Visum
Osteuropäer sollen leichter nach Deutschland reisen können
Unter den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages herrscht weitgehend Einigkeit: In einigen Jahren soll die Visumspflicht fallen. Im Gespräch sind die Länder Osteuropas: Russland, Ukraine und Moldawien.
Von Tim Gerber Freitag, 30.09.2011, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 08.01.2016, 14:40 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Unter den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages herrscht weitgehend Einigkeit: Die bestehenden bürokratischen Hürden im Reiseverkehr zwischen Deutschland und den Ländern Osteuropas wie Russland, der Ukraine und Moldawien sollen so schnell wie möglich abgebaut werden.
Die Außenpolitiker im Parlament hatten dazu am vergangenen Mittwoch eine Expertenrunde aus Wirtschaft und Gesellschaft eingeladen. Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft hatte sich bereits im Juli an die Bundesregierung gewandt und ihr vorgerechnet, wie viele Millionen an Aufträgen deutschen Firmen jedes Jahr durch die Lappen gehen, weil bürokratische Reisehemmnisse die Abschlüsse verhindern. Die Abschaffung der Visumspflicht sei ein „kostenloses Konjunkturprogramm für die deutsche Wirtschaft“, sagte der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses, Professor Rainer Lindner, den Parlamentariern. Der Geschäftsführer des MIT-Ost-Vereins, Peter Wittschorek, erläuterte den Abgeordneten sehr überzeugend, wie unmöglich es aufgrund der Visumsvorschriften ist, in Deutschland ein Seminar mit internationaler Beteiligung zu organisieren. Er würde das lieber in der Ukraine machen, sagte Wittschorek. Deutschland hat sich auf diesem Feld der internationalen Begegnungen offenbar schon abgeschafft.
Hiltrud-Stöcker-Zafari vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften wies die Abgeordneten auf die fatalen Auswirkungen auf die Familienbeziehungen hin, die die strengen Visumsregeln weltweit und nicht nur mit Osteuropa haben. Die Grünen-Abgeordnete Marieluise Beck erinnerte an die so genannte Visa-Affäre, die zu der Verschärfung geführt habe. Man müsse nun einen Stein auf den Berg rollen, der eigentlich schon mal oben war und durch die Kampagne der Unionsparteien heruntergestoßen wurde, spielte die Grünenpolitikerin auf die nicht enden wollende Arbeit des Sysiphos aus der griechischen Mythologie an. Man verletze durch die Visumsablehnungen auch Grundrechte von Deutschen, mahnte die ehemalige Menschenrechtsbeauftragte.
Ihr Parteikollege Josef Phillip Winkler machte daraufhin deutlich, dass es mit seiner Fraktion einseitige Reiseerleichterungen etwa nur für Geschäftsreisende nicht geben werde. Aber auch darin waren sich Parlamentarier und Sachverständige einig. Nur einer hatte permanent etwas dagegen einzuwenden: der als Experte für Ausländerrecht geladene Professor Hailbronner. Die Fragen der Abgeordneten, die von ihm vor allem wissen wollte, welchen Gestaltungsspielraum das europäische Visumsrecht für schnelle Reiseerleichterungen bietet, konnte Hailbronner nicht beantworten. Auch sonst glänzte der vermeintliche Experte mit weitgehender Unwissenheit. Er kannte weder die Gemeinsame konsularischen Instruktionen noch die mit Russland und anderen osteuropäischen Staaten geschlossenen Visaerleichterungs- und Rückführungsabkommen. Dafür stellte er die Frage, warum die Bundesrepublik überhaupt in Brüssel einer so detaillierten Regelung wie dem Visakodex zugestimmt habe.
Andere Länder wie das immer wieder für seine liberale Visumspraxis gelobte Finnland oder Polen würden den Kodex nicht richtig anwenden, meinte der Professor. Dabei bietet diese Vorschrift alle Möglichkeiten, kann auf die persönliche Antragstellung verzichtet und gerade Geschäftsreisenden oder Familienangehörigen Visa für mehrere Jahre erteilt werden. Der Professor verstieg sich jedoch in alle möglichen Thesen von angeblichen Gefahren durch allzu freie Reise bis hin zu „Risikogruppen“ wie den Familienangehörigen, ohne jedoch Belege dafür zu liefern.
Dafür konfrontierten ihn dann die Abgeordneten der Linksfraktion Sevim Dagdelen und Ulla Jelpke mit sorgfältig recherchierten Zahlen: Demnach gebe aus Russland gerade 1000 Asylanträge bei fast 350.000 erteilten Visa. Und nur etwa 270 Fälle von Missbräuchen hätte man festgestellt. Ob er das als Anlass für Befürchtungen sehe, wollten die beiden Abgeordneten wissen. Man wisse ja nicht, was passiere, wenn man die Visumspflicht abschaffe, war die Antwort des Universitätsprofessors. Dabei kennt man in der Wissenschaft doch ein recht einfaches Mittel zur Erforschung von Unbekanntem: das Experiment. Aktuell Politik
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