Monika Lazar
Hohe Wahlbeteiligung ist der beste Schutz der Demokartie vor ihren Feinden
2009 ist für Deutschland ein Superwahljahr. Politische Präferenzen konnten und können zum Ausdruck gebracht werden bei der Bundestagswahl im September, bei 8 Kommunal-, 5 Landtagswahlen und nicht zuletzt bei der Europawahl am 7. Juni. Die Parteien werben vor allem mit ihrer Kompetenz zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise. Keine Rettung ist ihnen im Wahljahr zu teuer. Doch wie halten sie es mit gesellschaftspolitischen Themen wie der Inklusion und Integration von MigrantInnen und Minderheiten?
Von Filiz Keküllüoglu Freitag, 19.06.2009, 7:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 19:56 Uhr Lesedauer: 9 Minuten |
Interview mit Monika Lazar 1
Ihre Partei wählt Cem Özdemir zum Parteichef und stellt somit als erste Partei eine Person mit Migrationshintergrund auf den höchsten Posten in einer deutschen Partei. Was bedeutet das für die Grünen in der Zukunft? Für die Wählerinnen und Wähler?
Auf alle Fälle ist es ein Signal an die gesamte Gesellschaft in unserem Land, dass Deutschland aus mehr als „Urdeutschen“ besteht, dass wir seit vielen Jahren Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund hier in unserem Land leben. Das muss man den konservativen Politikerinnern und Politiker in diesem Land immer noch sagen. Insbesondere für die CDU/CSU war es ja einfach ein ziemlich heftiger Schritt anzuerkennen, dass Deutschland wirklich ein Einwanderungsland ist. Sie sprechen jetzt von einem „Integrationsland“. Ich denke, langsam ist es auch in den konservativen Kreisen angekommen, dass es irgendwie völlig normal ist, dass wir nicht nur „blonde und blauäugige“ Menschen in unserem Lande haben. Die Bündnis 90/Die Grünen haben sich schon sehr frühzeitig damit beschäftigt, dass in unseren eigenen Parteistrukturen Leute mit Migrationshintergrund sich organisieren, sich wohl fühlen und dass sie dann natürlich auch gefördert werden.
Als Barack Obama seinen Eid für seine Präsidentschaft gelegt hat, saß Ihre Fraktion gebannt vor dem großen Bildschirm – mit Öko-Burgern und Coca Cola.. Was halten Sie von dieser Fixierung auf den neuen amerikanischen Präsidenten?
Man kann nachvollziehen, dass nach acht Jahren Bush der Wahlkampf von Obama was völlig neues, was ganz anderes war. Obama hat in Amerika ganz viele Leute emotional angesprochen. Ich denke, die meisten waren einfach froh, dass Bush endlich weg war und dass mit Obama es einer wirklich geschafft hat, der vor paar Jahren gar nicht die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Es zeigt sich, dass sich auch in Amerika einiges entwickelt hat, dass auch Leute wie Barack Obama endlich den höchsten Posten in seinem Lande erringen können.
Den amerikanischen Wahlkampf kann man natürlich nicht eins zu eins auf uns übertragen. Wichtig ist aber zu schauen, was wir für uns nutzen können. Er hat auch neue Netzwerke wie das Internet genutzt, was in unseren neuen Wahlkampfstrategien für dieses Jahr auch eine besondere Rolle spielen wird. Aber die gesamte Kampagne können wir uns schon allein aus finanziellen Gründen insbesondere als Grüne überhaupt nicht leisten. Das ist eine Seite vom amerikanischen Wahlkampf, die ich nicht als übernehmenswert finde. Geld ist nicht alles; man kann auch mit wenig Mitteln guten Wahlkampf machen. Das haben wir Grünen ja in den letzten Jahren immer wieder bewiesen.
Stichwort: „Mit wenig Geld gute Wahlkampf-Kampagne“. Sie kommen aus Sachsen, wo zum Teil mehr NPD- als Grüne Abgeordnete sowohl im Landtag als auch in Kreistagen sitzen. Wie können Sie mit wenig Geld gute Wahlkampf-Kampagne starten, um erfolgreich gegen die NPD wirken zu können?
Na ja, die NPD hat ja in den letzten Jahren gezeigt, dass sie gar nicht ihre Versprechen einhält, die sie im Wahlkampf postuliert hat. Sie wollte sich um soziale Themen kümmern. Das ist nicht passiert. Sie nutzt meistens immer in ihrer Szene populäre Themen. Wir müssen zeigen, was die NPD versprochen hat, was sie gemacht hat, bzw. nicht gemacht hat. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich unsere Schwerpunkte voranstellen. Da wir auch wenig Geld haben, wird es stark darauf ankommen, wie wir als Kandidatin und Kandidaten auftreten. Wenn wir glaubwürdigere Kandidatinnen und Kandidaten haben, die Vorort verwurzelt sind, zeigen wir dadurch, dass wir es besser können. Wir müssen immer wieder darauf hinweisen, dass die NPD keine „normale“ Partei ist – selbst wenn sie in den Parlamenten sitzt. Sie ist keine demokratische Partei. Wir müssen immer wieder aufklären, dass sie die Parlamente und die Demokratie abschaffen will.
NPD, sagen Sie, ist keine normale Partei. Wenn aber die Linken und die SPD dafür plädieren, die NPD zu verbieten, sind Sie eigentlich strikt dagegen, warum?
Sowie in allen Gruppierungen unseres Landes wird auch bei den Grünen dieses Thema kontrovers diskutiert. Als Bundesfraktion haben wir uns aber mehrheitlich entschieden, dass wir aktuell kein neues NPD-Verbot fordern. Das hat folgende Gründe. Das Scheitern des Verbotsversuches lag hauptsächlich daran, dass insbesondere auf der Führungsebene der NPD V-Leute vorhanden sind. Solange die Innenminister von Bund und Ländern die V-Leute nicht abziehen, wäre es nicht sinnvoll, einen neuen Verbotsversuch zu starten. Wenn ich eine Partei verbiete, dann zerschlage ich die Strukturen, aber die Menschen werden sich in anderen Gruppierungen wieder sammeln. Eigentlich ist es sehr einfach, die NPD bedeutungslos zu machen. Insbesondere in Sachsen sage ich immer wieder, dass viele Leute zur Wahl gehen und dass alle Leute demokratisch wählen sollen. Wenn die NPD nämlich unter fünf Prozent kommt, ist sie nicht mehr im Parlament. So bekommt sie nicht mehr die vielen Gelder. Wenn sie auch in den Kommunalparlamenten nicht mehr so häufig gewählt wird, wäre das gut. Das heißt – ein Appel an alle wahlberechtigten Menschen in diesem Lande: Geht wählen. Wählt demokratisch. Und so haben wir die NPD sehr schnell und ohne viele Jahre mit Gerichten zu drohen, in die Bedeutungslosigkeit verdammt.
- Monika Lazar ist seit 2005 Bundestagsabgeordnete. Sie ist Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, Mitglied des Petitionsausschusses, stellvertretendes Mitglied des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Innenausschusses.
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