Türkische Presse Europa
11. und 12.06.2009 – Visafreiheit, EU-Beitritt Türkei, Islam
Die Europaausgaben der türkischen Zeitungen beschäftigen sich heute vornehmlich mit der Visafreiheit für türkische Staatsbürger. Das türkische Außenministerium hat sich zu den Verfahrensregelungen der deutschen Botschaft geäußert. In diversen Berichten werden ferner das Ergebnis der Europawahl sowie die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei diskutiert. Weitere Themen sind unter anderem der Integrations-Indikatorenbericht der Bundesregierung und das Anerkennungsverfahren für ausländische Abschlüsse.
Freitag, 12.06.2009, 22:31 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 24.08.2010, 19:28 Uhr Lesedauer: 7 Minuten |
Deutscher Botschafter erörtert Visaregelungen
Der deutsche Botschafter in Ankara, Dr. Eckart Cuntz, hat in einem Gespräch mit der MILLIYET die Regelungen zur Visafreiheit für türkische Staatsbürger erörtert. Der Botschafter betonte, dass die neuen Regelung nicht die Einreise nach und den Aufenthalt in Deutschland zum Zweck der Entgegennahme von Dienstleistungen betrifft.
Die Visafreie Einreise für türkische Touristen sei vom Soysal Urteil des EuGH nicht erfasst. Voraussetzung sei, dass der geplante Aufenthalt der Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung als Arbeitnehmer im Dienst eines Arbeitgebers mit Sitz in der Türkei als Kraftfahrer im grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr oder im Zusammenhang mit Montage-, Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten an von einer Firma aus der Türkei gelieferten Anlagen oder Maschinen oder der Erbringung von entgeltlichen Dienstleistungen in der Form von Vorträgen oder Darbietungen von besonderem künstlerischen Wert anerkannter Künstler, Vorträgen und Darbietungen von besonderem wissenschaftlichen Wert und Darbietungen sportlichen Charakters von Berufssportlern, dient.
Um Probleme an der Grenze weitgehend auszuschließen, empfiehlt Cuntz, sich vor Einreise nach Deutschland eine „Bescheinigung über die visumfreie Einreise“ bei den deutschen Auslandsvertretungen in der Türkei einzuholen. „Die Bescheinigungen der deutschen Auslandsvertretungen binden die deutschen Grenzbehörden allerdings nicht“, räumt der Botschafter ein.
HÜRRIYET berichtet, dass die Turkish Airlines (THY) hinsichtlich der Visafreiheit eine Anfrage bei der deutschen Botschaft stellen werde. In der praktischen Umsetzung der Richtlinie bestünden noch Fragen. HÜRRIYET kritisiert ferner, dass die Grenzpolizei im Flugzeug Passkontrollen durchführt. Das sei erniedrigend. Auch seien nur Flieger betroffen, die aus der Türkei kommen. Ein Polizeibeamter in Frankfurt habe erklärt, dass die üblichen Kontrollen im Flughafen durchgeführt werden. Über die Kontrollen im Flugzeug könne er keine Auskunft geben.
Türkisches Außenministerium kritisiert Visabestimmungen
Das türkische Außenministerium bezeichnete das Verfahren zur Visafreiheit als kompliziert, berichten die MILLIYET, ZAMAN und TÜRKIYE. Das EuGH-Urteil sei einfach strukturiert; auch die Umsetzung müsse ohne viel Bürokratie erfolgen.
Der Pressesprecher Burak Özügergin kritisierte überdies die Trennung in aktive und passive Dienstleistungsfreiheit. Weder das EuGH-Urteil noch das Zusatzprotokoll sehe eine derartige Einschränkung vor. Er erwarte von der EU-Kommission, dass sie das EuGH-Urteil vollständig in die Richtlinie einarbeite. Das Ministerium habe dafür sowohl der deutschen Regierung, als auch der EU-Kommission entsprechende Stellungnahmen zugestellt.
Steinmeier: „Ich befürchte, die Union wird die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Wahlkampf instrumentalisieren“
Was heißt privilegierte Partnerschaft? Dieser Frage geht die ZAMAN in seiner heutigen Ausgabe nach. Eine Antwort bleibt die Redaktion schuldig. Zu Wort kommt der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, der eine EU-Mitgliedschaft der Türkei begrüßt. Die Türkei müsse aber den Reformprozess weiterführen. Was eine privilegierte Partnerschaft bedeute, wisse auch der Außenminister nicht. Steinmeier befürchte aber, dass die Union den EU-Beitritt der Türkei im Wahlkampf instrumentalisieren werde.
Ertug kann SPD-Haltung in Sachen Kommunalwahlrecht und doppelte Staatsbürgerschaft nicht erklären
Ismail Ertug, neuer Europaabgeordneter der SPD, hat die Ergebnisse der Europawahl kommentiert. In einem Interview mit der MILLIYET, sagte Ertug, dass die SPD ihre Stammwählerschaft nicht mobilisieren habe können. Auch die Migranten seien nicht Wählen gegangen. Das habe dazu geführt, dass auch rechtsextreme Parteien den Sprung ins Parlament geschafft haben. Zu seiner persönlichen Wahl sagte Ertug, dass er das Vertrauen der Wähler verdient habe.
Auf die Frage, warum die SPD ihre Wahlversprechen etwa in Sachen Kommunalwahlrecht oder doppelte Staatsbürgerschaft nicht einhält, konnte Ertug nicht beantworten. Er bat den Journalisten hierzu die Bundestagabgeordnete Lale Akgün anzusprechen.
Die Sozialdemokraten hatten im April bei einer Abstimmung im Bundestag gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gestimmt. Dabei hatte der Parteivorsitzende Franz Müntefering das Options-Modell kurz davor als „unsinnig“ bezeichnet. Auch stimmte die SPD im Mai gegen die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer aus Nicht-EU-Ländern, obwohl die Sozialdemokraten in der Vergangenheit immer wieder für ein Ausländerwahlrecht geworben hatten.
Faruk Sen mahnt vor Entfremdung zwischen der EU und der Türkei
In einer Gastkolumne analysiert Faruk Sen die Europawahlen. Sen lenkt zunächst den Blick auf die geringe Wahlbeteiligung und den Erfolg rechtspopulistischer Parteien. Rund 50 Sitze im Europäischen Parlament seien demnächst von rechtsextremen Politikern besetzt. Auch die Wahlbeteiligung Türkischstämmiger sei gering ausgefallen.
Sen wagt in seiner Analyse auch eine Prognose zur EU-Mitgliedschaft der Türkei. Ein EU-Beitritt der Türkei sei vor 2021 nicht realistisch. Das EU-Parlament sei in seinen Entscheidungen auch nicht gerade Türkeifreundlich; so etwa in der Frage der Visafreiheit. Das führe zur Entfremdung. Das betreffe auch die rund 5 Millionen türkischstämmigen Bürgern, die in der EU leben. (TÜRKIYE)
Die Lage der Migranten in Deutschland weiterhin schlecht
Die ZAMAN berichtet über den Integrations-Indikatorenbericht der Bundesregierung. In Deutschland lebende Migranten seien doppelt so häufig arbeitslos wie Bürger ohne Migrationshintergrund. Auch seien Einwanderer und deren Kinder öfter von Armut bedroht. Verbessert habe sich ihre Lage in den letzten zehn Jahren kaum. Mit dem Thema hatten sich gestern die TÜRKIYE, SABAH und HÜRRIYET ausgiebig befasst.
Berlin vereinfacht Anerkennungsverfahren für akademische Abschlüsse
Das Bundesland Berlin will die Anerkennung ausländische Hochschulabschlüsse vorantreiben, berichtet die ZAMAN. Das Anerkennungsverfahren für akademische Abschlüsse aus dem Ausland soll vereinfacht werden. Die Zuständigkeit für die Anerkennung liege bei den Ländern.
Landeszentrale für politische Bildung NRW: „Islam ist nicht Islamismus“
„Die Begriffe Islam und Islamismus dürfen nicht gleichgesetzt werden. Diese Tatsache vor allem Jugendlichen deutlich zu machen, ist eine wichtige Aufgabe der politischen Bildung“, betonte die Leiterin der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen, Maria Springenberg-Eich am Mittwoch in Düsseldorf. „Es ist Teil unserer Demokratie, den Muslimen den Freiraum zu garantieren, innerhalb unserer Gesellschaft ihren Glauben im Rahmen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu leben“, stellte Springenberg-Eich klar.
DeuKische Generation stellt TV-Spot vor
Die SABAH und TÜRKIYE berichten über die Gala-Veranstaltung der Initiative „DeuKische Generation“. Am Mittwochabend stellte die Initiative im Haus der Kulturen der Welt einen Spot vor, der auf verschiedenen TV-Sendern und Websites die folgende Botschaft verbreiten soll: „Stop Vorurteile und ändere Deine Perspektive“. An der Veranstaltung haben unter anderem die Staatsministerin für Integration, Prof. Dr. Maria Böhmer, der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir und der türkische Botschafter Ahmet Acet haben an der Veranstaltung teilgenommen.
Nachtrag: Türkische Presse Europa vom 11.06.2009
(Hinweis: Die Zeitungen werden an Feiertagen nicht zugestellt)
Wowereit will kulturellen Austausch zwischen Berlin und Istanbul vertiefen
Der regierende SPD-Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, sagte auf Anfrage der HÜRRIYET, dass er sich sehr wohl vorstellen kann in Istanbul zu leben. Seine Geburtsstadt Berlin werde er aber nicht verlassen. Wowereit wolle den kulturellen Austausch zwischen beiden Metropolen vertiefen. Wowereit wird nächste Woche in Istanbul erwartet.
Insolvenzantrag von Karstadt stürzt Belegschaft in Krise
Die SABAH berichtet über den Insolvenzantrag des angeschlagenen Handels- und Warenhauskonzerns Arcandor. Am Montag hatte die Regierung einen Antrag auf Hilfen aus dem Deutschlandfonds und den als letzte Chance gehandelten Rettungskredit abgelehnt.
Grünen stärkste Kraft in Stuttgart
Die Grünen sind stärkste Kraft in Stuttgart. Darüber berichtet die MILLIYET. Das ist ein historischer Sieg, bewertet die Zeitung den Stimmenzuwachs der Grünen. Auch in Köln habe die Fraktion ihr Stimmenanteil erhöht. Die Partei sei nach der CDU nunmehr die zweitgrößte Fraktion im Kölner Stadtrat.
DOSB feiert 20-jähriges Bestehen des Programmes „Integration durch Sport“
HÜRRIYET und MILLIYET berichten über das 20-jährige Bestehen des Programmes „Integration durch Sport“. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble habe die integrative Kraft des Sports hervorgehoben. „Sport formt und stärkt unser Zusammenleben in geradezu idealer Weise, denn durch sportliche Begeisterung entsteht der Zusammenhalt, der die Menschen zusammenrücken lässt“, erklärte Schäuble. Auch DOSB-Präsident Thomas Bach habe die Integration als eines der wichtigsten gesellschaftspolitische Ziele des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) bezeichnet.
Steinmeier kritisierte die türkische Oppositionspartei CHP
Steinmeier kritisierte die türkische Oppositionspartei CHP. Darüber berichtet die HÜRRIYET. Dass die CHP die türkische EU-Bewerbung nicht unterstütze, habe eine „Distanz“ zwischen der CHP und europäischen Sozialdemokraten geschaffen, sagte Steinmeier. Türkische Presse Europa
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