Bayerischer Lehrerverband
Förderung ausländischer Schüler ist mangelhaft
Der Bayerische Lehrerverband kritisiert: Über Förderung ausländischer Schüler wird in Deutschland nur gesprochen und zu wenig getan - das zeigen die Zahlen. Hinzu kommen Personalmangel, Unterrichtsausfall und mangelnde Kompetenz.
Donnerstag, 03.11.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 08.11.2011, 1:12 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Aus Sicht des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) wird im Freistaat noch zu wenig für die Verbesserung der Bildungspartizipation junger Migranten getan. „Schüler aus Migrantenfamilien gehen deutlich seltener auf Realschulen und Gymnasien, sie sind dagegen überproportional häufig in Förder- und Haupt- bzw. Mittelschulen vertreten“, bemerkte BLLV-Präsident Klaus Wenzel anlässlich des Anwerbeabkommens mit der Türkei, das sich Ende Oktober zum 50. Mal jährte.
Auch der Anteil der Wiederholer und Schulabbrecher sei bei den Zuwandererkindern deutlich höher. „Nötig sind beitragsfreie Kindergartenplätze, mehr Ganztagsschulen und mehr gezielte Sprachförderung“, forderte Wenzel am Freitag vergangener Woche mit Blick auf die Diskussionen um den Nachtragshaushalt 2012. Der derzeitige Personalmangel an allen Schulen führe dazu, dass Maßnahmen für eine verbesserte Integration nur schwer oder gar nicht umgesetzt werden könnten. Wenzel wies außerdem darauf hin, dass der Wert von Mehrsprachigkeit nicht vernachlässigt werden dürfe: „Sie ist kein Stigma, sondern eine Bereicherung, die als Chance begriffen werden sollte.“
Sortierauftrag der Schule verhindert integration
„Auf der einen Seite ist ständig die Rede von der Notwendigkeit, die Sprachförderung in Kindergärten und Grundschulen auszubauen, gleichzeitig gibt es dafür aber viel zu wenig und für diese Integrationsaufgabe besonders qualifiziertes Personal“, bemängelte der BLLV-Präsident in München. So könnten die 240 Stunden Deutsch, sie werden im letzten Kindergartenjahr und in der Grundschule in Vorkursen zur Sprachförderung zur Verfügung gestellt, oftmals gar nicht angeboten werden. „Hinzu kommt, dass Erzieher/innen zwar immer mehr leisten sollen – ihre Bezahlung aber beschämend niedrig ist.“
Die Förderung ausländischer Schüler sei nach wie vor mangelhaft. „Personalmangel und Unterrichtsausfall sind denkbar schlechte Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung notwendiger Förderprogramme und Integrationsprojekte. Hinzu komme der vorherrschende Sortierauftrag der Schulen. „Er erschwert und verhindert integrative Prozesse, die für eine verbesserte Bildungspartizipation erforderlich sind“, sagte Wenzel.
Mehr Lehrer mit Migrationshintergrund notwendig
Der BLLV fordert mehr Unterstützung für die Schulen. Auch in der Lehrerbildung müsste mehr geschehen: „Es ist höchste Zeit, mehr Studenten mit ausländischem Hintergrund für den Lehrerberuf zu begeistern. Nur ein Prozent aller Lehrkräfte an den Schulen in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, während der Prozentsatz bei den Schülern bei 15 Prozent liegt, in vielen Ballungszentren gibt es Quoten von 50 Prozent und darüber.“
Von allen in Bayern lebenden jungen Migranten besuchen 65 Prozent die Haupt- bzw. Mittelschulen, von den türkischen Schülern gehen sogar 78 Prozent auf die Hauptschule bzw. Mittelschule. Dagegen besuchen nur 37 Prozent der Kinder aus deutschen Familien diese Schulart. An den bayerischen Gymnasien ergibt sich folgendes Bild: Nur 18 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund gehen aufs Gymnasium, bei Kindern mit türkischer Abstammung sind es sogar nur 11 Prozent, der Anteil deutscher Schüler liegt dagegen bei 38 Prozent.
Rahmenbedingungen schaffen
Junge Migranten verlassen bis zu dreimal häufiger als deutsche Kinder und Jugendliche die Schule ohne Abschluss, eine Studienberechtigung erlangen deutsche Schüler dreimal häufiger als ausländische. Ihre Erwerbslosenquote liegt um das Zwei- bis Dreifache höher als bei Personen ohne Migrationshintergrund, ihr Armutsrisiko ist doppelt so hoch.
„Für eine erfolgreiche Integration müssen die Rahmenbedingungen stimmen – sie muss also wirklich gewollt sein“, betonte der BLLV-Präsident. Bayern sei ein Einwanderungsland mit allen Konsequenzen. Es müsse daher selbstverständlich sein, ein ausreichendes Angebot an Deutschkursen für Kinder und Erwachsene zu schaffen, ausgrenzende Schulstrukturen dagegen schrittweise abzuschaffen. Es muss außerdem selbstverständlich sein, ein tolerantes Sozialklima zu schaffen mit dem Ziel, dass kein Jugendlicher die Schule ohne anschlussfähigen Abschluss verlässt und möglichst viele junge Menschen möglichst hohe Bildungsabschlüsse erreichen.“ (sb)
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In deutschen Schulen fallen wöchentlich 1 000 000 Unterrichtsstunden aus, kein Wunder, wenn es mit der Bildung nicht klappt, weder bei einheimischen noch bei Kindern aus Einwandererfamilien.
Zerrin Konyalioglu