Blue-Card
Bundesregierung ändert Regelwerk, Opposition und Fachwelt sind empört
Die Blue-Card soll ausländische Fachkräfte ins Land locken. Für die Opposition ist es eine Rote-Karte. Am Mittwoch schraubte die Bundesregierung am Regelwerk und erntete erneut breite Kritik - fauler Kompromiss, Lohndumping und Nützlichkeitsrassismus.
Donnerstag, 29.03.2012, 8:31 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 04.04.2012, 7:56 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Blue-Card, mit der ausländische Fachkräfte ins Land gelockt werden sollen, ist beschlossene Sache. Sie wird kommen. Nur die Feinjustierung ist noch abgeschlossen. Daher feilscht man munter am Regelwerk herum. So hat die Bundesregierung am Mittwoch (28.3.2012) in einem Antrag angekündigt, einiges ändern zu wollen. Die Fachwelt und auch die Opposition sind gar nicht erfreut darüber.
Laut Änderungsantrag soll mit der Blue-Card künftig zuziehen, wer mehr als 44 800 Euro jährlich verdient. Bislang galt eine Schwelle von 66 000 Euro. Für Hochqualifizierte in Mangelberufen soll die Gehaltsgrenze nun noch geringer sein. Dazu zählen insbesondere alle Ingenieure, akademische und vergleichbare Fachkräfte in der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Ärzte.
Sechs Monate für Jobsuche
Als weitere Neuerung ist die Einführung eines eigenen Visums zur Arbeitsplatzsuche geplant. Demnach sollen Nicht-EU-Ausländer für bis zu sechs Monate zur Jobsuche einreisen können. Um dauerhaft bleiben zu können, müssen dann die übrigen Voraussetzungen erfüllt werden. Dies soll kleinen und mittleren Unternehmen helfen, die sich nicht selbst im Ausland um Fachkräfte bemühen können oder wollen. So wird etwa auch das Suchjahr für ausländische Absolventen deutscher Hochschulen von 12 auf 18 Monate verlängert und die Erwerbsbeschränkungen aufgehoben.
Und schließlich soll auch Integrationsleistung erstmals im Ausländerrecht berücksichtigt werden. Wer gut Deutsch spreche, erhalte bereits nach zwei Jahren unbefristeten Aufenthalt und damit ein Jahr früher als üblich.
Fauler Kompromiss
Und genau das macht die Blue-Card zu einem „faulen Kompromiss“. So bezeichnet es jedenfalls Hans Heinrich Driftmann, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Driftmann: „Die Koalition hält damit ihre Zusage, die Grenzen für eine sofortige dauerhafte Niederlassungserlaubnis von derzeit 66.000 Euro auf 48.000 Euro abzusenken, nicht nur nicht ein, sie schafft sogar diese Form eines sofortigen Daueraufenthaltstitels komplett ab.“
In dieselbe Richtung geht auch die Kritik des migrationspolitischen Sprechers der Bundestagsgrünen, Memet Kılıç: „Bisher war eine Niederlassungserlaubnis angekündigt. Die Vergabe einer vorzeitigen unbefristeten Aufenthaltserlaubnis von den Deutschkenntnissen abhängig zu machen ist fatal. Ein Informatiker, für dessen Tätigkeiten die englische Sprache ausreicht, sollte nicht benachteiligt werden.“ So könne Deutschland nur noch auf die klugen Köpfe aus Österreich und der deutschsprachigen Schweiz hoffen.
Lohndumping und Nützlichkeitsrassismus
Die Kritik der Linkspartei geht in eine ganz andere Richtung. Sie befürchtet Lohndumping auf dem Rücken der ausländischen Fachkräfte. „Die Bundesregierung versucht sich zur Zeit an einer Neuauflage der gescheiterten Gastarbeiterpolitik der Bundesrepublik der 50er Jahre. Der sogenannte Fachkräftemangel ist nicht belegt und höchst umstritten. Die geplante Absenkung der Mindestverdienstgrenze von derzeit 66.000 auf 44.800 Euro und auf 34.944 Euro für sogenannte Mangelberufe hat lediglich das Ziel, offene Stellen rasch mit billigen ausländischen Fachkräften zu besetzen und so das Lohndumping in Deutschland anzuheizen. Zudem sollen der deutschen Wirtschaft die Kosten für die Ausbildung von Fachkräften erspart und anderen Ländern überlassen werden“, erklärt Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Sie wirft der Bundesregierung vor, Lohndumping zu betreiben.
Denn laut Vergütungsstudie der Managementberatung Kienbaum verdient eine Fachkraft in Deutschland im Durchschnitt 65.000 Euro. Das Einstiegsgehalt von Fachkräften liegt bei rund 48.000 Euro. Wenn die Zuwanderungsgrenze bei 42.000 Euro liegen soll, ist sie deutlich unter dem Durchschnittswert von 65.000 Euro und auch unter dem jetzigen Einstiegsgehalt. „Menschen auf ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit zu reduzieren und sie als Lohndrücker zu instrumentalisieren lehnt Die Linke als Nützlichkeitsrassismus ab. Wer Fachkräfte braucht, muss sie ausbilden und gut bezahlen, egal ob sie aus Deutschland oder aus dem Ausland kommen“, so Dağdelen abschließend.
Das Blue-Card Gesetz soll laut Auskunft von Reinhard Grindel (CDU) noch vor der Sommerpause in Kraft treten. (bk) Leitartikel Politik
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