TV-Tipps des Tages
08.12.2011 – Afghanistan, Rassismus, Neonazi, Hitler, Gorbatschow, Ausländer
TV-Tipps des Tages sind: Der Junge Mir: Zehn Jahre in Afghanistan; Ideengeschichte des Rassismus; Mythos Gorbatschow: Der traurige Held der Perestroika; Monster's Ball: Hass und Gefühlskälte wurden dem rassistischen Gefängniswärter Hank bereits in die Wiege gelegt; Die Gestapo - Die deutsche Polizei im Weltanschauungskrieg
Von Ümit Küçük Donnerstag, 08.12.2011, 8:18 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 06.12.2011, 13:40 Uhr Lesedauer: 8 Minuten |
Der Junge Mir
Zehn Jahre in Afghanistan – Als Achtjähriger lief der fröhliche und unbeschwerte Junge Mir dem renommierten Filmemacher Phil Grabsky in Afghanistan vor die Kamera.
Seit 2001, als Filmemacher Phil Grabsky den neugierigen Mir – der Name bedeutet „Frieden“ und „Welt“ auf Russisch – zufällig traf, hat sich Afghanistan sehr verändert. So sind in Kabul die Wracks von abgeschossenen Flugzeugen inzwischen verschwunden, die Ruinen an den Straßen von Apartmenthäusern und Shopping-Malls, neuen Hotels und schicken Restaurants ersetzt. Vieles ist aber auch gleich geblieben. Gewalt terrorisiert nach wie vor den Alltag.
Opiumlords beherrschen mit ihren privaten Armeen den Süden und Osten. Den Norden durchdringen wieder verstärkt die Taliban. Und trotz internationaler Überwachung gibt es Selbstmordattentate, Entführungen und tödliche Angriffe.
Der Dokumentarfilm beginnt im Jahr 2002, kurz nach dem Ende des Taliban-Regimes. Mir und seine Familie hatten sich damals in eine Höhle neben den zerstörten Buddhas von Bamiyan gerettet. Nach einem Jahr konnten sie wieder in ihr Dorf in einem Wüstengebiet im Norden Afghanistans zurückkehren. Der neunjährige Mir bewegt sich voller Lebenslust unbeschwert zwischen all den Problemen der Erwachsenen. Mit zunehmendem Alter verliert er diese Unbekümmertheit.
In der Schule, die mit internationaler Hilfe errichtet wurde, strengt er sich an, denn er möchte Lehrer werden. Er wird zerrissen vom Anspruch der Familie für den Lebensunterhalt zu sorgen und seinen eigenen Wünschen für die Zukunft. Als Teenager werden ihm dann Motorräder und der Spaß mit Freunden wichtiger. Er möchte nun nicht mehr Präsident von Afghanistan oder Lehrer werden, es genügt ihm, nicht im Kampf zu fallen.
Filmemacher Phil Grabsky fragt, was sich in dieser Dekade in Afghanistan geändert hat. Was haben der Einsatz der USA und der Nato-Alliierten dem Land gebracht? Wird Mir als Opiumbauer oder Soldat enden? Und kann der fatale Kreislauf aus Krieg und Opium je unterbrochen werden?
Hintergrundinformationen:
„Der Junge Mir“ ist das Porträt einer Familie in Afghanistan voller Härte und Bitterkeit, aber auch voller Humor und Zärtlichkeit von dem britischen Filmemacher Phil Grabsky, der für seinen Film „The Boy who Plays on the Buddhas of Bamiyan“ über das erste Jahr seiner Bekanntschaft mit Mir zahlreiche internationale Preise gewonnen hat. 10:00-11:30 • arte
Ideengeschichte des Rassismus
1/4, Der Kampf ums Dasein (Wissen und mehr -Schulfernsehen) – Rassismus arbeitet mit reduktionistischen Welterklärungen. Komplizierte Zusammenhänge werden simplifiziert, in dualistische „Wahrheiten“ überführt.
Diese Denk- und Handlungsmuster herauszuarbeiten ist das Ziel der vierteiligen Reihe „Ideengeschichte des Rassismus“.10:00-10:15 • HR
Mythos Gorbatschow
1985 gelangte Michail Gorbatschow als Generalssekretär der KPdSU an die Spitze der Weltmacht Sowjetunion. Seine erklärten Ziele waren, den Sozialismus, die UdSSR sowie den Ostblock insgesamt zu stärken.
Aber es kam ganz anders: Am Ende seiner sechseinhalbjährigen Amtszeit standen der Zusammenbruch des Sowjetimperiums und die Einführung des Kapitalismus in Russland.
Im Westen der Held, in der Heimat der Buhmann
Gorbatschow, im Westen gefeiert und zum Mythos gemacht, wird in Russland und in den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken überwiegend als inkompetenter Staatsmann angesehen, der das Land in den Ruin getrieben hat mit seiner konzeptionslosen und widersprüchlichen Perestroika.
Putsch 1991, Ende der Sowjetunion
Dramatischer Höhepunkt der Perestroika-Zeit war der Putsch gegen Gorbatschow im August 1991. Die Politiker, die er alle selbst in ihre Ämter gebracht hatte, begründeten ihr Vorgehen gegen ihn damit, das unstrittige Chaos und den drohenden Zerfall des Landes stoppen zu wollen. Damals hielt die Welt den Atem an. Man befürchtete eine Rückkehr zum gerade beendeten Kalten Krieg. Gorbatschow wurde drei Tage lang von den Putschisten in seiner Urlaubsvilla am Schwarzen Meer isoliert. Die Innen- und Außenbilder der Villa sind ein selten gezeigtes Dokument.
Die Ursachen für Gorbatschows Scheitern
„Die Perestroika ist die Fortsetzung der Oktoberrevolution“, so Gorbatschow während seiner Amtszeit. Er wollte das Unvereinbare miteinander verbinden: Eine Reform des Sowjetsystems bei gleichzeitiger Stärkung der Fundamente, die Lenin gelegt hatte. Von Wirtschaft verstand Gorbatschow sehr wenig. Seine Reformschritte waren schließlich nur noch von Improvisieren, Reagieren und von Sprunghaftigkeit geprägt.
Weggefährten, Widersacher
In der 45-minütigen Dokumentation des Russland-Experten Ignaz Lozo kommen neben dem Hauptakteur Michail Gorbatschow auch dessen Mitstreiter wie Eduard Schwewardnadse zu Wort, ebenso der damalige Anführer der Perestroika-Gegner im Poltitbüro, Jegor Ligatschow, der mittlerweile 90 Jahre alt ist. Ein seltenes Dokument ist auch das Interview mit Oleg Baklanow, einem noch lebenden Hauptbeteiligten am Putsch 1991. Von den Akteuren und Zeitzeugen auf deutscher Seite schildern Hans-Dietrich Genscher und Horst Teltschik, damals engster Berater von Kanzler Kohl, ihre Sicht der Geschehnisse.
Würdigung
Die Wahrnehmung und Wertschätzung Gorbatschows im Westen und in seiner Heimat könnte unterschiedlicher nicht sein. Den Ursachen dafür geht der Film auf den Grund und zeichnet die spannende und widersprüchliche Zeit nach, in der Gorbatschow Herr im Kreml war. „Gorbi“ war ein großer Reformer, doch das Ergebnis seiner Politik, für das ihm viele im Westen applaudieren, hatte er nie gewollt – auch wenn Gorbatschow nach seiner Amtszeit im Westen mehrfach behauptete, er habe Pluralismus und Marktwirtschaft als Ziele gehabt. 13:15-14:00 • PHOENIX
Monster’s Ball
Spielfilm – Hass und Gefühlskälte wurden dem rassistischen Gefängniswärter Hank bereits in die Wiege gelegt. Nach dem Selbstmord seines Sohnes lernt er die Afroamerikanerin Leticia kennen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine ungewöhnliche Liebe.
Hank Grotowski ist bereits in der zweiten Generation Gefängniswärter, sein Sohn Sonny ist gerade dabei, ihm nachzufolgen. Doch Sonny ist anders als sein gefühlskalter und rassistischer Vater. Als er das erste Mal einen Gefangenen zum elektrischen Stuhl geleiten muss, bricht er sich, vor den Augen des Todgeweihten und seines Vaters, die Seele aus dem Leib. Hank ist so wütend auf seinen Sohn, dass er ihn vor seinen Kollegen verprügelt und als Schwächling beschimpft. Als er Sonny am nächsten Tag aus dem Haus werfen will, erschießt sich dieser mit seiner Dienstwaffe.
Doch selbst nachdem Sonny zur letzten Ruhe gebettet wurde, ist Hank fernab jeder Trauer. Zwar gibt er seinen Beruf als Gefängniswärter auf, doch bleiben Gefühle von Schuld und Reue aus. Erst als er nachts, auf verregneter Straße, der Afroamerikanerin Leticia begegnet, ändert sich dies.
Leticia kauert des nachts und bei Regen neben der Fahrbahn und hält den regungslosen Körper ihres Sohnes Tyrell fest umklammert. Der Junge ist von einem Auto erfasst worden, der Täter hat Fahrerflucht begangen. Gemeinsam bringen Hank und sie den Jungen ins Krankenhaus, doch jede Hilfe kommt zu spät. Nachdem Leticia erst kürzlich ihren Mann auf dem elektrischen Stuhl verloren hat, ist sie nun vollkommen alleine. Hank bringt sie mit seinem Auto nach Hause und die zwei beginnen, sich regelmäßig zu treffen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine leidenschaftliche Liebe, die von einem dunklen Geheimnis überschattet wird: Der letzte von Hank hingerichtete Gefangene war Leticias Mann Lawrence.
Hintergrundinformationen:
„Monster’s Ball“ ist nicht nur ein Film über latenten und offenen Rassismus, sondern er beschäftigt sich in ebensolchem Maße mit den Auswirkungen körperlicher und seelischer Gewalt. So sind sowohl Hank als auch Leticia Menschen, denen es schwer fällt, Emotionen anderen gegenüber deutlich zu machen. So kann Hank seinem Sohn Sonny nur negative Gefühle wie Hass und Ablehnung vermitteln, während Leticia ihren übergewichtigen Jungen Tyrell mit Schlägen bestraft, als sie diesen dabei erwischt, wie er sich den Bauch mit Schokolade vollschlägt. Letztlich leiden aber beide darunter, dass sie zu Lebzeiten ihrer Kinder nicht fähig waren, Liebe und Zuneigung sowohl zu geben als auch anzunehmen. Erst miteinander lernen sie, mit anderen Menschen umzugehen.
Dass diese Wandlung zweier problematischer Charaktere auch glaubhaft erscheint, ist vor allem dem Spiel der beiden Hauptdarsteller zu verdanken. Billy Bob Thornton spielt Hank mit solch einsilbiger, unergründlicher Tiefe, dass der Zuschauer nie genau weiß, was in dessen Innerem vorgeht, mit ihm aber dennoch mitfühlen kann. Halle Berrys Leticia hingegen lebt von explosiven Emotionen, mit denen sie ihre Außenwelt förmlich überrumpelt. Für diese Darstellung erhielt Berry auch den Oscar als „Beste Hauptdarstellerin“.
Die Gefängnisszenen von „Monster’s Ball“ wurden in einem echten Gefängnis gedreht. Auch der Todestrakt war keine Kulisse. Sowohl Regisseur Marc Forster als auch Drehbuchautor Milo Addica waren zutiefst schockiert, als sie im elektrischen Stuhl Initialen und Fingernagelspuren von hingerichteten Gefangenen vorfanden. 20:55-22:45 • arte
Die Gestapo – Die deutsche Polizei im Weltanschauungskrieg
Hitlers schärfste Waffe – Im Mai 1933 bezieht die Gestapo ihr Dienstgebäude in der Prinz- Albrecht-Straße 8 in Berlin. Noch ist sie nur für Preußen zuständig, noch ist sie Objekt im Machtkampf der Nazi-Größen.
Der von Gestapo und SS geplanten Mordaktion fallen Ende Juni 1934 etwa 90 Menschen zum Opfer.Mit der Erstellung eines reichsweiten Karteisystems zur Erfassung von „Gegnern“, der Ernennung Himmlers zum Chef der gesamten deutschen Polizei (1936) und der unaufhaltsamen Kompetenzerweiterung wird die Gestapo zur schärfsten Waffe Hitlers. Die Gestapo verhaftet willkürlich und exzessiv. Die in „Schutzhaft“ genommenen Opfer werden in Konzentrationslager verschleppt. Ihnen wird jeder Rechtsbeistand verweigert.
Zeitzeugen schildern eindringlich die mitleidslosen Methoden der Gestapoarbeit. So zum Beispiel Johann Schwert aus Frankfurt/Main, damals im kommunistischen Widerstand. Er wird verhaftet, gefoltert und muss viele Jahre in Einzelhaft verbringen. Erst 1945 kommt er frei. Nach 1935 überwacht die Geheime Staatspolizei auch die Einhaltung der „Nürnberger Rassegesetze“, und sie ist im Verlauf des mörderischen Pogroms von 1938 auch dafür verantwortlich, dass tausende männliche Juden verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt werden.Die wachsende Bereitschaft der Bevölkerung zur Denunziation erleichtert der Gestapo den Terror. Josef Niklasch, damals bei den Zeugen Jehovas, und Marie-Luise Schulze-Jahn, damals im studentischen Widerstand, berichten von konkreten Fällen, in denen Hinweise aus der Bevölkerung zur Verhaftung durch die Gestapo führten. Auch bei der Durchsetzung von Hitlers Expansionspolitik spielt die Gestapo eine wichtige Rolle. Ihre Aufgabe ist es, die polizeiliche Macht in den besetzten Gebieten zu übernehmen und jeden Widerstand zu unterdrücken. Sie wird sich aber auch maßgeblich am Völkermord an den europäischen Juden beteiligen. 00:45-01:30 • PHOENIX TV-Tipps
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen