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Ausländerbeirat

Die Zeit ist um

„Der Ausländerbeirat kann sich mit Angelegenheiten der Gemeinde befassen.“ So heißt es in der nordrhein-westfälischen und ähnlich auch in anderen Gemeindeordnungen. Die Formulierung macht es deutlich – so richtig viel hat der Ausländerbeirat in den Gemeinden nicht zu sagen. Er ist in der Regel ein Beratungsgremium, das oft nur dann angehört wird, wenn die Belange von Ausländern betroffen sind.

Von Engin Karahan Dienstag, 26.05.2009, 7:10 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 21.08.2010, 0:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Ausländerbeirat ist aber eines der wenigen Gremien, in denen auch Nicht-EU-Ausländer mit ihrer Stimme oder gar als Kandidat politisch tätig werden können – doch zumeist ohne Wirkung. Diese „zielgruppenorientierte Beteiligung“, wie es Joachim Detjen nennt (in: Demokratie in der Gemeinde, Niedersächsische LPB, Hannover 2000) strebt zwar an, „bestimmten Bevölkerungssegmenten, die unter Partizipationsgesichtspunkten als benachteiligt gelten, Kompensation zu verschaffen“. Über eine beratende Funktion geht die Kompetenz des Beirats nicht hinaus. Selbst in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, in denen statt des nur beratenden Ausländerbeirats die Einrichtung eines zumindest mit beschränkten Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Integrationsrates möglich ist, soll nun diese beschränkte Entscheidungskompetenz wieder zurückgefahren werden.

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Sollte man deswegen trauern? Man kann, muss es aber nicht. Denn die Ausländerbeiräte hatten und haben immer noch ein gravierendes Problem, nämlich ihre fehlende Akzeptanz unter den Migranten. Es gab in den 90ern noch Zeiten, als man sich in türkischstämmigen Migrantenorganisationen noch aufgeregt auf die anstehenden Ausländerbeiratswahlen vorbereitet hat, Listen erstellt, mit anderen Listen koaliert und letztendlich zum Gang zur Wahlurne aufgerufen hat. Die Zahl der Eingebürgerten war damals noch sehr überschaubar, was den Urnengang für die meisten zu einem Novum, etwas Besonderem machte. Man lebte zwar schon seit über zwei Jahrzehnten in einem demokratischen Land, hatte jedoch weder die Möglichkeit, sich in der alten Heimat demokratisch zu betätigen, noch in der neuen an Wahlen teilzunehmen.

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Doch der Glanz der Ausländerbeiräte verflog sehr schnell. Zum einen trug dazu die Ohnmacht dieser Gremien bei, die Belange der ausländischen Wähler tatsächlich in die städtische Entscheidungsfindung einzubringen. Zum anderen fehlte den meisten Gewählten in dieser Funktion einfach der Rückhalt in der Migranten-Community. Es waren entweder Einzelkämpfer, die kaum einen Draht zu der Basis und den Migrantenorganisationen hatten, denen sie ihre Wahl verdankten oder es waren „Parteisoldaten“, die aus der Partei mangels „verfügbarer“ Stadtratsplätze in den Ausländerbeirat entsandt wurden.

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So durfte man sich nicht wundern, dass in vielen Kommunen die Wahlbeteiligung auf einstellige Prozentzahlen zurückging, nicht selten wurde die nötige Beteiligung für eine gültige Wahl erst gar nicht erreicht.

Die Ausländerbeiräte als Organe zur Mitwirkung von Migranten sind nicht nur deswegen ein Auslaufmodell. Sie wurden zu einer Zeit eingerichtet, als es adäquater Ansprechpartner auf der Migrantenseite fehlte. An ihnen beteiligt waren damals oft nur einzelne Protagonisten, die sowohl des Deutschen mächtig waren und zu den Wenigen gehörten, die sich hier eine Zukunft vorstellen konnten. Beide Voraussetzungen haben sich geändert. Weder fehlt es an der Sprachfähigkeit von Migranten, noch an zivilgesellschaftlichen Initiativen von Migranten, die ihre Zukunft in Deutschland sehen und die besonders auf kommunaler Ebene institutionell Beratungs- und Aufklärungsaufgaben, wie andere zivilgesellschaftliche Akteure auch, wahrnehmen können und wollen.

Ausländer- bzw. Integrationsbeiräte sollen ...
    ... abgeschafft werden. (57%)
    ... mehr Kompetenzen bekommen. (43%)
     
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    Der Ort für die politische Beteiligung von Migranten auf kommunaler Ebene ist somit nicht mehr der Ausländerbeirat, sondern die etablierten Parteien und die Stadträte. Zweifellos wird der Umstand, sich gegenüber Kandidaten mit Migrationshintergrund, die auch in ihrem Herkunftsmilieu verwurzelt sind, zu öffnen, von manchen Parteien zwar eine immense Integrationsleistung fordern. Daran führt aber kein Weg vorbei, wenn wir wollen, dass eine nicht zu unterschätzende Zahl von Menschen nach fast 40 Jahren endlich auch aktiv und effektiv an unserer Demokratie teilnimmt. Meinung Politik

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    1. Ich forsche in den letzten Tagen nach den Wahllisten zur Kommunalwahl in NRW. Dabei stoße ich auf das Ergebnis, dass es eben nicht die etablierten Parteien sind, die ihre gesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen.
      Sie sind derzeit eben nicht zu der erforderlichen Integrationsleistung fähig.
      In den Großstädten des Ruhrgebietes wird es vermutlich kein einziges Ratsmitglied mit (jüngerem)Migrattionshintergrund – wahrscheinlich nicht einmal Bezirksvertreter – auf dem Ticket einer etablierten Partei geben.
      In Kierspe z.B. (gehört nun nicht zu den genannten Städten) hat die SPD bislang zehn Ratsmandate; der erste „Türke“ wurde auf Platz 15 der Liste für die kommende Wahl gewählt.
      In meiner Heimatstadt Recklinghausen finden die etablierten Parteien angeblich keine geeigneten Bewerber.
      Wurde 2005 noch ein „Türke“ auf der Liste der Grünen gewählt, gibt es diesmal keinen Kandidaten.
      Lediglich die FDP ist so integrativ, eine Frau sogar mit Kopftuch auf dem Bewerberfoto als Wahlkreisbewerberin ohne jede Chance auf ein Mandat ins Rennen zu schicken.
      Ich meine, die Ausländerbeiräte und Integrationsräte erreichen durchaus das in sie gesetzte Ziel.
      Sie „beweisen“ dass die Zuwanderer an demokratischer Mitwirkung nicht interessiert sind.
      Jedenfalls nicht an dieser Form des demokratischen Katzentisches, wo die Mehrheitsgesellschaft in jedem Fall die Aufsicht führt.
      Schöner wäre es allerdings, wenn die „community“ sich endlich zusammenfände, und eine eigenständige Beteiligung mit eigenen Listen zu den Kommunalwahlen organissierte.
      Wie lange noch wollen sich die konkurrierenden Kulturvereine von der notwendigen Bündelung ihrer Interessen fernhalten lassen? Warten sie darauf, dass ihr eigener Nachwuchs ohne sie in der Mehrheitsgesellschaft ankommt?

      • Ich persönlich kann mich mit der Idee „eigener“ Listen nicht wirklich anfreunden. Zu groß ist die Gefahr, dass man damit zur Projektionsfläche aller möglichen Ängste bezüglich Migranten und Muslimen wird.

        Ich sage aber auch nicht, dass es in den etablierten Parteien einfach sein wird, Akzeptanz zu finden. Darauf hatte ich ja in einem Artikel schon hingewiesen (http://www.migazin.de/2009/03/16/wann-integriert-sich-die-cdu-in-das-deutschland-von-heute/). Nicht desto trotz will ich es den Parteien als einem Bestandteil der Gesamtgesellschaft nicht so leicht machen, einen anderen Bestandteil der Gesellschaft, nämlich die Migranten, einfach in abgegrenzte Spielwiesen zu zwängen.

        Das Problem auf Migrantenseite ist meines erachtens der, dass die meisten bisherhigen sog. „Migrantenvertreter“ nichts außer sich selbst vertreten hatten. Kaum eine/r hatte einen wirklichen Draht zum eigenen Herkunftsmilieu, bei manchen konnte man sogar meinen, dass sie sich öffentlich für ihre Herkunft schämen. Und ohne diese Beziehung, die letztendlich auch eine Voraussetzung dafür ist, dass man mit beiden Füßen, oder zumindest noch mit einem, auf dem Boden bleibt.

    2. Die Besorgnis gegenüber den „eigenen Listen“ kann ich durchaus nachvollziehen.
      Allerdings ist dies die Verzichtserklärung gegenüber der eigentlich selbstverständlichen eigenen Emanzipation.
      Es ist auch für die Vertreter de etablierten Parteien absolut nichts ungewöhnliches, dass sie primär eigenen Interessen vertreten. Wer das nicht tut, wird nicht wahrgenommen.
      Politik ist kein selbstloses Betätigungsfeld, sondern sie dient der Organisation der Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen.
      Nur wer diese Teilhabe will, für sich selbst oder für eine Gruppe, die ihm wichtig ist, kann sie auch erreichen.
      Wer noch damit beschäftigt ist, die Konflikte in der eigenen Gruppe zu klären, ist einfach noch nicht so weit.

      Bedenken wir noch, dass die Wahlbeteiligung kontinuierlich rückläufig ist, kann dies auch einen Grund darin haben, dass ein zunehmender Teil der Wahlberechtigten von der aktuellen Politik nicht angesprochen wird.

    3. Teleprompter sagt:

      Ich verstehe das Problem nicht; immerhin ist ein Türkischstämmiger Vorsitzender einer mittlerweile etablierten Partei. So what?

      • Ich denke nicht, dass die anderen Parteien in diesem Punkt gewillt sind, sich eine Scheibe bei den Grünen abzuschneiden. Man bedenke nur, welche Akzeptanz-Probleme Migranten zB in der CDU haben (siehe hier).

    4. Engin sagt:

      Ich denke die Gesellschaft ist nicht soweit. Mehr Tuerken in der Politik wuerden den RECHTEN extremen zulauf geben. Eine professionelle Lobbyarbeit ist viel wichtiger und auch als Basis eine ,voraussetzung fuer ein politisch starke Einbindung.

      P.S. Nicht jeder der einen tuerkischen Namen traegt und tuerkisch spricht ist auch jemand der die Interessen der Tuerken vertretten will und kann.

      • G.Keldermann sagt:

        @ Engin (wer auch immer):

        Zitat

        Eine professionelle Lobbyarbeit ist viel wichtiger und auch als Basis eine ,voraussetzung fuer ein politisch starke Einbindung.

        Zitat Ende

        Dr. Canan Atilgan
        Thema ihrer Dissertation „Türkische Diaspora in Deutschland: Chance oder Risiko für die deutsch-türkischen Beziehungen?“ .

        „Angesichts der bestehenden Interessengegensätze in den Beziehungen zu Deutschland muß die Türkei ein selbstverständliches Interesse daran haben, die türkische Bevölkerungsgruppe als strategisches außenpolitisches Instrument einzusetzen. Dies erfordert unausweichlich das Ziel, die Gruppe zu mobilisieren und zu politisieren, die dann als organisierte Minderheit in die Politik der Bundesrepublik eingreift.“

        http://titan.bsz-bw.de/bibscout/MA-M….197.31.108,FY

        Ist es DAS, was Sie mit „professionelle Lobbyarbeit“ meinen ?

        • Sicherlich nicht. Fakt ist aber, dass die neuen Bemühungen der Türkei um ihre Auslandstürken auf fruchtbaren Boden fallen. Und ich denke, dazu hat die Atmosphäre in Deutschland auch wesentlich beigetragen (siehe hier).