DIW
Klagen über Fachkräftemangel überzogen?
Für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sind die Klagen über Fachkräftemangel überzogen. Der Zulauf auf ingenieurwissenschaftliche Studienplätze lasse eher Überangebot erwarten.
Donnerstag, 15.03.2012, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 20.03.2012, 7:46 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Seit Jahren beklagt der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) einen Mangel an Ingenieuren in Deutschland. Mit seinen jüngsten Zahlen gibt er nun an, dass das Durchschnittsalter der Ingenieure bei gut 50 Jahren liege und daher in den nächsten 10 bis 15 Jahren die Hälfte aller Ingenieure in den Ruhestand wechseln werde. Hieraus leitet der VDI schon heute einen jährlichen Ersatzbedarf von 40000 Ingenieuren ab. „Diese Forderungen kann ich nicht nachvollziehen“, so Karl Brenke, Arbeitsmarktexperte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), der die VDI-Angaben den Daten des Mikrozensus und der Bundesagentur für Arbeit gegenübergestellt hat.
Keine ausgeprägte Überalterung zu erkennen
Laut Mikrozensus waren 2008 in Deutschland rund 750000 Ingenieure tätig. Ihr Durchschnittsalter lag bei 43,3 Jahren. Weniger als ein Drittel von ihnen war 50 Jahre und älter. „Obwohl Ingenieure durch ihre lange Ausbildungsdauer vergleichsweise spät in den Arbeitsmarkt eintreten, liegt der Altersdurchschnitt nicht höher als bei anderen akademischen Berufen“, so der DIW-Experte. Da es in den letzten Jahren keine radikalen politischen Maßnahmen oder Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt für Ingenieure gegeben habe, geht der DIW-Experte davon aus, dass sich die Altersstruktur der Ingenieure allenfalls geringfügig verschoben haben kann. „Ich halte es nicht für realistisch, dass von 2008 bis heute das Durchschnittsalter um sieben Jahre auf 50 bis 51 Jahre gestiegen ist“, so Brenke. Dies wird auch durch die aktuelle Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit von Juni 2011 gestützt.
DIW Berlin erwartet einen Ersatzbedarf von höchstens 20 000 Ingenieuren
„Ein jährlicher Bedarf von 40000 Ingenieuren – allein um die Ruheständler zu ersetzen – ist aus den vorliegenden Zahlen nicht realistisch abzuleiten“, so Brenke, „denn dann müssten alle erwerbstätigen Ingenieure, die heute 50 Jahre und älter sind, innerhalb von 5 ½ Jahren in den Ruhestand wechseln.“ Das DIW Berlin geht von einem etwa halb so großen Ersatzbedarf an Ingenieuren für die kommenden Jahre aus. „Wenn man fair rechnet, kommt man auf ungefähr 20000 Personen, die jedes Jahr aus Altersgründen ausscheiden“, sagt Brenke.
Künftiger Bedarf lässt sich durch Uniabsolventen decken
Aufgrund des Aufschwungs nach der Finanzkrise ist die Zahl der Ingenieure insgesamt gestiegen – bei den Sozialversicherungspflichtigen zwischen 2008 und 2011 um durchschnittlich 1,5 Prozent pro Jahr. „Diese Zuwachsrate ist zwar nicht gering, aber auch nicht viel höher als beim Durchschnitt aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten“, sagt Brenke. Dort lag sie bei 1,1 Prozent. „In den letzten Jahren hat es einen regelrechten Run auf ingenieurwissenschaftliche Studienplätze gegeben“, so der DIW-Arbeitsmarktexperte. So haben 2010 rund 50000 Studenten ihr Studium in einem industrienahen Ingenieurstudiengang absolviert. „Allein die Absolventen, die gegenwärtig aus den Unis kommen, können den Gesamtbedarf an Ingenieuren decken.“ Brenke plädiert daher für eine realistischere Betrachtung des Ingenieurbedarfs im laufenden Jahrzehnt. „Der Berufseinstieg kann für junge Ingenieure zunehmend schwierig werden, wenn es eine Absolventenschwemme gibt.“ (etb) Aktuell Wirtschaft
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der gesamte Akademikermangel beruht auf einem kulturellen Missverständnis! Ich hab genug auf diesem Gebiet recherchiert und kann das deshalb mit Fug und Recht behaupten.
Alles fing damit an, dass die OECD seit den 1990er Jahren die Akademikerquoten der Länder verglich und für DE einen Akademikermangel konstatierte, erst seit dem sah die deutsche Wirtschaft ein Problem darin! Bis in die 1980er Jahre fürchtete die Wirtschaft hier eher eine Akademikerschwemme.
nun ist es aber so, dass die OECD Äpfel mit Birnen vergleicht. Sie vergleicht Gesamtschulländer mit dem mehrgliedrigen stratifizierten Bildungssystem in der BRD. In Gesamtschulländern ist es aber üblich, dass möglichst viele Schüler lange zur Schule gehen und erst danach kommt Höhere Bildung! Höhere Bildung ist aber alles nach Schulbildung! Die Ausbildung in DE ist eine Sekundarstufe 2 nach der ISCED Klassifikation. Selbe Berufe sind anderswo ein Studium.
hier: http://en.wikipedia.org/wiki/Higher_education
http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/TOPICS/EXTEDUCATION/0,,contentMDK:20298183~menuPK:617592~pagePK:148956~piPK:216618~theSitePK:282386,00.html
übersetzt heißt das: wenn man also in anderen Ländern von Akademikern spricht, meint man damit ein viel größeres Segment als die Deutschen! Man redet formidabel aneinander vorbei!
Das sind kulturelle Differenzen.
ein weiterer Akteur, der Verwirrung um den Akademikermangel gestiftet hat, ist das IW Köln – ein arbeitgebernahes Institut! Dort verglich man die Ingenieurszahlen Deutschlands mit denen anderer Länder weltweit und konstatierte einen dramatischen Ing.-Mangel!
Das Problem war aber mal wieder: was hier eine duale Ausbildung ist wie Indutriemechanik oder Schweißer, ist im Ausland ganz oft mit in der Studierqote 5A oder 5B der ISCED, es zählt dort damit zu den tertiären Bildungsgängen und Studiengängen!
natürlich denke ich dann, ich hätte einen Ing.Mangel, wenn ich die Berufe hier als Ausbildung habe, die anderswo ein Studium sind!
dann gibts noch eine dritte Meinung: Gerhard Bosch, Bildungsforscher — hat eine ganz konträre Einstellung zum IW Köln, wie Brenke.
Bosch und Brenke meinen eher, dass der Ersatzbedarf an Ing.s und Akademikern ausreicht. Bosch sagt sogar, auch langfristig braucht man in DE nur 26% Hochqualifizierte. DAs IW Köln aber meint, aufgrund von Strukturwandel und Wachstum braucht man mehr Ingenieure als zuvor.
naja — also meine Meinung ist folgende: man braucht mehr Hochqualifizierte, weil sich Berufe verändern. Allerdings nicht in dem Segment, was man in DE als Akademiker deklariert. Biologen gibts genug. Es sind die anderen Berufe — diese müssten nach oben geholt werden und professionalisiert werden, z.B. die Pflege, Frühpädagogik, Zahntechnik….
da aber in DE das Bildungsniveau niedriger ist als anderswo, es gibt z.B. weniger mit langer Schulbildung, ist das natürlich schwer zu bewerkstelligen. Ursache für das ganze Missverständnis ist der Vergleich von Gesamtschulländern mit Deutschland, ein Land mit einem ausgeprägten Bildungsschisma, dass weltweit einmalig sein dürfte.
http://www.kmk.org/fileadmin/pdf/PresseUndAktuelles/2010/2010-09-06_PM-LangFinal.pdf
(Seite 11)
Was hat man eigentlich in DE gedacht, wer da alles als hochqualifiziert ausgebildet wird??? Etwa nur Biologen, Geografen, Ingenieure und Medziner ?? Das gibt aber Ungleichgewichte am Arbeitsmarkt — ist das wirklich niemanden aufgefallen, dass man die ganze Zeit die anderen Berufe meinte??
was gibts im Ausland alles an Bachelors, z.b. in Australien mit seiner Studienanfängerquote von ca. 90% (Finnlands Frauen sind bei 80%).
wir finden unter anderen Bachelors of dental technology, firefighting, Paramedic, Nurses, Veterinary Nurses/Technicians, Oral Health/Mondgezondheit, Dental Technology, Electrician, Welding Technology etc…
die Politik hat das immernoch nicht gerafft: in meinem Bundesland quetscht man in den wenigen in DE als akademisch deklarierten Fächer immer mehr Studenten rein. Es werden ja mehr Akademiker gebraucht – die verstehen: mehr Biologen, mehr Historiker, mehr Ingenieure….
natürlich wird es nachher eine Schwemme geben! Arbeitslose Biologen gibts schon genug!
man hätte die Fachhochschulen ausbauen müssen — Problem ist immer das stratifizierte mehrgliedrige Schulsystem dabei. Es fehlt zu vielen eine lange Schulbildung, die Ausbildungen werden alle immer auf Hauptschulniveau ausgewiesen, weil es eben noch diese Schule gibt.
ich möchte nicht gemein sein: aber es gibt da draußen wirklich viele länder, die ihre Bürger besser ausbilden als hier. Das sollen anderswo alles Hochqualifizierte sein. Auch die Krankenschwestern.
eure fehlenden Akademiker sitzen im „dual training“ und in Berufsschulen und Fachschulen als „mittlere Bildung“
http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6here_Bildung
„Der Begriff ‚höher‘ ist historisch entstanden, und bezeichnete früher die Gymnasien und Lyzeen der Knaben, und die höheren Töchterschulen (Mädchenschulen), die etwa ab Beginn des 19. Jahrhunderts eingerichtet wurden, und tatsächlich Bildungseinrichtungen für eine „höhere“ soziale und Berufsstellung waren. Heute wird der Ausdruck, obschon noch regional etabliert, aus Sicht der Chancengleichheit kritisch betrachtet: Abgesetzt wurde der Begriff gegen mittlere Bildung (Berufsbildung mit Lehrabschluss), der niederen Bildung (Volksschulabschluss) und ungebildet (keinerlei schulischer Abschluss).“
http://en.wikipedia.org/wiki/Higher_education
http://de.wikipedia.org/wiki/International_Standard_Classification_of_Education
Ausbildung ist Sekundarstufe 2 , Level 3 — da fehlt die schulische Oberstufe davor.
http://en.wikipedia.org/wiki/International_Standard_Classification_of_Education
Upper Secondary Education — da nicht regulär studienqualifizierend, sonst wär es Stufe 4. Das ist übrigens ebenfalls eine Anomalie des deutschen Bildungssystems und erfüllt nicht internationale Standards — jede Sekundarstufe 2 muss eigentlich Zugang zur höheren Bildung gewähren.
es macht mir trotzdem immer wieder Spaß eure Diskussionen über die Mangelerscheinungen zu verfolgen.
Nur nicht wundern nachher, wenn es nachher irgendwann doch viele Biologen gibt, die umschulen müssen.
hätte man in DE interkulturelle Kompetenz, dann wäre einen das sicherlich schon längst aufgefallen.
und nicht vergessen: Herr Sarrazin möchte unbedingt Akademikerkinder haben — Kinder von Krankenschwestern sind ihm nicht gut genug.
aber immer dran denken:
Ausbildungsbeginn Alter im Schnitt 19,8 Jahre – nur noch 28% unter 18
eure „upper secondary“ ist in Wirklichkeit schon längst postsekundär!
fängt im Abituralter an, wo anderswo eigentlich die upper secondary gerade abgeschlossen wird.