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Ehrenmorde

BKA-Studie räumt mit Vorurteilen auf

Entgegen der zunehmenden Medienberichterstattung ist die Zahl der Ehrenmorde nicht gestiegen. Sie sind sogar quantitativ seltene Ereignisse. Das sind Ergebnisse einer aktuellen BKA-Studie, die vom Max-Planck-Institut erstellt wurde.

Donnerstag, 04.08.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Das Phänomen der so genannten „Ehrenmorde“ erfährt seit dem spektakulären Fall von Hatun Sürücü im Jahr 2005 in der deutschen Öffentlichkeit eine besondere Aufmerksamkeit. Sie werden in der öffentlichen Diskussion als Indikator für Integrationsdefizite von Migranten insbesondere aus muslimischen Ländern wahrgenommen. Entgegen der zunehmenden Medienberichterstattung ist die Zahl der Ehrenmorde zwischen 1996 und 2005 aber weder gestiegen noch gesunken. Das geht aus einer aktuellen Studie des Bundeskriminalamts hervor, die gleich auch mit weiteren Vorurteilen aufräumt.

„Wir schätzen die mögliche Gesamtzahl der Ehrenmorde auf etwa zwölf pro Jahr, davon drei Ehrenmorde im engeren Sinne. Diese Hochrechnung umfasst auch Partnertötungen in der Grauzone zwischen kollektiver Familienehre und individueller männlicher Ehre, deren Einordnung als Ehrenmord zweifelhaft ist“, so die Forscher. Angesichts einer Gesamtzahl von ca. 700 Menschen, die pro Jahr in Deutschland bei einem Tötungsdelikt sterben, darunter viele in Familien und Partnerschaften, seien Ehrenmorde quantitativ sehr seltene Ereignisse.

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Sozialpsychologischer Mechanismus
Dass die Wahrnehmung eine andere ist, sei dem sozialpsychologischen Mechanismus zu verdanken, „dass die Kriminalität der ‚Anderen‘ stets als bemerkenswerter und bedrohlicher wahrgenommen wird als die Kriminalität der eigenen Gruppe und sich daher für die Symbolisierung von Fremdheitswahrnehmungen der Mehrheitsgesellschaft gegenüber ethnischen Minderheiten eignet“, erklären die Wissenschaftler. Ehrenmorde würden in dieser Wahrnehmung durch ihre kulturelle Andersartigkeit hervorheben, obgleich tödliche Gewalt gegen Frauen ein kulturübergreifendes Phänomen sei.

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Die Untersuchung zeigt, dass bei einem Viertel der untersuchten 78 Fälle es sich um Ehrenmorde im engeren Sinn (Tötungen junger Frauen durch ihre Blutsverwandten) handelt, ca. 40 Prozent sind Grenzfälle zur Partnertötung, ein weiteres Drittel sind Grenzfälle zur Blutrache und sonstige Mischtypen. In ca. einem Drittel der Fälle sind mehrere Täter und/oder mehrere Opfer involviert.

Die Studie „Ehrenmorde in Deutschland“ ist nach Anga- ben des Max-Planck-Instituts die erste systematische, auf einer breiten empirischen Datenbasis aufbauende Analyse des Gewaltphäno- mens Ehrenmord in Deutschland. Sie basiert auf einer Vollerhebung aller bekannt gewordener Fälle von Ehrenmorden in Deutschland im Zeitraum 1996 bis 2005 und analysiert deren zentrale Merkmale anhand der Prozessakten zu 78 Fällen.

Fast jeder zweite Opfer ein Mann
Bei Ehrenmorden im engeren Sinn steht in 80 Prozent der Fälle eine unerwünschte Liebesbeziehung der Frau vor, außerhalb oder nach ihrer Ehe im Mittelpunkt, während ein „westlicher“ Lebensstil und ein Autonomiestreben nur in sehr wenigen Fällen ausschließlicher Tatanlass war. Häufig stehen die Ehrenmorde im Kontext des Phänomens „arrangierter Ehen“, d. h. entweder verstoßen junge Frauen gegen die Norm, dass ihr Partner von der Familie ausgesucht werden soll, oder verheiratete Frauen wollen sich aus einer für sie unerträglichen Beziehung befreien, die das Ergebnis einer arrangierten Ehe ist.

Der Anteil männlicher Opfer liegt mit 43 Prozent unerwartet hoch. Häufig werden zusammen mit den weiblichen Opfern auch deren unerwünschte Partner angegriffen, in einigen Fällen auch nur diese.

Bildungsferne Täter
Die Auswertung des Bildungs- und Berufsstatus der Täter ergibt das eindeutige Bild einer homogenen Gruppe von bildungsfernen und niedrig qualifizierten Migranten. „Auch wenn Ehrenmorde also kulturelle Wurzeln haben, darf nicht übersehen werden, dass – wie bei fast allen Gewaltphänomenen – soziale Benachteiligungen und mangelnde Bildung eine bedeutende Ursache sind“ so die Forscher.

Auch gebe es laut Studie keine Hinweise auf eine starke Beteiligung von Migranten der zweiten oder dritten Generation. Diese Ergebnisse ließen hoffen, dass Ehrenmorde sich in Deutschland nicht etablieren werden. (bk) Gesellschaft Leitartikel Studien

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