Buchtipp zum Wochenende
Helmut Kohl: Eine politische Biographie
„Wir werden die Arbeitslosigkeit und die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer um die Hälfte reduzieren.“ Diesen Satz hat Helmut Kohl im Wahlkampf 1982/83 von sich gegeben und wurde später zum Kanzler gewählt. Eine politische Biographie von Hans-Peter Schwarz.
Freitag, 31.08.2012, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 04.09.2012, 6:31 Uhr Lesedauer: 1 Minuten |
Der Name Helmut Kohl beschäftigt die Deutschen noch immer. Für die einen bleibt er der Kanzler der Einheit, für die anderen ist er ein egozentrischer Machtmensch, dessen Name mit der größten deutschen Spendenaffäre verknüpft ist und der nicht nur seine eigene Partei, sondern auch seine Familie schwer beschädigt hat. Kohl, der Riese aus einer vergangenen Epoche, ist die größte lebende historische Figur der Bundesrepublik, die zugleich die stärksten Emotionen hochkochen lässt.
So auch bei vielen Migranten. Der Name Kohl ist verbunden mit zahlreichen Erinnerungen, die in die Integrations- und Migrationsgeschichte der Bundesrepublik eingegangen sind. Ob es der rassistische Anschlag im Jahr 1993 in Solingen war, den Kohl mit der Begründung nicht besuchte, weil er den „Beileidstourismus“ ablehnte oder die Rückkehrförderung für Türken, die unter Kohl umgesetzt wurde. „Wir werden die Arbeitslosigkeit und die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer um die Hälfte reduzieren“, sagte er etwa im Wahlkampf um die Kanzlerschaft 1982/83.
Der bekannte Zeithistoriker und Biograph Hans-Peter Schwarz hat mit dem am 3. September erscheinenden Buch die erste umfassende politische Biographie zu Helmut Kohl auf Basis umfangreichen und unveröffentlichten Quellenmaterials geschrieben. Ihm gelingt ein großes Lebens- und Zeitpanorama jenes Mannes, der die politischen Umbrüche am Ende des 20. Jahrhunderts so stark wie kaum ein anderer mitgeprägt hat. Gemeinsam mit Staatsmännern wie Michail Gorbatschow, George Bush sen. oder Deng Xiaoping hat Kohl Weltgeschichte geschrieben, gleichzeitig ist sein Name mit zahlreichen Affären und innenpolitischen Fehlentscheidungen verbunden. Alles an ihm hat eben riesenhafte Dimensionen – seine Verdienste ebenso wie seine Irrtümer, die auch in unsere Zeit hineinragen. (bk) Aktuell Feuilleton
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Der Titel des Buches sollte lauten: Der Lügenbaron. Und was im Artikel fehlt: „…und der nicht nur seine eigene Partei, sondern auch seine Familie schwer beschädigt hat“ – und insbesondere das Deutsche Volk, dem er einen Schuldenzuwachs von umgerechnet satten 1,15 BILLIONEN Euro beschert hat. Was ich sonst noch über Kohl zu sagen hätte, würde zensiert werden – deswegen verkneife ich es mir. Es hätte jedenfalls mit Meineiden und Gefängnisstrafen zu tun.
Die Epoche Helmut Kohl, die man auch Kohlismus bezeichnen darf, ist geprägt von dem Leitsatz der damaligen schwarz – gelben Koalition der “ geistigen und moralischen Wende“. Der geistige Absturz, statt Schaffung von Bildungsressourcen, war verbunden mit dem totalen Verlust jeglicher Moral. Der Begriff der wertekonservativen Partei ging mehr und mehr verloren, weil Macht über Werte ging.
Trotzdem vergisst man immer wieder eine Missetat von H.K. aufzudecken. Als er, im Rahmen der Wiedervereinigung, gegen den Willen der Deutschen Bundesbank, über seinen damaligen Knecht Hans Tietmeyer (später selbst Bundesbankpräsident dank Kohls Gnaden) den Umtauschsatz der Ost-Mark statt mit 1:6 bis 1:10 (wie von der Bundesbank empfohlen) mit 1:2 hat festsetzen lassen. Für ihn war es wichtig, dass mit diesem Geldfluss seine Wahl zum ersten gesamtdeutschen Kanzler abgesichert wird. Da u.a. dieser Umtauschsatz auch für die Betriebsschulden ostdeutsche Unternehmen in sozialistische Brudenländer galt, kostete diese Wahlkapfhilfe dem deutschen Staat Billionen (da sind unsere Euro-Milliarden nichts dagegen). Der damalige Bundesbankpräsident Pöhl dankte es Kohl mit seinem, zeitlich etwas versetzten Rücktritt, dass die Eigenständigkeit der Bundesbank verletzt worden ist.
Trotz und alledem muss man H.K. eines zu Gute halten. Er war einer der wichtigsten Europäer der Geschichte. Als dieser sollte er auch in die Geschichte eingehen. Für eine weitestgehend schlampig durchgeführte Wiedervereinigung, die ein Helmut Schmidt, aber auch ein FJS um Klassen besser umgesetzt hätten, dafür kann er nicht mit Stolz zurückblicken.