Rechtsprechung
Keine Einbürgerung ohne Identität
Anspruch auf Einbürgerung besteht nur, wenn die Identität des Einbürgerungsbewerbers geklärt ist. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht im Fall einer kurdischen Volkszugehörigen yezidischen Glaubens.
Mittwoch, 07.09.2011, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 09.09.2011, 1:15 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Ein Anspruch auf die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit besteht nur dann, wenn die Identität des Einbürgerungsbewerbers geklärt ist. Das entschied der Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Am 1. September 2011 (BVerwG 5 C 27.10).
Der Entscheidung lag der Fall einer kurdischen Volkszugehörigen yezidischen Glaubens zu Grunde, die 1995 als siebenjähriges Kind nach Deutschland einreiste. Sie wurde gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern im Mai 1999 wegen einer Gruppenverfolgung der Yeziden in der Türkei als Asylberechtigte anerkannt.
Identität nicht nachgewiesen
Seit Juni 1999 ist die Klägerin im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die als Niederlassungserlaubnis fortgilt. Sie erhielt erstmals im Juli 2004 einen Reiseausweis für Flüchtlinge, in dem vermerkt war „Identität nicht nachgewiesen“. In dem zuletzt 2008 ausgestellten Reiseausweis ist vermerkt, die eingetragenen Personalien beruhten auf eigenen Angaben.
Im September 2004 beantragte die Klägerin, sie einzubürgern. „Auf wiederholte Aufforderungen der Einbürgerungsbehörde, einen Auszug aus dem Geburtseintrag der türkischen Standesamtsbehörde bzw. andere Identitätsnachweise vorzulegen, erklärte die Klägerin, sie sei dazu nicht in der Lage“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts.
Nicht zumutbar?
Daraufhin lehnte die beklagte Stadt Hagen im Januar 2007 den Antrag ab, weil die Identität der Klägerin unklar sei. Daraufhin erhob die Einbürgerungsbewerberin Klage und berief sich unter anderem darauf, dass ihr als Asylberechtigter nicht zumutbar sei, mit dem türkischen Staat Kontakt wegen amtlicher Unterlagen aufzunehmen. Ihre Identität sei durch ihren Reiseausweis belegt.
Das Verwaltungsgericht Arnsberg wies die Klage der Klägerin ab. Dagegen legte die Kurdin Berufung ein und hatte vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Erfolg. Sie habe einen Anspruch auf Einbürgerung, urteilten die Richter. Die Identität des Einbürgerungsbewerbers sei keine Voraussetzung des Staatsbürgerschaftsrechts und deshalb im Einbürgerungsverfahren nicht zu prüfen.
Zur Identitätsprüfung verpflichtet
Mit diesem Urteilsspruch wollte sich die Stadt Hagen wiederum nicht zufriedengeben. So landete der Fall vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Bundesrichter hoben die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf verwiesen den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts wird eine Klärung der Identität des Einbürgerungsbewerbers in der gesetzlichen Regelung vorausgesetzt. Eine verlässliche Prüfung wesentlicher Einbürgerungsvoraussetzungen sei sonst nicht möglich. Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts sei die Einbürgerungsbehörde zu einer Identitätsprüfung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Die vorliegenden Reiseausweise der Klägerin seien dafür nicht ausreichend.
Nun wird das Oberverwaltungsgericht die Zumutbarkeit der von der Klägerin geforderten Mitwirkungshandlungen überprüfen und gegebenenfalls auch selbst weitere Ermittlungen anstellen müssen. (bk)
Aktuell Recht
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen