Buchtipp zum Wochenende
Fremde Heimat Deutschland
In diesem Buch werden Lebensgeschichten zwischen Ankommen und Abschied vorgestellt. Hier kommen Migranten zu Wort – der Arbeiter, der Geschäftsmann genauso wie der Intellektuelle. Sie erzählen über ihre Erfahrungen.
Freitag, 25.11.2011, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 28.11.2011, 14:00 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Noch immer hat Deutschland keine Selbstverständlichkeit im Umgang mit seinen Zuwanderern und Migration im Allgemeinen entwickelt. Das zeigte nicht zuletzt die 2010 neu entbrannte, aufgeregte Diskussion um Thilo Sarrazin. Ein allgemeiner Konsens über die Zuwanderungs- und Integrationspolitik liegt in weiter Ferne. Der öffentliche Schlagabtausch, in dem es insbesondere um Ängste vor „Überfremdung“, Verlust kultureller Identität und Entwicklung von „Parallelgesellschaften“ geht, läuft oftmals völlig an der Realität vorbei.
Seit einigen Jahren ist die deutsche Zuwanderungsbilanz negativ, mehr Menschen wandern aus als ein. Die individuelle Entscheidung der Auswanderer ist für die deutsche Volkswirtschaft vor dem Hintergrund des aktuellen Fachkräftemangels nicht ohne Auswirkungen, denn sie sind häufig gut ausgebildet und wirtschaftlich erfolgreich. Ein Teil der Auswanderer besteht aus Remigranten: Menschen, die selbst oder deren Eltern nach Deutschland eingewandert sind und die wieder in ihre alte Heimat zurückkehren. Warum kehren diese Menschen Deutschland den Rücken?
Mit ihrem Buch Fremde Heimat Deutschland – Leben zwischen Ankommen und Abschied betrachten Murat Ham und Angelika Kubanek das Thema aus einer neuen Perspektive: Sie geben Zu- und Auswanderern verschiedener Migrantengenerationen eine Stimme. In Reportagen, Porträts, autobiographischen Texten von Migranten und Interviews stellen sie den Blick des „einfachen“ Arbeiters dem des Intellektuellen gegenüber. Durch verschiedene Schreibstile- narrativ, reportagenhaft, fachlich-wissenschaftlich -zeichnet das Autorenteam mosaikartig die Geschichte der Migration in Deutschland seit den 50er-Jahren nach.
Ham und Kubanek spannen den Bogen bewusst weit: Neben zahlreichen „Alltagsmigranten“ lassen sie auch die Schauspielerin Şiir Eloğlu, die Tourismus-Managerin Nina Öger, den Unternehmer Kemal Şahin, die Wissenschaftlerin Esra Özyürek, den Hamburger Ex-Ganoven und Autor Cem Gülay oder die preisgekrönte deutsch-türkische Autorin Emine Sevgi Özdamar über ihre Erfahrungen zwischen den Weiten berichten:
Auszug aus dem Buch
Was zeichnet so ein bewegtes Leben, was zeichnet Emine Sevgi Özdamar aus? Reisen und Wandern zwischen den Kulturen ist ein Lebensprojekt der Autorin. Das spiegelt sich in ihren Büchern wider, die teilweise autobiographisch sind. Ihre Romane „Das Leben ist eine Karawanserei“, „Die Brücke vom Goldenen Horn“, „Seltsame Sterne fallen zur Erde“ sind Belege für den Reichtum der Kulturen. „Ich nehme meine Leser mit, wie auf eine Zugfahrt. Eine Reise zwischen den Kulturen“, sagt sie. Deutschland und die Türkei, Europa und Asien – Schauplätze von Leben und Werk der prominenten Schriftstellerin. Sie versteht ihr eigenes Leben als Reise.
Die Autorin gibt Deutschland ein Gesicht der ethnischen Vielfalt. Ihre Werke bieten für alle Einwanderergruppen Möglichkeiten zur Identifikation und eröffnen Chancen-Träume. Was treibt diese Schriftstellerin an? Wo schöpft sie Kraft für ihre Bücher? „Die Liebe zur Sprache. Die Ästhetik.“ Wenn sie spricht, sprüht sie vor lauter Leidenschaft. Und die Inspiration? „Berlin bietet viel. Ich fühle mich wohl hier. Viele Menschen – wie ich – sind Zugezogene. Ich habe hier ein anderes Gefühl als beispielsweise in Düsseldorf. Berlin fühlt sich gut an.“
Wenn Deutsch-Türken heute in die Heimat ihrer Eltern zurückgehen, dann kommt das einer Auswanderung gleich. „Deutschland ist heute ein offenes Land. Schön wäre, wenn die Vorteile auch für Deutsch-Türken sichtbarer werden. Sie sollten sich am deutschen Zeitgeschehen beteiligen und teilhaben“, unterstreicht die Schriftstellerin. Kultur verändere sich. „Deutschland und die Menschen wandeln sich.“
Folgen Deutsch-Türken einer Illusion? Warum bringen sie ihre Bikulturalität nicht in Deutschland ein? Flüchten sie? Gründe für eine Remigration können wirtschaftlicher Natur sein oder die Liebe im Land der Väter und Mütter, aber auch Vorurteile in Deutschland können die Entscheidung beeinflussen. „Sie tun Deutschland nicht weh im emotionalen Sinne – auch wenn die Gesellschaft altert. Jeder entscheidet über sein Leben“, steht für die Schriftstellerin ebenso fest. Sie überlegt und fügt einen abschließenden Satz hinzu: „Schön wäre, wenn die Menschen die gleichen Chancen hätten.“ (hs) Aktuell Rezension
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Der profilierte Autor Murat Ham beweist mit diesem Buch wieder einmal seine journalistische Kompetenz. Ich freue mich auf sein nächstes Werk. Einfach gut! Viele Grüße aus Frankfurt/Main
Schönes Buch! Der Autor Murat Ham hat mich überzeugt. Freundliche Grüße