Partiziano
Deus @ macchina
Zwischen espressivem Druck in Bar und automotivierten Strafzetteln aus dem Urlaub sitze ich in der Küche eines Freundes und genieße Espresso nach sizilianischer Art - ziemlich raffiniert und starker Tobak für milde Mailänder Gemüter.
Von Marcello Buzzanca Dienstag, 15.05.2012, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 21.05.2012, 4:45 Uhr Lesedauer: 6 Minuten |
Dass die Küche auch zum Erhitzen der Gemüter führen kann, können all jene bestätigen, die schon einmal erlebt haben, wie sich die Gespräche bei Hauspartys langsam Richtung Küche bewegen, dort verharren und im Dunst von Kippen und Korn die Köpfe heiß laufen und die Argumente umso lauer werden. Jüngst saß ich in eben so einer kochenden Nische und mein Freund schäumte vor Wut, hatte ihn doch ein Strafzettel aus Italien erreicht, quasi ein später Urlaubsgruß, den er sich selbst geschickt hatte, weil er mit einem Rad auf dem Bürgersteig stand – in einem Dorf in Sizilien. Nein, diesen Strafzettel würde er sicher nicht bezahlen, sagte er mir. Das sei ein Inkassounternehmen und dieser Bescheid nur eine Art Avis hinsichtlich der eigentlichen Rechnung. Ich lachte laut.
Wie kommen die sizilianischen Straßenwächter auf die Idee, Strafzettel für das Stehen mit einem Reifen auf einem Bürgersteig zu verteilen? Das erinnerte mich an einen Freund, der ein Hotel auf Sizilien besitzt und mir bei meinem Besuch erzählte, er habe sich selbst ein paar Parkplätze vor das Hotel gemalt, weil es zu wenig gäbe. Die kommunalen Parkwächter hätten sich nur gewundert, woher denn diese Parkplätze plötzlich kämen, hätten ihm aber nichts nachweisen können und waren wohl zu faul, die Parkplatzmarkierungen zu übermalen. Bei 40° im Schatten wundert das niemanden und im Winter ist das Hotel sowieso geschlossen.
Geöffnet war hingegen die private Kaffeebar meines Freundes, der immer noch mit diesem Strafzettl haderte, während ich in der ADAC-Zeitschrift blätterte:In Italien wird bei einem Alkoholgehalt von mindestens 1,5 Promille das Auto enteignet, wenn Fahrer und Eigentümer identisch sind; Die italienische Polizei fordert bei bestimmten Verstößen wie Übertretungen des Tempolimits nachts, zwischen 22 und 7 Uhr, um ein Drittel höhere Geldbußen als am Tag.
Es scheint doch klar, dass auch die italienische Polizia Stradale ihren Nachtzuschlag bezahlt haben möchte und was den nächtlichen Verkehr angeht, passen Bußgelder einfach zum katholischen Italien, wobei der Papst ja einen Mercedes-Benz G 500 als Papamobil für seine öffentlichen Mittwochsaudienzen nutzt, aber im Prinzip in jedem Land, in das er unaufgefordert eindringt, eine eigene Version geschenkt bekommt. Ob diese auf Kuba die Form einer sozialistischen Zigarre (diese glühen stärker rot und sind eher sichelförmig) haben oder eher einer jener Oldtimer sein wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht darf Benedetto ja auch Neues wagen und eine Importkarre erwerben. Das dürfen seit letzten Herbst schließlich auch alle Kubaner, vorausgesetzt, sie zahlen mit Geld, dass sie im Interesse des Staates verdient haben. Und dann auch nur alle fünf Jahre. Fest steht in jedem Fall, dass die Anonymous-Italia-Hacker ganz automotiviert der offiziellen Webseite des Vatikan für einige Stunden einen Platten verpasst haben.
Ja, abwarten und Tee trinken… oder lieber doch un buon caffé! Bitte die sizilianische Variante, sage ich zu meinem Freund. Die sei laut Tchibo nämlich eher kräftig-intensiv mit vollem Körper und außerdem ziert die Packung das Bild einer rustikalen masseria, also eines Bauernhauses. Die Mailänder-Art hingegen ist elegant-fruchtig mit sanfter Schokoladen-Note – und natürlich hell, denn im Schatten des Doms wird man ja schwer braun. Ok, also ein Bauer-Kaffee für uns Terroni (Erdfresser). Aber bitte beachten: Ein guter Espresso braucht mindestens 9 Bar .. am besten an der Theke und auf die Kralle. Eine Art Schutzgeld für guten Geschmack.
Wir sitzen da und trinken genüsslich unseren Espresso, ganz wie die Bauern mit dem Ellbogen auf dem Tisch und in einem fiesen sizilianischem Akzent schlürfend. „Und, wie war dein Vorstellungsgespräch bei FIAT?“ fragt mich mein Freund. RÜCKBLENDE: Die Fiat Deutschland GmbH sucht einen Pressesprecher. Mich natürlich, denke ich mir und bewerbe mich. Zu meiner Verwunderung werde ich angerufen und eingeladen. Dass man die Fahrtkosten nicht erstatte, nehme ich in dem Moment nicht ernst. Woher sollten die denn wissen, dass ich mit einem Renault anreise?
Pünktlich um 11 Uhr stehe ich also im Showroom. Pünktlich verspätet holt mich der deutsche Personalreferent ab und führt mich hoch in die wenig schmucken Verwaltungsräume. Wie denn ein typischer Arbeitstag als Pressesprecher aussehen würde, fragt er mich. Ich krame umständlich in meiner Tasche nach einer frischen FAZ, deute energisch auf einen Artikel und sage: Nun, ich würde eine Pressemeldung schreiben, dass Fiat viel schneller als andere mit der Auto-Produktion hinterherkommt. Keine Euphorie, stattdessen die nächste Frage: Warum haben Sie sich bei Fiat beworben? Tja, hole ich aus, als Kind seien wir immer mit einem Fiat nach Sizilien gefahren.
Überhaupt habe mein Vater nie andere Fahrzeuge (Alfa zählt nicht) gekauft. Die Begeisterung springt, anders als bei Kurbelwellen, nicht auf die andere Seite des Tisches. Welche Termine müssten Sie denn in den nächsten Wochen (es war Juni) im Auge behalten? Ich stammle etwas mit Marchionne und Chrysler. Was noch? Ich zucke mit den Achseln. Später würden mich meine Freunde auslachen: Wie kannst du dich bei Fiat bewerben und vergessen, dass im Oktober die IAA in Frankfurt ist? Ja, das war mir wohl entgangen, wobei ich die Vergesslichkeit mit Fiat Deutschland teile. Die hatten nämlich vollkommen übersehen, mir eine Absage zu schicken und schoben es dann, wie sollte es anders sein, auf einen Automatisierungsfehler. Da gewinnt der Begriff Bewerbungsverfahren eine neue Qualität.
Mein Freund, dessen Küche ich gerade besetze, schüttelt nur den Kopf. Ich sage ihm, man müsse doch irgendeinen Vorteil daraus ziehen können, wenn man sich als Italo-Deutscher bei Fiat bewerbe. Überhaupt müsste mir doch mal mein Migrationshintergrund zum Vorteil auf dem Arbeitsmarkt erwachsen. Da erinnere ich mich an ein anderes Gespräch. Ich saß dem selbsternannten Erfolgsmacher (Unternehmensberater) gegenüber und fragte ihn, warum er mich eingeladen habe. Er sagte: Vielleicht, weil Sie Italiener sind und ich da gerne hinfahre. Fahr doch zur Hölle – am besten im Papamobil. Das wehrt auch Feuerkugeln ab.
Ganz in Gedanken versunken schleicht sich der Strafzettel aus meiner Urlaubsheimat und Deutschsein-Refugium wieder in unser Blickfeld: Der Strafzettel, der mit einem dreiviertel Jahr Verspätung den letzten Sommerurlaub meines Freundes nochmals in sein Gedächtnis holt. Tja, in Italien dauert alles etwas länger, wie übrigens auch die IHK zu berichten weiß. In der März-Ausgabe der Außenwirtschaft aktuell heißt es, dass extrem lange Zahlungsfristen in Italien völlig normal sind. Nicht nur die Eurokrise sei verantwortlich für die miese Zahlungsmoral italienischer Behörden. Die Zahlungsfristen sind seit je her wesentlich länger als in Deutschland, heißt es weiter. Natürlich! Schließlich müssen die Geldströme ja viele Hindernisse passieren: Vulkane, Berge, Meere, Touristenansammlungen, heilige Pforten und sanierungsbedürftige Sehenswürdigkeiten. Mach dir nix draus, Mbare (Kumpel), sage ich zu meine Freund. Du bist Italiener in Deutschland und der Zahlungsempfänger ist der italienische Staat. Dreh den Spieß einfach um und lass die drei Jahre auf ihr Geld warten. Aktuell Meinung
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Genial :-)