Brückenbauer
„Knowing is not enough, we must apply“
„Ich hab’ ja an sich nichts gegen Ausländer, aber...“. Diesen Satz hat man mir schon öfter unverblümt ins Gesicht gesagt, so im vertrauten Gespräch, am Stammtisch, unter vier Augen, Du weißt schon! Das ist kein Einzelfall!
Von Nadim Gleitsmann Donnerstag, 15.03.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 20.03.2012, 7:46 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bedenkt man Bestseller mit medialer Omnipräsenz und xenophoben Ausbrüchen in deutschen Parlamenten, so kommt man leicht zu dem Schluss: Intoleranz ist wieder salonfähig und Rassismus alltäglich!
Dabei hat man uns das am Schreckensbeispiel unserer eigenen deutschen Geschichte doch aberziehen wollen. Das hätte ich mir nie träumen lassen, zumal meine Großmutter, die ich erst neulich in ihrem Rolli zu ihrem geliebten Orgelkonzert in die Kirche kutschierte, Zeitzeugin der grausamen Ära ist und dabei Vater und Sohn verlor.
Das Grauen ist noch ebenso grau und nah wie die Göbbels-Doku zu Hause auf der Mattscheibe. Klar, niemand will mit Rechtextremisten etwas zu tun haben und keiner kennt sie. Aber Rechtsextremisten sind ganz offensichtlich Teil unserer Gesellschaft und mitten unter uns, und zwar in allen Bildungs-, Alters- und Einkommensschichten. Die sichtbaren Neo-Nazis sind „nur“ die Spitze des Eisberges. Das Problem, das wir einsehen und ändern müssen, sind die unsichtbaren Rassisten im Dreiteiler. Es tröstet nicht darüber hinweg, dass nicht nur wir Deutschen diese Krankheit namens Intoleranz haben. Mit Gedenkveranstaltungen haben wir alle unseren obligatorischen Betroffenheitsduktus zelebriert. Doch Schweigen als Heilmittel gegen Nazi-Terror ist suspekt und Sonntagspredigten sind nur dann wertvoll, wenn den Rest der Woche auch danach gehandelt wird. Bruce Lee sagte einst „knowing is not enough, we must apply“. Mit den Gastarbeitern, die wir für wirtschaftliche Prosperität einluden, hätten wir Neuerlerntes praktizieren können. Das taten die Deutschen zuerst auch. Türkische Gastarbeiter durften ihre Gebete sogar in Kirchen verrichten. Heute wäre das undenkbar bzw. ein gefundenes Fressen für die Medien, die uns eigentlich plural informieren und als vierte Säule im Staat zur Meinungsbildung beitragen sollen.
1973 kam dann die Ölkrise, die Kanzler Willy Brandt dazu veranlasste die Anwerbung von Gastarbeitern auszusetzen und mittelfristig zu verringern. Die Gastarbeiter sollten unter sich bleiben, um ihre „Rückkehrfähigkeit“ zu erhalten. So wurden die ersten Gastarbeiterkinder oft in ihren Herkunftssprachen unterrichtet. Doch langfristig wurden es mehr statt weniger, denn von denen, die schon da waren, kehrte kaum einer zurück. Die Befürchtung seitens der neuen Arbeitskräfte war nie mehr nach Deutschland wiederkehren zu können, um zu arbeiten. Wieso auch zurückkehren? Es bedeutete Entwicklung für Deutschland und das Herkunftsland. Somit blieben sie und holten ihre Familien nach. Das erscheint zunächst logisch, erwies sich wie einige meinen allerdings als „kontraproduktiv“. So gesehen ist es „Unglück“ im Glück. Richtig! Zuwanderung war und ist für Deutschland super! Einwanderung ist heute mehr denn je eine ökonomische Notwendigkeit. Abgesehen von menschlichen Werten wie Freizügigkeit und der kulturellen Bereicherung hat Deutschland einen Bedarf an niedrig-, mittel- und insbesondere hochqualifizierten Arbeitskräften. Hinsichtlich der demographischen negativen Entwicklung ist es ein probates Mittel zum Zweck, um Deutschland in der Globalisierung wettbewerbsfähig zu halten und weiterhin ganz vorne mitzumischen. Das hat die Wissenschaft schon längst erkannt, was sukzessive Einzug in die Politik findet, aber noch nicht so richtig in (allen Teilen) der Gesellschaft angekommen ist. Mit der Umsetzung hapert es bei einigen noch. Denn es werden populistische Parolen bedient, um Quoten zu generieren, indem das aufgegriffen wird, womit die Medien die Menschen zuvor gefüttert haben. Klar, kurz gedacht, es geht ums Geld! Nur wo bleibt die Menschlichkeit? Gerade wir mit unserem Eklektizismus aus christlich-abendländischer Nächstenliebe und Aufklärung, sollten diese Werte verinnerlicht haben und praktizieren. Ganz wie Meister Lee einst konfuzianisch anmutend zu sagen pflegte (der ganz nebenbei in die USA immigrierte und dort – welch kulturelle Bereicherung – zur Popikone wurde).
Wenn die Neo-Nazis sich demnächst zum „Tag der deutschen Zukunft“ treffen, frage ich mich, in welcher Dystopie diese Misanthropen schwelgen. Als vermeintliche Wächter des Vaterlandes gegenüber Überfremdung vergehen sie sich zynischerweise an ihrer eigenen Heimat. Hinsichtlich der demografischen Vorzeichen und des internationalen Wettbewerbes ist es der totale „Hochverrat“. „Wahre Patrioten“ sind allenfalls Menschen, die sich interkulturell engagieren, Brücken bauen und damit Deutschland aktiv gestalten. Migration und Integration sind die Zukunft Deutschlands. Das zu wissen reicht nicht, wir müssen es anwenden. Aktuell Meinung
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Migration löst keine demographischen Probleme, es schiebt sie nur ein bisschen in die Zukunft und verschleppt sie damit.
Migration steht in gewisser Weise sogar der Lösung des Demografieproblems einer modernen Gesellschaft entgegen. Denn diese vermeindlich einfach Lösung (Migration) verhindert, dass man sich mit einem familien- und kinderfreundlichen Umbau der Gesellschaft beschäftigt.
Dazu kommt, dass viele gerne die zahlreichen Probleme, die durch Migration vorallem aus kulturfremden Gesellschaften entstehen, verdrängen.
Die Zukunft Deutschlands ist definitiv Integration, aber nur bedingt neue Migration, vorallem nicht in der Art und Weise wie sie in den letzten Jahrzehnte zu beobachten war.
Wann begreift endlich die Mehrheit, dass nicht nur Rechtsextremisten Rassisten sein können, sondern auch Linke, und Grüne, und unpolitische Menschen?
@Pepe „….. Rechtsextremisten Rassisten sein können,…“ ???
Ich dachte, sie seien es per Definition!
Bei Deiner Gleichsetzung mit „Grünen“, Linken“ und „unpolitischen Menschen“ wären diese also in jedem Fall ebenfalls alle Rassisten.
Wenn Du eine Aussage treffen möchtest, die dieser Logik entspricht, liegst Du richtig.
Möchtest Du noch Spielraum für Differenzierungen zulassen, solltest Du das deutlicher machen.
Ein Rechtsextremist ist nicht immer ein Rassist. Ein mir bekannter Grieche hat einen Neonazifreund. Ein Junge aus Guatemala in meinem Wohnheim ist ebenfalls mit einem Neonazi befreundet. Sowohl der Grieche als auch der Guatemaler sind braunhäutig. Ihre Antwort darauf?
Ich will Ihnen nichts vorwerfen, aber meine einzigen Erfahrungen mit Rassismus und Ausgrenzung habe ich Linksgrünen zu verdanken :)
Komplexität der Verhältnisse führt zu Unschärfe in unseren Beobachtungen.
Diese Unschärfe haben wir zu berücksichtigen, wollen wir keine unzulässigen Komplexitätsreduzierungen vornehmen.
Wer die Dinge gerne überschaubar und einfach hat, dem muss die Unschärfe, die Komplexität im Gefolge hat, natürlich ein Graus sein.