Projekte aus Toronto
Diversität in Unternehmen, in der Verwaltung, in den Medien
Das ist das Ziel der kanadischen Maytree Stiftung. Ihr Ziel ist es, diese Vielfalt zu realisieren. Und nicht mit dauernden Diskussionen über das „Wir“ und „den anderen“, sondern durch Projekte auf institutioneller Ebene.
Von Fatih Çiçek Donnerstag, 08.12.2011, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 13.12.2011, 8:34 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Teilhabe der Migrantengemeinschaften sowie –individuen am gesellschaftspolitischen Leben – wie ist dies möglich? Matt Galloway sieht die Medien als eine Chance, dies zu erreichen. Die attraktive Rundfunkpersönlichkeit, die „die Menschen jeden Morgen mit seiner Stimme im Radio weckt“, kämpfte um das Schaffen einer Diversität im Radio-Sender CBC. Er führte Interviews in unterschiedlichen Sprachen, brachte die Musik der Migranten wie Hip-Hop in das Radio und erstellte Dokumentarfilme, nutzte verschiedene Sportarten als Brücke zwischen diversen Gemeinschaften und kreierte dadurch ein völlig größeres Publikum. Er besuchte türkische Cafés, brasilianische Bars, mexikanische Restaurants und schaute Fußballspiele mit den Gästen. Die Migranten fühlten ihre Zugehörigkeit, sie fühlten die Willkommenskultur.
Medienpersönlichkeiten gehören der Öffentlichkeit. Sie werden von der Öffentlichkeit bezahlt. Und wenn diese Personen nicht genau diese Öffentlichkeit – mit ihrer Verschiedenartigkeit, ihren deutschen, türkischen, arabischen, tunesischen, russischen oder japanischen Angehörigen – widergeben, wenn sie nicht tönen wie diese, dann dienen sie nicht der gesamten Gesellschaft, sondern nur einer hauchdünnen Scheibe. Wenn ein Migrant nicht sein Gesicht im Fernseher sieht, seine Story in der Zeitung liest oder seine Stimme im Radio hört, wird er sich kaum mit der Nation oder der Gesellschaft identifizieren. Er wird in die Ecke gedrängt und er bleibt auch dort. Genau auf dieses Problem wurde Galloway aufmerksam. Es gibt bereits viele solcher Projekte in Deutschland. Dazu zählen z.B. MiGAZIN, Ebru TV, die DIB-Plattform, das Zahnräder-Netzwerk oder MuslimeTV. Doch diese sollten noch erweitert werden.
Info zum Text: Gedanken und Eindrücke des Autors nach der Fachtagung „Diversity und Teilhabe – Lernen aus Toronto“. Eine Delegation aus Toronto stellte vom 28. November bis 2. Dezember 2011 unter Federführung der Maytree Foundation in in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung gute Praxisbeispiele für die Integration von Zuwanderern vor.
Arbeitsmarkt
Der richtige Job ist möglicherweise der wichtigste Indikator einer erfolgreichen Integration für einen Migranten. Viele der Migranten in Kanada sind ausgebildet, die meisten haben sogar einen universitären Abschluss. Die TRIEC, ein Rat für die Beschäftigung der Migranten, fördert diese Einwanderer durch „Mentors“ – das sind ehrenamtliche Berater. Diese stellen Verbindungen und die nötigen Kontakte zu ihren Kollegen aus ihrem beruflichen Gebiet her, helfen ihnen bei dem Verfassen eines Bewerbungsschreibens, besuchen mit ihnen Networking-Veranstaltungen und sorgen dafür, dass sie sowohl ihre Leadership- als auch ihre interkulturellen Kompetenzen erweitern.
Das Resultat ist atemberaubend: 80 Prozent der Mentees fanden nach der Zusammenarbeit mit ihren Beratern innerhalb von 6 Jahren einen Job. 94 Prozent der Berater machten sich ernsthaft Gedanken darüber, ihren Mentees eine Arbeitsstelle anzubieten.
Nicht selten wird auch in Deutschland nachgedacht, wie die Chancengleichheit bei der Jobsuche erhöht werden kann. Die Anonymisierung der Bewerbungen war nur eine von verschiedenen Lösungsansätzen. Das Problem liegt klar vor unseren Augen: Ausgebildete Migranten mit Potenzial werden nicht gekannt und ihr Potential wird nicht erkannt. Ihnen fehlt es an Zugangsstellen. Stiftungen könnten sich an die Arbeit machen und genau auf dieses Problem zugehen. Es könnten Social Business gegründet werden, die versuchen, dies zu beseitigen. Oder es könnten eben ehrenamtlichen Mentoren angeworben werden.
Schule
Die Toronto District School Board, die größte Schulbehörde in Kanada, machte dasselbe mit Schülern. Ihr ging es darum, Schüler – und zwar alle Schüler, zu fördern. Sie dient 259 Tausend Schülern. 69 Prozent der Schüler sind nicht in Kanada geboren. Die Schulbehörde Nordamerikas möchte in ihrer Arbeit ihre diverse Gesellschaft reflektieren. Sie unterstützt außerdem Schüler, deren Familien ein geringes Einkommensniveau haben.
Mit ihren „Community and Faith Walks“, den sogenannten Gemeinde- und Gemeinschaftsbesichtigungen beabsichtigt die TDSB, die Diversität der Gesellschafts- und Religionsgemeinschaften der Schüler den Lehrern näher zu bringen, um sie über die lokalen kulturellen Chancen, die Probleme und die Notwendigkeiten aufzuklären. Es werden Tempeln, Synagogen, Moscheen und Communities besucht. Es entwickelt sich unter den Schülern ein Vertrauen gegenüber den Lehrern. Schließlich waren sie dazu bereit, zu ihnen zu gehen, anstatt von ihnen zu erwarten, herzukommen.
Globales Dorf
Der interkulturelle Dialog ist ein sehr wichtiger Faktor in einer mannigfaltigen Gesellschaft. Die Welt schrumpft zunehmend zu einem globalen Dorf. Theorien wie „der Zusammenprall der Kulturen“ werden in Zukunft von diesem Prozess widerlegt werden. Dies gilt auch auf der Mikro-Ebene. Sei es im Unterrichtsraum, im Fußballverein, auf der Arbeit oder in der Musikschule.
Von der Diversität in allen Lebensbereichen sollte man keine Angst haben! Und Toronto sollte als ein lebendiges Beispiel dienen. Es wäre wünschenswert, wenn Deutschland aufhört, sich ständig selbst zu definieren, sondern sich, seine plurale Gesellschaft, mit all ihren Schichten, zusammen akzeptiert. So wie sie ist. Nur so werden alle profitieren. Aktuell Meinung
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