Nach Oslo
Europas Rechtspopulisten unter Stress
Nach dem Terroranschlag in Norwegen könnten die Zeiten, in denen man ungeniert rassistisch gegen Minderheiten hetzen durfte, könnten schon bald vorbei sein. Jedenfalls wird sie die politische Diskussion um Rechtspopulismus neu bestimmen.
Von Ali Baş Montag, 25.07.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.04.2016, 23:02 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Siv Jensen ist eine dynamische Frau, in Ihren Auftritten stets um kein Wort verlegen, warnt sie unablässig vor Zuwanderern, die nichts anderes im Sinn haben, als das schuldenfreie und ölreiche Norwegen auszubeuten, um dann überall Moscheen mit riesengroßen Minaretten zu errichten. Laut „Wikipedia“ tritt ihre „Fortschrittspartei“ (FSP), immerhin die größte Oppositionspartei im norwegischen Parlament, für eine radikal-liberale Wirtschaftspolitik à la Thatcher ein und leugnet den Klimawandel. Sehr fortschrittlich halt.
So wie Jensen agieren fast überall Europas Rechtspopulisten, sei es ein Hans-Christian Strache mit seiner FPÖ in Österreich oder ein Geert Wilders mit seiner Ein-Mann-Freiheitspartei in den Niederlanden. Und sie sind bisher überaus erfolgreich bei den Wählern.
Allerdings könnte dieser Erfolg jetzt gebremst werden, denn aus vorlauten rechten politischen Phrasen machte ein Mann blutiger Ernst, dem das Ganze nicht weit genug ging.
Der Anschlag von Oslo, bei der über 90 unschuldige Menschen ihr Leben lassen mussten, steht in einer besonderen, wenn auch indirekten Verbindung zu Jensens Partei, denn der bisher als Einzeltäter gesehene Anders Breivik war immerhin 7 Jahre lang dort Mitglied und hatte dort Ämter bei deren Jugendorganisation inne, bevor er 2006 wegen fehlender Beiträge aus der Mitgliederliste gelöscht wurde.
In einer Nachricht auf der FSP-Homepage verurteilt Jensen zuerst vehement die Anschläge und sprach den Angehörigen ihr tiefes Mitgefühl aus. Zu den politisch wirren fremden- und islamfeindlichen Ideen des Täters, die u.a. der „Fortschrittspartei“ und vom Islamkritiker Broder stammen, kein Sterbenswörtchen.
Man sei sehr traurig, dass Breivik mal bei der FSP aktiv war. Relativ trocken wird dann noch über die frühere Mitgliedschaft des Täters berichtet.
Allerdings sehe man aber auch derzeit keinen Grund weitere politische Konsequenzen zu ziehen, da ja jetzt alle in Norwegen zusammenhalten müssten.
Das mag für den jetzigen Zeitpunkt, wo der Schock noch tief sitzt, stimmen, aber Tatsache ist nun mal auch, dass sich der Täter lange genug im extremen politischen Milieu aufgehalten hat, um dann letztlich zu so einer grausamen Tat zu schreiten.
Dieser unbequemen Wahrheit müssen sich nicht nur Norwegens Rechtspopulisten stellen, sondern auch anderswo. Überall dort, wo offen politisch gegen Minderheiten gehetzt wird, müssen sich deren Akteure mit der potenziellen Lebensgefahr auseinandersetzen, die von ihren geistigen Brandstiftereien ausgeht.
Gerade in dieser Auseinandersetzung besteht die Chance, dass ein großer Teil ihrer Wählerinnen und Wähler schnell merken wird, dass sie es schlicht weg mit menschenverachtenden Extremisten zu tun haben, die die öffentliche Ordnung gefährden.
Auch sind alle demokratisch gesinnten politischen Kräfte aufgefordert, diese politischen Brandstifter offen zu stellen, anstatt mit ihnen zusammenzuarbeiten, wie das z.B. in den Niederlanden und in Dänemark der Fall ist.
Bereits jetzt geht in rechtspopulistischen Kreisen online die Angst um, nicht mehr ganz oben mitsurfen zu dürfen, nachdem sich ihre „Hoffnung“ auf einen islamistischen Attentäter binnen Stunden in Luft aufgelöst hat.
Schon wird versucht, in dem abscheulichen Verbrechen eine Art „Verzweiflungstat“ hinein zu halluzinieren, wobei der Täter schnell zum Opfer „der bösen multikulturalistischen Gesellschaft“ gemacht wird, während die fiesen Migranten angeblich vom Staat bevorzugt würden.
Solche oder ähnliche Leserkommentare tauchten kürzlich in den Online-Foren der großen Zeitungen, aber auch auf einschlägigen Rechtspopulismus-Portalen zu Hunderten auf, wobei führende Zeitungen sie schnell wieder gelöscht haben. Die Einträge zeigen auch, wie krank es in den Köpfen solcher Leute zugehen muss.
Eines ist ganz klar, die Tat von Oslo hat nicht nur weltweit schockiert, sie wird künftig auch die politische Diskussion um den vorlauten und menschenverachtenden Rechtspopulismus, der in der Mitte der Gesellschaften Europas angekommen ist, neu bestimmen.
Die Zeiten, in denen man ungeniert rassistisch gegen Minderheiten hetzen durfte, könnten schon bald vorbei sein, wenn hinter den Nadelstreifenanzügen und stylischen Frisuren ihrer Repräsentantinnen und Repräsentanten die hässliche Fratze der Menschenfeindlichkeit sichtbar wird. Leitartikel Meinung
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Aber, aber mein Bester – machen Sie es doch einfach so, wie Sie es nach jedem Islamisten-Anschlag zu tun pflegen:
– Bloß kein General-Verdacht gegen Islam-Kritiker!
– Nicht die Islam-Kritik ist verantwortlich, sondern die, die sie mißbrauchen!
– Mehr Förderprogramme für Islam-Kritiker!
– Keine Ausgrenzung für Islam-Kritiker! Das führt nur zu neuen Anschlägen!
Herzlichst,
Ihr Krischan Piepengruen
Piepengrün,
Sie bringen da was durcheinander.
Wir machen nicht – wie Sie vielleicht – alle Muslime, aber immerhin die salafistischen Muslime mitverantwortlich, wenn es um islamistische Terroranschläge geht.
Die wenigsten Muslime teilen die Vorstellungen der Salafisten vom Islam. Die meisten Muslime in Deutschland zum Beispiel lehnen den Salafismus ab – und nicht nur die Hinwendung mancher Salafis zum Terrorismus.
Unsere Rechtspopulisten teilen aber die Vorstellungen von Breivik ganz oder zum großen Teil – nur natürlich nicht, dass man dann gleich so zur Tat greift wie er. Die meisten Rechtspopulisten zögen es vor, dass der Staat ganz demokratisch gewalttätig wird gegenüber den Bürgern, die Einwanderer aus bestimmten Gegenden sind oder von solchen Einwanderern abstammen.
Muslime stehen dem islamistischen Terrorismus ideologisch NICHT nahe, Rechtspopulisten dem rechtspopulistischen Terrorismus eines Breivik durchaus.
Oder möchten Sie sich von den Analysen (nicht von der Tat, sondern von den ideologischen Analysen) Breiviks distanzieren?
@Leo Brux
Mir ist der Begriff Rechtspopulist zu unscharf. Momentan wird er geradezu inflationär verwendet. Wilders Partei, FPÖ, SVP, Wahre Finnen, et., etc. werden alle als Rechtspopulisten bezeichnet.
Glauben Sie wirklich, dass diese nicht unerheblichen Teile der jeweiligen Gesellschaft „die Vorstellungen von Breivik ganz oder zum großen Teil“ mittragen? Doch wohl nicht ernsthaft. Denn dann würden wir in Europa ja hart am Rande eines kontinentalen Bürgerkrieges stehen.
Da machen Sie den gleichen Fehler, den Sie andere immer vorwerfen: Alle (Muslime) in einen Topf werfen.
Und genau wie es kontraproduktiv ist, beispielweise alle Muslime in die Nähe von Terroristen zu rücken, ist es wenig hilfreich, ein Durchschnittsmitglied z.B. der SVP jetzt zu unterstellen, er zöge es vor, dass “der Staat ganz demokratisch gewalttätig wird gegenüber den Bürgern, die Einwanderer aus bestimmten Gegenden sind oder von solchen Einwanderern abstammen”.
Das Eine wie das Andere führt nur zu einer weiteren Radikalisierung. Wer sich nicht ernst genommen und nicht repräsentiert fühlt, neigt eher zu einer weiteren FRadikalisierung.
Pingback: Rechtspopulistische Versuche, sich Breivik vom Leib zu halten « BlogIG – Migrationsblog der InitiativGruppe
Was wir kritsierien sind nicht Islamkritiker, sondern Islamhasser und Hassprediger. Die Kritik muss zivilisiert sein und besser repsektvoll- Dafür ist eine bestimmte Kultur notwedig. Herumschiessen ist z. B. dafür nicht geeignet.
nennen wir es doch beim Namen.
Die Saat der Rechtspopulisten ist auf fruchtbaren Boden gefallen und mit dem Anschlag in Norwegen höchst tragisch aufgegangen.
Die Grenze zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus war und ist fließend.
Nun ist Breivik offensichtlich auch ein bekennender fundamentalistischer Christ. Damit liegt eine Grenzüberschreitung vor, welche jedenfalls im Europa der Neuzeit neu und mit den herkömmlichen Begriffen von links und rechts nicht zu fassen ist.
Breiviks Anschläge waren weder ein gezielter Anschlag auf Ausländer noch auf Einrichtungen Andergläubiger, sondern ein gezielter Anschlag auf unser bisheriges Wertesystem, welches letzlich auch von den in den meisten europäischen Ländern erstarkenden Rechtspopulisten abgelehnt wird.
Es wird daher nicht ausreichend, dass sich manche der erstarkenden Rechten nun zurückhaltender äußern werden.
Es ist eine bewußte und öffentliche Auseindersetzung mit den Zielen und den Gefahren einer erstarkenden Rechten in Europa notwendig, gleich ob sich diese auf Weltanschauung oder Bekenntnis berufen.
LI
@ LI
Würden Sie nach massiven Anschlägen von Islamisten (oder gibts die jetzt plötzlich nicht mehr ?) auch schreiben:
Es ist eine bewußte und öffentliche Auseindersetzung mit den Zielen und den Gefahren eines erstarkenden Islam in Europa notwendig, gleich ob sich dieser auf Weltanschauung oder Bekenntnis beruft.
Es sind wohl kaum die „Rechtspopulisten“, die das politische Klima in Europa bestimmen. Sie sind es lediglich, die versuchen, aus einer wirklichen oder vermeintlichen Stimmung politische Kapital zu schlagen.
Die seriöse Politik steuert da fein populistisch gegen, indem sie Kopftuchverbote, Burkaverbote, Grenzkontrollen und Einbürgerungstests beschließt.
Wenn jetzt z.B. Dänemark seine Grenzkontrollen überdächte, ja dann ließe sich vielleicht darüber reden, dass es für „Rechtspopulisten“ schwieriger wird.
Solange aber z.B. eine grüne Kultusministerin Gesetze (NRW Kopftuchverbot in Schulen) anwendet, anstatt sie entsprechend der Notwendigkeit einer Änderung zuzuführen, würde ich gerne über die Zukunft des grünen Populismus reden.
Aber Aber Herr Bas,
das schreiben Sie
„In einer Nachricht auf der FSP-Homepage verurteilt Jensen zuerst vehement die Anschläge und sprach den Angehörigen ihr tiefes Mitgefühl aus.Zu den politisch wirren fremden- und islamfeindlichen Ideen des Täters, die u.a. der „Fortschrittspartei“ und vom Islamkritiker Broder stammen, kein Sterbenswörtchen.“.
Die Argumentation hatten wir doch schon. beim letzten Anschlag, in London:
„In einer Nachricht auf der Webseite des Zentrallrats der Muslime verurteilt M. vehement die Anschläge und sprach sein tiefes Mitgefühl aus. Zu den wirren freiheitsfeindlichen Ideen des Täters, die u.a. aus dem Koran entstammen, kein Sterbenswörtchen“.
wir setzen also das gleiche Spielchen fort wie bisher, oder? Mein Terrorist, dein Terrorist.
Jeder dieser Täter ist idiologisch fanatisiert und ein Verbrecher, denn
Jeder will mit Gewalt sein Gesellschaftsmodell dem anderen aufzwängen.
Der Muslim der für sich sein Glück im Islam sucht ist genauso wenig ein PRoblem wie der Kritiker, der sich gegen das Zusammenleben in der multireligösen Gesellschaft nach den Regeln einer Religion wehrt.
Sie sollten anfangen, beide zusammenzubringen.
Religion raus aus dem öffentlichen Raum rein ins Private.
Lutheros,
Breivik ist Christ.
Attackieren wir jetzt das Christentum?
Nein.
Warum nicht?
Weil es sehr unterschiedliche Christen gibt und die allermeisten mit der Art des Christentums von Breivik nichts zu tun haben.
Osama bin Laden (zum Beispiel) war Muslim.
Attackieren Sie den Islam wegen seiner Taten?
Ja.
Warum?
Weil es zwar sehr unterschiedliche Muslime gibt und die allermeisten nichts mit der Art des Islam von Osama bin Laden zu tun haben — SIE diese Unterschiede aber nicht wahrnehmen WOLLEN.
Das ist anders mit Breiviks Rechtspopulismus.
Breivik ist Rechtspopulist.
Er vertritt im wesentlichen Positionen wie die der deutschen Rechtspopulisten! Wie die von Geert Wilders.
Die Analogie sieht so aus, das heißt, zusammen gehören:
Breivik – Rechtspopulismus – Verfechter des Rechtspopulismus wie Geert Wilders.
Diese drei stehen parallel zu dieser Trias:
Osama bin Laden (etc., islamistische Terrroristen) – salafistischer Islam – Pierre Vogel (als salafistischer Muslim, wenn auch gewaltabstinent)
Aus dem Salafismus folgt Gewalt, NICHT aus dem Islam selber. So wenig wie Gewalt aus dem Christentum folgt, oder dem Buddhismus, oder dem Hinduismus, oder dem Judentum. Es kommt immer darauf an, wie man seine Religion interpretiert. Das gilt generell auch für Weltanschauungen, auch zum Beispiel für die Aufklärung. Es gibt mörderische Interpretationen von Aufklärung, die nach Gewalt rufen.
Nur damit hier nicht der Eindruck entsteht, Henryk M.B. habe keinen Standpunkt, keine Stellungnahme dazu abgegeben: Hat er. Sehr deutlich. In der WELT, Thema
Das-Manifest-des-Anders-Behring-Breivik-und-ich
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article13506649/Das-Manifest-des-Anders-Behring-Breivik-und-ich.html
hannibal,
um das Problem, dass Breivik in etwa Broders inhaltliche Positionen vertritt, drückt sich Broder.
Während auf der anderen Seite nur sehr wenige Muslime die inhaltliche Position (die Interpretation des Islam) eines AlQaida-Terroristen teilen.
Da hilft nur eins: behaupten, dass eigentlich alle gläubigen Muslime den Koran salafistisch interpretieren.
Das würde Pierre Vogel und seinen Salafisten wunderbar ins Konzept passen.
Woraus ich schließe: Unter der Hand sind Salafisten und Rechtspopulisten Verbündete. Sie bestehen beide darauf, dass nur die salafistische Interpretation des Koran gültig ist.
Vielen Dank für Ihren Artikel! Sie haben die besten Worte für den Zustand der Menschen gefunden, die zwischen Wut und Trauer hin und her pendeln,
Wo ich Sie absolut bestätigen kann, ist., dass der Rechtspopulismus die Mitte der Deutschen Gesellschafft eingenommen hat.
In der Hoffnung, dass Merkel, Westerwelle, Roessler und Gabriel Ihren Artikel lesen…..(Wenn Sie überhaupt Migazin lesen würden, würden Sie vielleicht einen inneren Kurswechsel vornehmen, was für das Deutsche Volk vom großen Interesse wäre :-) ) !