich.
Außerdem hantiert Frau Beppler-Spahl mit falschen Zahlen(Fourotan).
Laut „Zeit“ sind in den 2 Monaten 38000 „Seefahrer“ nur nach Lampedusa gekommen, kann man leicht aufs Jahr oder Jahrzehnt hochrechnen, wenn man will!
Die Ureinwohner Amerikas hatten auch ein Helfersyndrom. Sie sind daran verstorben.
In die „Festung Europa“ gelangen – ganz unabhängig von Lampedusa – jedes Jahr etwa 250 000 Menschen.
Welch ein schreckliches Bollwerk, das Jahr für Jahr eine Menschenmenge, die der Personalstärke der Armee einer Großmacht entspricht, passieren lässt.
Natürlich kann man die freie Wahl des Wohnorts für jeden Bewohner dieses Planeten propagieren und das Territorialprinzip aufgeben.
Und natürlich kann man halb Afrika nach Europa einwandern lassen.
Dann sollte man sich aber nicht wundern, dass hier Zustände wie im Kongo herrschen werden.
@ Pocahontas: Was hat den jetzt Frau Fourotan mit dem Artikel zu tun? Ich verstehe Ihren Einschub nicht.
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