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Integration im 16:9 Format

Currywurst, amerikanische Botschaft und Berlin ist nicht New York

Was wird in 200 Jahren in Berlin als normale Kultur angesehen, fragte ich meine Freundin Dani, bei einem Glas Wein. Sie überlegte nicht lange und antwortete „Konopke, der Imbiss im Prenzlauer Berg, mit ihrer unglaublichen Currywurst!“

Von Dienstag, 25.10.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 09.05.2020, 1:00 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Ich musste lachen und fragte mich gleichzeitig, warum ich nicht selber auf diese Antwort gekommen bin, weil es doch sehr nahe lag, dass auch die Berliner in 200 Jahren, nicht auf ihre Currywurst verzichten würden. Dani fügte hinzu, dass die Boulette von den Hugenotten entstamme und im Jahre der Zeit, ein fester Berliner Bestandteil wurde.

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Mit Dani rede ich sehr oft über die rasanten Veränderungen und das schnelle Kommen und Gehen in Berlin. Innerhalb weniger Monate wurde bei mir in der Nähe, aus einem Klamottenladen für Gothic Liebhaber, ein An- und Verkaufsladen für Gold, der aber nie das Tageslicht erblickte und sich nun in ein Sushi Laden verwandelte. Es ist der X-te, hier in Friedrichshain, und solange es weitere Eröffnungen von Sushi Restaurants und Imbisse gibt, die auch Lieferservice anbieten, braucht sich der bayrische Motorkonzern keine Sorgen um seine Marke Smart zu machen. Es scheint unter den Sushi-Entrepreneuren, das beliebteste Gefährt für das Ausliefern zu sein. Immer mehr beobachte ich, dass sich am Steuer der Sushi-Lieferanten „kulturell nahe“ bzw. einheimische Deutsche oder EU-Bürger sitzen, die „uns die Arbeitsplätze“ streitig machen.

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Neulich wurde ich als Podiumsgast, in die amerikanische Botschaft eingeladen. Neben dem Botschafter Philip Murphy waren auch die amerikanisch-haitianische Autorin Rose-Anne Clermont und der ehemalige Intendant des Deutschlandradios Ernst Elitz anwesend. Das Motto der Veranstaltung war „Berlin und Wir – Was wir von der Hauptstadt erwarten“. Es sollte um die urbane Entwicklung Berlins gehen, im Zusammenhang mit seiner multikulturellen Gesellschaft. Doch irgendwie redeten wir an dem Thema vorbei. Deshalb muss nun die Kolumne herhalten.

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Es liegt im Auge des Betrachters, wie sie oder er, Vielfalt sieht und definiert. Für einen Architekten oder Stadtplaner mag es die Vielfalt in verschiedenen architektonischen Baustilen sein. Für die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer ist es ein Foto mit Mitarbeitern von McDonalds. Eine Frage, die der amerikanische Botschafter uns stellen sollte, war die, ob es eine Verbindung gibt zwischen wirtschaftlicher Innovation und Vielfalt. Es benötigt keine schönen Statistiken und wissenschaftlichen Ausarbeitungen, um zu verstehen, dass Vielfalt im Sinne von (Wo)Manpower, die ökonomische Produktivität steigert. Die simple Formel des Erfolges ist: ohne Vielfalt, keine Produktivität. Keine Produktivität, keine Kreativität. Gleichgesinnte und Gleichgeformte Menschen = Gleichgesinnte Entscheidungen. Vielfältige Menschen = vielfältige Entscheidungen.

Eine andere Frage, die der Botschafter uns stellen sollte, war, was Berlin noch mehr tun sollte, um seine vielfältigere Gesellschaft einzubinden. Meine Antwort wäre gewesen, dass die Stadt den Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit geringem Einkommen ermöglicht, die soziale und berufliche Leiter aufzusteigen, an der Gesellschaft durch politische Teilhabe mitzuwirken, in der Gestaltung ihrer Umgebung. Die Gentrifizierung in Berlin ist in vielen Kiezen allgegenwärtig. Vielen haben Existenzängste und können sich trotz Vollzeit Arbeit, kaum noch die Miete leisten, sodass sie aus dem Kiez verdrängt werden. Die Tendenz, wenn sie schon nicht da ist, ist das Berlin ungleich in seiner Verteilung von Vielfalt, in den Kiezen wird und ist. „Berlin muss Berlin bleiben. Dazu gehören auch die besetzten Häuser, wie die Liebigstrasse 14 und das Kunsthaus Tacheles“, sagte Dani. Ich stimmte Dani zu und ergänzte, dass Berlin, kein Ort werden darf, nur für die gut Betuchten und der höheren Klasse. Ich kann mir ein Berlin nicht vorstellen, ohne das bunte Geschehen und Treiben in Kreuzberg und Neukölln, verschiedener Ethnien und Sozialschichten und ohne den Vietnamesen in Lichtenberg.

Für den amerikanischen Botschafter ist Berlin, das New York der 60er Jahre, in Zeiten von Studio 54 und Andy Warhol. Doch für mich war das, als vergleiche man Äpfel mit Birnen. Berlin ist Berlin und New York ist New York. Lange Zeit arbeitete der amerikanische Botschafter Murphy für Goldman Sachs und fügte hinzu, dass man bei Finanzinvestitionen, der Regel folgt „Follow the artists (Folge den Künstlern)“. Doch in New York, sagte Murphy, ist es heute sehr schwierig geworden, Künstler zu finden. Stattdessen trifft man sie in Berlin. Nach etwa zwei Stunden beendete der Botschafter die Diskussionsrunde.

Als ich die amerikanische Botschaft verließ, musste ich an den Fernsehturm denken. Ich bin mir sicher, dass der Turm noch im nächsten Millennium stehen wird, am selben Platz, am gleichen Ort. Er wird noch Generationen überdauern und willkommen heißen, „the poor and huddled masses“, wie es die Freiheitsstatue im Hafen von New York, damals und heute noch tut. Für mich ist er der schönste Turm der Welt, ein Symbol der Liebe und Grenzenlosigkeit. Er überragt sie alle, die Demutslosen und Größenwahnsinnigen. Aktuell Meinung

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  1. Pete sagt:

    Lang lebe die Konopke Currywurst! Absolut!

  2. Tom sagt:

    Mal sehen was in 200 Jahren in Berlin als „normale“ Kultur angesehen wird. Eines ist sicher. Wir werden es nicht mehr mitkriegen….