Gericht stoppt Scheinehebefragung
Wer schläft auf der linken Seite des Bettes?
Bremer Richter stoppen Fragebogen zur Feststellung möglicher Scheinehen: Ausländerbehörde befragte verdachtsunabhängig. Unter anderem: Wer schläft auf der linken Seite des Bettes?
Montag, 11.06.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 09.06.2012, 18:31 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Etablierung der seit Jahren herbeigesehnten Willkommenskultur gestaltet sich schwierig. Was fehlt, ist der Strang, an der alle Akteure gemeinsam ziehen, wie ein aktueller Fall aus Bremen zeigt. Dort hat die eifrige Ausländerbehörde bei der Jagd nach möglichen Scheinehen, nicht am Strang der Willkommenskultur gezogen, sondern über die Stränge geschlagen.
So hat sie nicht etwa bei Verdacht, sondern alle binationalen Paare vorsorglich einer Standardbefragung unterzogen „zur Feststellung der ehelichen Lebensgemeinschaft“. Wer schläft auf der linken Seite des Bettes? Bringt der Gatte Geschenke mit? Wer leert den Müll? Wie ist der Kontakt zu den Schwiegereltern? Wer diese und weitere 111 Fragen nicht beantwortet, macht sich verdächtig.
Gericht kippt Praxis
Notgedrungen beantwortete auch ein deutsch-türkisches Ehepaar die Fragen, wollte später aber die Löschung der Antworten. Die Ausländerbehörde weigerte sich und bekam im Mai 2012 per Eilverfahren die Quittung vom Verwaltungsgericht Bremen (Az. 4 V 320/12). Die Richter schoben sowohl der Speicherung der Antworten als auch der verdachtsunabhängigen Befragung einen Riegel vor. Letzteres sei nur zulässig, wenn „im konkreten Fall tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Scheinehe bestehen.
„Es ist bedauerlich, dass es erst ein Gerichtsurteil braucht, um die bislang gängige Praxis der Ausländerbehörde zu beenden“, kommentiert der innenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Şükrü Şenkal, die Entscheidung des Gerichts.
Innenressort prüft
Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Björn Fecker, erwartet, dass „das Innenressort das Urteil des Verwaltungsgerichts akzeptiert und keine weiteren Rechtsmittel einlegt“. Wer mit wem auf welcher Seite eines Bettes schläft, habe den Staat nicht zu interessieren.
Die migrations- und integrationspolitische Sprecherin der Bremer Grünen, Zahra Mohammadzadeh, geht davon aus, dass die Befragung der Ausländerbehörde fortan nur noch erfolgen wird, wenn tatsächlich konkrete Anhaltspunkte auf eine Scheinehe bestehen. Ihre Fraktion hat das Innenressort aufgefordert, über das weitere Vorgehen zu berichten. Diese prüft derweil die Entscheidung des Gerichts. Im Anschluss werde entschieden, ob und wie man die Fragebögen in Zukunft einsetzt.
So viel steht fest: Es wird auch eine Entscheidung für oder gegen die Willkommenskultur sein. (bk)
Leitartikel Recht
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