Exklusiv
Kein schönes Land in dieser Zeit – Das Märchen von der gescheiterten Integration
Was ist Heimat? Was bedeutet Integration? In seinem Buch rechnet Mehmet Gürcan Daimagüler ab – mit der Integrationsdebatte, mit Deutschland, mit sich selbst. MiGAZIN veröffentlicht vorab Auszüge aus dem Buch – exklusiv.
Von Mehmet Gürcan Daimagüler Mittwoch, 19.10.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.10.2011, 23:13 Uhr Lesedauer: 29 Minuten |
Warum ich dieses Buch geschrieben habe
Richte nie über einen Menschen, solange du nicht zwei Monde lang in seinen Schuhen gelaufen bist, heißt es in einem indianischen Sprichwort. Dieser Satz kommt mir immer in den Sinn, wenn ich den Integrationsdebatte genannten täglichen Wahnsinn verfolge. Es fängt schon damit an, mit welcher Selbstverständlichkeit noch von »Wir« und »Ihr« gesprochen wird. »Wir Deutsche«. »Ihr Ausländer«. Es sind bald 50 Jahre her, seit meine Mutter nach Deutschland aufbrach. Ich bin hier in Deutschland geboren und aufgewachsen. Ich träume auf Deutsch. Ich habe keine andere Heimat und möchte auch keine andere. Ich bin gerne Deutscher – eigentlich … Aber dennoch fragen mich wohlmeinende Deutsche, wie es denn in der Heimat so ginge und ob ich denn an Rückkehr denke. Mit »Heimat« meinen sie dann die Türkei. Andere, weniger gutmeinende Stimmen begnügen sich mit dem Ausruf: »Türken raus«.
Nicht alle Ur-Deutschen kennen einen echten Ausländer oder Deutsch-Türken oder einen Deutschen mit Migrationshintergrund – nennt es, wie ihr wollt, ihr wisst, was ich meine. Mit kennen meine ich mehr als nur das nebenher leben. Das ist kein Vorwurf. Es gehören ja immer zwei zum Tango. Aber ich finde es problematisch, dass fast alle Ur-Deutschen eine feste, oft von Fakten unbeschwerte Meinung über uns Neu-Deutsche haben. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn diese Meinung nicht zumeist brutal schlecht ausfallen würde. Früher, vor dem 11. September 2001, musste ich mich immer für die Türkei und ihre wirklichen oder vermeintlichen Missstände rechtfertigen. Was macht ihr mit den Kurden? Wieso wird bei euch gefoltert? Wieso hat dein Militär geputscht? Ein einziger Kugelhagel von Vorwürfen, mit denen ich nichts anfangen konnte. Nach 9/11 wurde alles schlimmer. Das früher nur sporadisch abgeschossene Trommelfeuer erlebe ich mittlerweile täglich, zudem mit schwerer Artillerie. Die Vorzeichen haben sich etwas geändert: Anstatt ihr Ausländer oder ihr Türken heißt es jetzt ihr Moslems. Ihr unterdrückt Frauen, ihr seid Terroristen, ihr seid demokratieunfähig. Früher musste ich mich für die türkischen Putschisten rechtfertigen, heute für Al-Qaida-Terroristen. Eine fantastische Entwicklung. Der alte Rassismus im neuen Gewand.
„Ich weiß, was ihr denkt: Mein Urteil ist zu pauschal, ich übertreibe, ich konzentriere mich auf Negativbeispiele, ich ignoriere alles Gute, ich schere alle über einen Kamm, ich nehme es mit der Wahrheit nicht so genau, ich rede nicht mit, sondern nur über euch, ich will gar nicht aufklären, sondern hetzen, kurz: Ich habe tendenziell etwas gegen Deutsche und mir ist jedes Mittel recht, euch schlecht aussehen zu lassen. Was soll ich dazu sagen? Stimmt! Aber, ich sage auch: WILLKOMMEN IN MEINER WELT!“
Zwei Monde lang in den Schuhen eines anderen laufen? Ich kann nur allen eingeborenen Deutschen sagen: Seid heilfroh, dass ihr nicht in unseren Schuhen laufen müsst. Wenn wir über euch so sprechen würden, wie ihr es über uns zu tun pflegt, würde es sich ungefähr so anhören:
Ich kann euer Integrationsgequatsche nicht mehr ertragen. Ihr wisst ja noch nicht einmal, was ihr damit meint. Wenn mit Integration gemeint wäre, Deutsch lernen zu müssen und die Werteordnung des Grundgesetzes halbwegs verinnerlicht zu haben, dann wäre es ja akzeptabel. Aber das reicht vielen von euch nicht. Wir sollen uns auch eurer Leitkultur anpassen. Dazu muss ich aber erst einmal fragen: Was ist das denn überhaupt? Wie sieht die aus? Ich lehne es ja nicht grundsätzlich ab, am deutschen Wesen zu genesen.
Ich habe den leisen Verdacht, dass jene, die lauthals nach der Leitkultur schreien, gar nicht wissen, wonach sie eigentlich schreien. Hauptsache schreien. Doch ich soll die Katze im Sack kaufen? Mein Eindruck ist: Nach der Nazi-Diktatur, einem mörderischen Weltkrieg und einer schier unendlichen Nabelschau ist den Deutschen jegliches Verständnis für die eigene Natur abhandengekommen, sodass man sich kollektiv auf das Naheliegende, das Fressen und Saufen als Sinnersatz verlegt hat. Jetzt, wo die Leber schmerzt, im tatsächlichen wie im übertragenen Sinn, besinnt man sich auf die Leitkultur. Zu blöd, dass man sie nicht kennt … Der Einfachheithalber fordert man sie von uns Dunkeldeutschen ein – wir sollen die Antwort liefern. Wir sind doch bloß eine Projektionsfläche, mit Hoffnungen und Wünschen, wie der brave Michel gerne wäre, aber wohl nicht ist. Auf dem »Leitfaden Einbürgerungsinterview« aus dem baden-württembergischen Innenministerium wurde der ebenso einbürgerungswillige wie schnauzbärtige Ali früher gefragt:
Wie würden Sie reagieren, wenn ihr Sohn sich als schwul outen sollte?
Antwort a):
Ich würde ihn persönlich kastrieren.
Antwort b):
Ich würde ihn mit seiner ebenso schnauzbärtigen Cousine zwangsverheiraten (beim Küssen müsste er sich gefühlsmäßig nicht groß umstellen).
Antwort c):
Ich würde vor lauter Glück Lambada tanzen und ihm eine Familienpackung Gleitgel schenken.
Ab kommenden Montag (24.10.2011) im Buchhandel erhältlich
Antwort C wäre natürlich der einzig richtige Weg zum deutschen Pass. Die Fragen und Antworten (die Frage ist original, die Antwortmöglichkeiten habe ich als Jurist zum besseren Verständnis aus Verwaltungskauderwelsch ins Deutsche übersetzt) sagen nicht so viel darüber aus, wie der Ali-Normal-Verbraucher so tickt, sondern darüber, wie der Deutsche gerne wäre: weltoffen und supertolerant. Ist er aber nicht. Wie schon gesagt: Der Deutsche weiß nicht so Recht, wer oder was er ist, erhofft sich aber von uns Mehmets und Fatmas den Weg ins Licht. Das wird aber nicht funktionieren. Nicht nur, weil wir Südländer ein penetrant bequemer Haufen sind, sondern weil wir das Gefühl haben, dass einiges im Staate Deutschland faul ist.
Also, was ist denn nun die tolle deutsche Leitkultur? Kommt mir jetzt nicht mit dem christlich-jüdischen Erbe des Landes. Das wäre einfach nur schäbig! Erst Millionen Juden in die Gaskammern zu treiben und nur ein paar Jahrzehnte später die Überlebenden zu missbrauchen, um sich gegenüber einer anderen Minderheit abzugrenzen und sich selbst als gut zu definieren. Feuilleton Leitartikel
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Integration ist gescheitert. Nicht zuletzt durch die Politiker,die keine Integration wollen.
Ihr beschwert euch doch gerne über manche unserer Jungs, die manche eurer Mädchen für Schlampen halten. Aber wisst ihr was? Manche eurer Mädchen benehmen sich wie Schlampen. In manchen Ländern der Welt wartet man bis zur Ehe, bevor man zum ersten Mal Sex hat. In anderen Ländern der Welt, wie beispielsweise in den USA, muss man wenigstens drei Dates gehabt haben, bevor es zur Sache geht. In Deutschland streichelt man manchen Mädels über den Arm und schon knöpfen sie sich die Bluse auf.
——-
Wieso ist eine Frau, die gerne Sex hat ne Schlampe? Das ist einfach nur unverschämt und asozial und lässt tief Blicken. Frauen, die gerne Sex haben sind halt ein „Negativbeispiel“. Über dieses Denken sind die meisten längst hinaus. Zum Glück meinen die meisten Menschen heute nicht mehr sich in Schlafzimmerangelegenheiten einmischen zu müssen.
Ansonsten, wie bei jedem Artikel, Deutsche sind Rassisten und Migranten sind die armen Opfer, „die neuen Juden“ mmhh
daimagüler :
you are absolutely right!
Diese Aversion gegen unsere Gesellschaft, die dieser Herr schildert, habe ich in dieser Ausprägung kaum von anderen Zugewanderten gehört.
Meine Frau, aus dem asiatischen Kulturkreis, lebt mittlerweile über 37 Jahre hier, hat unsere Kinder mit aufgezogen, alle haben studiert und zum Teil promoviert und sind Teil dieser Gesellschaft mit gemischten Wurzeln und sind hier angekommen !!
Dieses Leid eines Herrn Daimagüler ist in diesem Kulturkreis, seiner Ahnen, weit verbreitet und liegt in der Geschichte begründet. Hier muss sich dieser Herr fragen lassen, warum sich andere
Zuwanderer aus anderen Ländern mit nicht islamischer Kultur und osmanischer Geschichte besser integrieren. Dieser islamisch geprägte Kulturkreis, aus dem dieser Herr stammt, geht naturbedingt von anderen Vorzeichen aus. Seine Ausführungen stehen auch dafür, dass es sich mit seinem Ex-Heimatland, und dessen innerpolitischen Strömungen und Verwerfungen nicht gründlich auseinander gesetzt hat. Eigentlich schade, dass diese Menschen dieses letztendlich nicht wahrhaben wollen und so ihre Ressourcen verschwenden. Hier denke ich, dass nur unter Türken auch nicht immer tagtäglich edler Sonnenschein herrscht. Sonst hätte man ja nicht auswandern wollen.
@ kosmopolit
sie haben anscheinend nicht verstanden, wieso ein herr wie daimagüler so etwasschreibt. dabei ist die textpassage deutlich hervorgehoben. WILLKOMMEN IN MEINER WELT ist seine begründung für seine zeilen, dass nicht aktion ist, sondern reaktion. so erklärt sich auch, wieso asiaten nicht so denken, weil sie nicht mit dem täglich wahnsinn leben müssen, wie muslime – wobei ich nicht glaube, dass ALLE asiaten anders denken, genauso wie nicht ALLE muslime gleich denken. ich kenne da viele beispiele.
Leuphana-Studie zeigt einen Trend zur Emanzipation auch in vom Islam geprägten Gesellschaften. Aktuelle Studienergebnisse
Leuphana Universität Lüneburg
Zitat
„Keine dieser strukturellen Ursachen kann nach unseren Daten als Erklärung für die ausgeprägte Ungleichbehandlung von Mann und Frau in muslimischen Staaten dienen“, erklärt Amy Alexander. „Stattdessen scheint es so zu sein, dass der Islam selbst eine Ursache dieser patriarchalen Strukturen ist.“
Der Link zur Studie:
http://www.idw-online.de/pages/de/news446622
Also ich stimme durchaus auch mit vielen Punkten von Herrn Daimagüler überein. Sogar was die Kritikpunkte an der deutschen Kultur angeht. Mir als Deutschem ist der konsumbezogene Ausverkauf der deutschen Kultur auch ein Dorn im Auge. Leider ist das wohl bei allen Gesellschaften so die dem Kapitalismus aufgesessen sind. In der Türkei steht das Ganze noch am Anfang, hat aber z.B. was Hilfsbereitschaft gegenüber Fremden angeht auch schon Federn gelassen.
Wo ich Herrn Daimagüler voll zustimme ist seine Meinung bezüglich Leuten die sich so Verhalten das es wohl wirklich besser wäre sie wanderten nach Saudi Arabien aus.
Obwohl ich mit den Ausführungen dieses Mannes einverstanden bin, kann ich es trotzdem nicht fassen, dass ein ausgebildeter Mann sich solcher Begriffe bedienen muss, um seine Meinung zu schildern
Also wen Sarrazin ein Hetzer war, dann haben wir jetzt aufjedenfall die Steigerung davon gefunden.
Jeder Deutsche solte dieses Buch lesen, damit er weiss mit welchen Lugen sich die Türken gegen die Deutschen aufhetzen.
Aber man sollte ,als Deutscher nicht zuviele Ansprüche an den Autor stellen! Das Forum bei Magazin hat Teilweise mehr Niveau,als dieses Buch.
Ansonsten kann ich nur das gleiche tun wie die Türken damals beim Sarrazin gemacht haben und nach Belegen für die Vorwürfe fragen!
‚Ein toller Artikel, der mit den gleichen Mechanismen und ironisierenden sprachlichen Mitteln spielt, wie es „Biodeutsche“ tun, wer dieses Artikel nicht metaphorisch verstanden hat, möge bitte Semantik- Kurse oder ähnliches besuchen. Der Autor hat lediglich die stilistische sprachliche Übertreibung versucht, es stellt nicht in allen Punkten seine Meinung zu „Biodeutschen“ dar. Wo er Recht hat ist, dass dieses Land sehr dringend sich mit seinen Schwächen auseinandersetzen muss. Vor allem auf der spirituellen- ,moralischen Ebene.
ich merke leider bei den vorherigen Kommentaren keinerlei eine kritische Analyse bezüglich der genannten Punkte, in denen Deutschland sich selbst abgeschafft, z.B. Verfall der Sexual- und Familienmoral, über die sich die Kirchen seit längerem beklagen und die die ganze Gesellschaft als solches inplizit betreffen.
Mehr Weitsicht tut immer tut! Plus: Wichtig sei gesagt, dass Vielfalt und Mobilität (transnationale Mobilität) die entscheidenen Faktoren in der globalisierten WElt sind, auch wenn einige damit erhebliche Probleme zu haben scheinen. Vermutlich sind das eher die älteren Herrschaften, die sich dadurch von der Gesellschaft als abgehängt sehen.