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Dossier: Inklusion 2/6

Inklusive Interkulturalität – ein Plädoyer

„Inklusion“ ist ein relativ neuer Begriff in der Bildungsdebatte, der hauptsächlich in Bezug auf Kinder mit Behinderung angewendet wird. Dabei geht es nicht um eine neue Wortschöpfung für das, was bisher unter „Integration“ verstanden wurde. - Das MiGAZIN Dossier zum Thema.

Von Amirpur / Karakaşoğlu Freitag, 09.12.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 22.12.2011, 14:15 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Unterscheidung in „normale“ und zu integrierende Kinder soll durch eine Inklusionspädagogik aufgehoben werden. Das Denken in zwei Kategorien, so der Inklusionspädagoge Andreas Hinz, – einerseits „nichtbehinderte Kinder, die integrierenden, normalen und eigentlichen“ und andererseits „zu integrierende, anomale `Auch-Kinder`, die an einem vorgegebenen Thema `auch` mitarbeiten können“ – entfällt.

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Laut pädagogischem Wörterbuch bezieht sich der Begriff „Integration“ sowohl auf Menschen mit Behinderung als auch auf Menschen mit Migrationshintergrund. Folgerichtig müssten Kinder mit Migrationshintergrund auch in der deutschen Inklusionsdebatte mit einbezogen werden. Bislang fehlen sie. International – beispielsweise in den Unesco-Richtlinien – wird unter Inklusion eine Bildungsreform verstanden, die die Vielfalt aller Lernenden befürwortet und unterstützt. Betont wird vor allem die soziale Verantwortung von pädagogischen Einrichtungen, Armut durch Bildung zu bekämpfen. Dazu seien umfassende Systemänderungen nötig, sowohl bei den Inhalten als auch bei den Herangehensweisen und Strukturen. Es geht um einen Blickwechsel weg vom „Kind als Problem“ hin zum „System als Problem“. Das Bildungssystem ist es, das verantwortlich für die Sicherung des Rechts auf Bildung für alle ist. Diesem Inklusionsbegriff liegt ein erweitertes Verständnis von Diversität zugrunde, das kulturelle Pluralität mit ethnischer Herkunft, Sprache und Religion einschließt.

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Wo Heterogenität als Ressource gilt, kann eine grundlegende Anerkennung wachsen, die universelle Gemeinsamkeiten von Kindern und Jugendlichen, kollektive Unterscheidungen und unverwechselbare, individuelle Besonderheiten zugleich zu schätzen vermag“ (Andrea Platte, 2009).

In deutschen Schulentwicklungsplänen, Aktionsplänen der Länder und des Bundes, die eine „Schule für alle“ anstreben, wird unter „Inklusion“ regelmäßig nur der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung verstanden. Interkulturelle Aspekte dagegen, wie ethnische Herkunft, Mehrsprachigkeit, Religion, aber auch die Themen Rassismus und Diskriminierung kommen in der Inklusionspädagogik kaum vor. VertreterInnen der interkulturellen Pädagogik beteiligen sich spärlich an Debatten zur Inklusion, und die Studiengänge zur inklusiven Pädagogik richten sich nach wie vor weitestgehend auf Menschen mit Beeinträchtigungen aus. Auch die Online-„Zeitschrift für Inklusion“ enthält fast nur Beiträge zur Integration von Menschen mit Behinderung.

In Deutschland und Europa sind Kinder mit Migrationshintergrund unter den SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf überrepräsentiert. Daher verlangt die „Europäische Agentur für Entwicklungen in der sonderpädagogischen Förderung“, den spezifischen Unterstützungsbedarf von Kindern mit Migrationshintergrund und sonderpädagogischem Förderbedarf in den Inklusionsdiskurs einzubeziehen. Aufgabe der PädagogInnen sollte es sein, die sprachlich-kulturelle Vielfalt ebenso wie unterschiedliche körperliche und geistige Lernvoraussetzungen zu berücksichtigen. Denn ohne interkulturelle Aspekte kann der Aussonderung von Schülern mit Migrationshintergrund auf Förderschulen nicht entgegengesteuert werden. Weil insbesondere beim sonderpädagogischen Personal allzu häufig interkulturelle Kernkompetenzen fehlen, wird die unterschiedliche Sprachentwicklung und Sprachkompetenz von Kindern mit Migrationshintergrund in ihrer Erstsprache in den diagnostischen Verfahren nicht beachtet.

Der Besuch einer Sonderschule bedeutet nicht nur, dass Kinder um eine gleichberechtigte Teilhabe am Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt gebracht werden. Es heißt auch, dass sie aus ihrer Wohn- und Lebensumwelt ausgegrenzt werden. So steht das deutsche Schulsystem nicht unbegründet in der Kritik, die Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen zu behindern. Gesellschaftliche Teilhabe kann nur durch den Zugang aller zu inklusiver Bildung gelingen.

Hier geht es zum ersten Teil der Reihe „Dossier: Inklusion“. Im dritten Teil lesen Sie das Interview mit Prof. Kerstin Merz-Atalik zur Überrepräsentanz von Migrantenkindern auf Förderschulen. Aktuell Gesellschaft Meinung

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