Rabbiner zum Beschneidungsurteil
„Schwerster Angriff auf jüdisches Leben seit dem Holocaust“
Die Europäische Rabbinerkonferenz ruft die jüdischen Gemeinden auf, die religiöse Beschneidung trotz des Kölner Urteils fortzuführen. Deutschland habe sich verpflichtet, die jüdischen Gemeinden wiederaufzubauen. Ohne Beschneidung gehe das nicht.
Freitag, 13.07.2012, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 16.07.2012, 23:44 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Europäische Rabbinerkonferenz hat die jüdischen Gemeinden in Deutschland aufgerufen, die religiöse Tradition der Beschneidung von Jungen trotz des Kölner Urteils fortzuführen. Ein Verbot wäre ein „fundamentales Problem für die weitere Existenz der jüdischen Gemeinden“ in Deutschland, sagte der Präsident der Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, am Donnerstag in Berlin. Orthodoxe Rabbiner aus mehr als zehn europäischen Ländern hatten seit Dienstag über Konsequenzen aus dem Kölner Urteil beraten.
Die Beschneidung sei ein Grundgesetz der jüdischen Religion. Sollte das Kölner Urteil zum Maßstab werden, gebe es für den größten Teil der jüdischen Gemeinden in Deutschland „keine Zukunft“, gab Goldschmidt, zu bedenken. Es herrsche Konsens unter allen Juden, dass die 4.000-jährige Tradition nicht zur Disposition stehen könne.
Teil eines Angriffs auf religiöse Minderheiten
Der Gesetzgeber sei gefordert, eine schnelle Lösung herbeizuführen. „Keiner von uns kann warten, bis Karlsruhe entscheidet“, sagte der Rabbiner Avichai Apel von der orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland. Dieses Urteil sei der schwerste Angriff auf jüdisches Leben in Deutschland seit dem Holocaust. Das würde einen „kompletten Wandel“ der deutschen Nachkriegspolitik bedeuten. Dabei habe sich Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg verpflichtet, die jüdischen Gemeinden wieder aufzubauen. Sollte das Urteil aber Bestand haben, „sehe ich für die Juden in Deutschland keine Zukunft“, so Goldschmidt.
Das Urteil sei Teil einer Folge von Angriffen auf religiöse Minderheiten in Europa, sagte Goldschmidt nach einer Sitzung von rund 40 europäischen Rabbinern. Dazu gehörten die Einschränkungen für den Minarettbau in der Schweiz, das Burkaverbot in Frankreich sowie das Schächtverbot in den Niederlanden.
Urteil ist maximale Ausgrenzung
Beruhigend sei allerdings die Ankündigung des deutschen Botschafters in Israel. Die Bundesregierung werde alles tun, um eine gesetzliche Basis dafür zu schaffen, dass die Religionsfreiheit in Deutschland weiter gewährleistet wird. Danach schaut es derzeit auch aus. So zeigte sich etwa Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) am Mittwochabend in Bückenburg entschlossen: „Wir dürfen uns nicht angewöhnen, zu meinen, erlaubt sei nur das, was allen plausibel erscheint.“ Man müsse lernen, auch das zu respektieren, was einem selbst fremd sei. „Was manchen nicht plausibel erscheint, ist anderen heilig“, so Schavan.
Gegen das Kölner Landgerichtsurteil stellte sich am Donnerstag auch der niedersächsische Hartmannbund der Ärzte. „Eine bisher allgemein akzeptierte religiöse Handlung von Minderheiten unter Strafe zu stellen, stellt das Maximum an Ausgrenzung dar, das denkbar ist“, sagte Bernd Lücke, Chef des Hartmannbundes Niedersachsen. Es sei legitim, wenn Eltern ihren Kindern die Zugehörigkeit zur eigenen Religionsgemeinschaft ermöglichen wollten. Sonst müssten künftig auch kosmetische Operationen von „Segelohren“ unterbleiben, argumentiert der Ärztebund weiter. Auch diese seien medizinisch nicht notwendig.
In der kommenden Woche ist ein Trialog-Treffen zwischen der Deutschen Bischofskonferenz, Juden und muslimischen Geistlichen in Stuttgart geplant. (eb) Aktuell Gesellschaft
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Allein aufgrund der Empfindlichkeit bei generellen Vergleichen mit dem Holocaust ist die Parallele im Zitat in meinen Augen sehr bedenklich! Gut, dass sie nicht von der falschen Seite kam.
Das Kölner Urteil mit dem Holocaust zu vergleichen ist nicht nur schlechter Stil und eine bodenlose Unverschämtheit gegenüber dem urteilenden Richter, es ist auch eine maßlose Verharmlosung des Massenmords im dritten Reich.
Die Gerichte haben die Pflicht, die Rechte der Menschen in diesem Land zu schützen, und dazu gehören eben auch die Grundrechte der besonders schutzbedürftigen Kinder.
Das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Religionsfreiheit sind Grundrechte Diese unabdingbaren Grundrechte sind eben eine Lehre aus dem Holocaust. Wer den Schutz der Grundrechte mit dem Holocaust vergleicht, der gefährdet eben das moralische Fundament, auf dem unsere Nachkriegsgesellschaft ruht.
Die Grundrechte der Kinder werden durch die Beschneidung gleich mehrfach angegriffen.
Zuerst ist da das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das durch das Verbot von Körperletzung § 223 Abs. 1 StGB geschützt wird. Natürlich stellt das Abschneiden der Vorhaut einen „Eingriff in die körperliche Unversehrtheit“ dar, darüber kann man gar nicht diskutieren. Selbst Argumente wie die angebliche bessere Hygiene, wie sie Frau Hübsch bemüht, können diesen Umstand nicht ändern. Man muss gar nicht den Umstand der entstehenden Traumata bemühen um das Abtrennen eines Stücks des Körpers als Verletzung zu erkennen.
Auch das Recht der Eltern auf freie Religionsausübung rechtfertigt den Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Kindes nicht. Es gibt ein negatives Recht auf Religionsfreiheit, also das Recht keine religiöse Handlung gegen seinen Willen ausüben. Das Kind wird hier aber in eine religiöse Zeremonie gezwungen, ja wird sogar körperlich verletzt in der Zeremonie und ein lebenslang mit einem „einschneidenden“ Kennzeichen der Mitgliedschaft versehen.
Ein Kopftuch, einen Kreuz-Anhänger und eine Kippa kann man ablegen, aber eine Vorhaut wächst nicht nach. Auch wenn sich der junge Mann später entschließt keiner oder einer anderen Religion zu folgen, ist da immer noch die „Brandmarkung“ in seiner Unterhose. Einen Menschen dauerhaft als „Besitz“ einer Religion zu „markieren“ widerspricht gerade dem Gedanken der Religionsfreiheit.
Wird jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland nun unmöglich und ist das nicht ein Grund „mal ein Auge zuzudrücken“? Nein, Deutschland ist ein Rechtsstaat. Recht und Gesetze gelten für alle gleich, unbesehen der Person. Und so gelten eben auch die Grundrechte für und wider Juden und Moslems in Deutschland, wie sie für und wider Christen, Atheisten, Bahai, Sikh, Agnostiker und alle anderen gilt.
Grundrechte für beliebig zu erklären und sie nur dann gelten zu lassen wenn es eben gerade in den Kram passt gefährdet das Leben religiöser Minderheiten in Deutschland nachhaltiger als ein eventuelles Beschneidungsverbot. Wenn das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Religionsfreiheit nur noch angewandt werden, wenn es politisch opportun ist, dann werden diese Rechte beliebig und abdingbar. Hier beginnen Grundrechte zu erodieren.
Der nächste Eingriff in die Grundrechte ist dann nur eine frage der Zeit. Frauenbeschneidung könnte Thema werden. Und warum eigentlich ist in unseren Kirchen der engelsgleiche Gesang der Kastraten nicht mehr zu hören? Haben Eltern nicht auch da das Recht ihre Kinder zu verstümmeln?
Grundrechte gelten immer und auch Kinder haben sie. Diese Grundüberzeugung ist ein fundamentaler Teil dieses Landes und dieser Gellschaft. Wer damit nicht leben kann, der kann eben auch nicht in dieser Gesellschaft leben, so schade das auch ist. Machen wir in diesem Fall eine Ausnahme, dann öffnen wir den weiteren Ausnahmen Tür und Tor. Dieses Gemeinwesen muss seine Werte bewahren, gerade um die Schwachen und die Minderheiten zu schützen.
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil:
„Dieses Urteil sei der schwerste Angriff auf jüdisches Leben in Deutschland seit dem Holocaust.“
Der Migrant schwenke stetig die Rassismuskeule, der Jude die Holocaustkeule …
Oder aber schwenken Sie dauernd die Relativierungskeule, wie der Vergleich mit dem Holocaust sei eine bodenlose Unverschämtheit und eine maßlose Verharmlosung?
Einen Vergleich stellt die Aussage von Rabbiner Apel in keiner Weise dar. Rabbiner Apel stellt nur fest, dass das Beschneidungsverbot den größten Angriff auf das jüdische Leben in Deutschland seit dem Holocaust darstellt. Nicht mehr und nicht weniger.
Im Übrigen eine Anmaßung par excellence, Juden (hier Rabbinern) eine Verharmlosung des Völkermordes (nicht Massenmordes) im Dritten Reich zu unterstellen.
@Songül
„Im Übrigen eine Anmaßung par excellence, Juden (hier Rabbinern) eine Verharmlosung des Völkermordes (nicht Massenmordes) im Dritten Reich zu unterstellen.“
Das ist keine Anmaßung, sondern das soll die Rabbiner daran erinnern, dass diese Vergleiche einfach nur noch nerven und so gut wie jede 2. Woche von immer neuen Leuten wiederholt wird.
Außerdem ignoriert die Aussage, daß das Urteil eine Begründung hatte, die überhaupt nicht ignorierenswert ist: nämlich das Wohl des Kindes.
Dass man mit keinem einzigen Wort darauf eingeht in der jüdischen Gemeinde ist alleine schon ein Zeichen dafür, dass es nur darum geht, das deutsche LG und die deutsche Bevölkerung indirekt als Anti-semiten zu beschimpfen.
Man sollte sich jetzt nicht wundern, wenn die Diskussion komplett ausartet, wenn sogenannte „Würdenträger“ nicht mal die Würde haben sich der Diskussion zu stellen. Wir leben schliesslich hier alle in einem Land und die Juden sollten lernen auf die Weltanschauug der Atheisten genauso rücksicht zu nehmen wie andersrum. Und da ist dieses Urteil ein wunderbarer Kompromiss.
Wenn man die Menschen vor den Kopf stößt mit der Behauptung: „Meine Religion ist nicht verhandelbar und deshalb müssen alle anderen sich einer Minderheit anpassen“ dann darf man sich sicher sein dass einem keine Sympathie entgegenschlägt. Religionen die in Deutschland gelebt werden, müssen sich absolut den Gesetzen anpassen und nie(!) andersherum!
Den Religiösen wurden in den letzten Jahrzehnten immer mehr Sonderrechte eingräumt, bis zur absoluten Ausschöpfung unseres GG. Jetzt im Jahre 2012 spricht mal ein Gericht ein Urteil gegen die Religionsfreiheit und schon wird empört „Holocaust“ geschrien. Das ist einfach nicht fair, nicht gerecht und komplett unmoralisch!