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Frankreich

Integration im Nachbarland

Frankreich - das „Vaterland der Menschenrechte“ - besitzt im Gegensatz zu anderen Ländern eine weitaus größere kollektive Erfahrung im Umgang mit fremden Kulturen als viele andere Länder und besteht aus ca. einem Drittel französischer Bürger mit Migrationshintergrund. Heute legenunter den 65,8 Millionen Einwohnern 6,7 Millionen Immigranten, was etwa 11 Prozent ausmacht.

Von Donnerstag, 22.09.2011, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 16.05.2013, 11:05 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Ein besonderes Charakteristikum unserer französischen Nachbarn bezieht sich auf deren Integrationsmodell, dessen Grundgedanke in der Universalität liegt, das heißt Frankreich bekennt sich offen für Menschen unterschiedlichster Herkunft, in dem alle gleich sind. Kulturelle Eigenheiten spielen dabei keine Rolle, schließlich sollen Einwanderer sich peu à peu an die französische Kultur anpassen und somit zu Franzosen bzw. mündigen aufgeklärten „Citoyens“ werden.

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Das Republikanische Integrationsmodell
Ausgangspunkt des französischen republikanischen Integrationsmodells war die Französische Revolution 1789. Durch die Stabilisierung der Dritten Republik Ende des 19. Jahrhunderts wurde es verstärkt sowie wirksam. Es handelt sich um die Durchsetzung demokratischer, republikanischer, aufgeklärter Werte und gesellschaftlicher Organisationsprinzipien. So wird, nachdem die Republik gegen die katholische Kirche erkämpft wurde, von einer – wie Rousseau sagt –„Zivilreligion“ gesprochen, was insbesondere die Trennung von Kirche und Staat voraussetzt. Diese Ideen der Französischen Revolution, die Erklärung der Menschenrechte und der Versuch eines demokratischen Staatswesens, waren im 18. und 19. Jahrhundert in Europa beispiellos.

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Das republikanische Integrationsmodell stützt sich auf drei Säulen: (1) Das französische Schulsystem, stets geprägt durch die Ferry Gesetze von 1883, die den kostenlosen Zugang zu einer öffentlichen, laizistischen Schule für alle Kinder zwischen 6 und 13 ermöglichte und den Kampf gegen Ungerechtigkeiten bestärkte; (2) Die französische Sprache, deren Beherrschung den nationalen Zusammenhalt stärken sowie den sozialen Aufstieg fördern sollte; (3) Die französische Staatsbürgerschaft, die Immigranten durch das noch anfangs bestehende fremdenfreundliche Territorialprinzip erwerben und somit kulturelle sowie soziale Normen und Werte der Nation verinnerlichen konnten.

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Dabei wird folglich auf eine mehr oder weniger vollständige, einseitige Assimilation an das republikanische Ideal abgezielt. Dies lässt für ethnische Gemeinschaften und Traditionen sowie religiös-kulturellen Spezifika nur im Privaten Freiraum.

Französischer Schmelztiegel
Mit diesem monistischen Assimilationskonzept Frankreichs ist auch der „Französische Schmelztiegel“ verbunden. Dieser basiert nicht auf der Idee des „e pluribus unum“, das heißt der Vorstellung, dass sich heterogene Ethnien durch wechselseitige Akkulturation zu einer Art „Mischkultur“ vereinen, sondern vielmehr auf dem Prozess des Einschmelzens der eingewanderten Person in die Hegemonialkultur. Es entsteht also die Tendenz, mono-kulturell zu denken, und ausschließlich die originäre kulturelle Einheit zu betonen. Deshalb kann zwar von einer multi-ethnischen, aber nicht multikulturellen Gesellschaft gesprochen werden, schließlich wird der Existenz verschiedener ethnischer Minderheiten im gesellschaftlich-öffentlichen Leben keine weitere Beachtung geschenkt.

Sichtbare Konflikte
Während die französische Einwanderung lange Zeit im Bereich der Politik und Wirtschaft einen erfolgreichen Ruf hatte, wird in ihr – insbesondere seit der Entkolonialisierung und nach Beendigung des Algerienkrieges – immer öfter ein Zusammenhang mit sozialen Problemen gesehen. Deutlich wird dies durch Wahlerfolge rechtsextremer Parteien (zum Beispiel die Front National) sowie starken Unruhen in Vororten französischer Metropolen. Die französische Integrationspolitik und das republikanische Modell gelangen dadurch immer häufiger in den Mittelpunkt öffentlichen Interesses, ob im eigenen Land oder auf internationaler Ebene.

Im Jahr 2005 kam es schließlich zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen in Pariser Vororten, drei Jahre nach der Einführung einer wieder sehr restriktiven Einwanderungspolitik, nämlich einiger Gesetzeseinführungen, die insbesondere auf eine Verhärtung der Einreise- und Aufenthaltskonditionen abzielten.

Brennende Autos, Schulen, Kindergärten, Geschäfte sowie diverse Festnahmen waren die Folgen. Anscheinend sollte dadurch der Schrei und der Wunsch nach Gleichstellung und Recht auf die republikanischen Werte demonstriert werden. Tatsache ist jedenfalls, dass in den „banlieues“ eine Generation von Jugendlichen herangewachsen ist, die durch Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit, Frustration und Aggression geprägt wurde. Sie leben in einer eigenen Welt, mit Werten, Normen und Sprachregelungen, abgespalten von der Gesamtgesellschaft.

Von den 15-25jährigen Franzosen sind insgesamt 24 Prozent arbeitslos, davon mittlerweile 16,1 Prozent mit Migrationshintergrund, was ein frustrierendes Ergebnis darstellt. Fakt ist, dass Arbeitslosigkeit besonders die Immigrantenbevölkerung betrifft. Das katastrophale Image der „banlieues“ eilt ihren Bewohnern natürlich voraus, es wird also fast unmöglich, es abzulegen und außerhalb des eigenen Viertels als gleichberechtigt angesehen zu werden.

Ersichtliche Probleme sind insbesondere mit postkolonialen maghrebinischen und westafrikanischen Franzosen aufgetaucht, die häufig Vorurteilen, Diskriminierungen und Rassismus ausgesetzt sind. Der von Perspektivenlosigkeit geprägte Lebensalltag, Anerkennungsdefizite, beengende Wohnverhältnisse, auseinanderbrechende Familienstrukturen und hohe Jugendarbeitslosigkeit führen zu einer allgemeinen Unzufriedenheit in den Vororten und die Bewohner sind geplagt von dem Gefühl des „Eingesperrtseins“.

Der in der französischen Gesellschaft verankerte Freiheits- und Gleichheitsgedanke gelangt also ins Schwanken und Frankreich befindet sich in einem Veränderungsprozess, im Kampf zwischen dem Festhalten am traditionellen republikanischen Konzept (Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit) und dem Wandel zu einer pluralisierten Gesellschaft, die aktuell sichtbare Konflikte aufzeigt. Aktuell

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