Integration im 16:9 Format
Integrationsbambi für polizeiliche Personenkontrollen
Es hat zwar etwas Zeit in Anspruch genommen, aber im 21. Jahrhundert haben wir es Dank eines Oberverwaltungsgerichts begriffen: eine andere Hautfarbe darf nicht automatisch eine polizeiliche Personenkontrolle zur Folge haben. Das muss prämiert werden.
Von Martin Hyun Dienstag, 06.11.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 09.05.2020, 0:59 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Vor gar nicht allzu langer Zeit hat sich die Jury um die Bambiverleihung etwas Spezielles einfallen lassen, um den renommierten Preis mit frischem Wind zu beleben. Ich bin mir nicht sicher, wie sich dieser Geistesblitz ereignet haben könnte. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass es sich während eines Besuches, in einem exotischen Restaurant, mit einer hohen Dichte an Servicekräften mit Migrationshintergrund passiert sein muss. Für die vielfältige Bereicherung der Gastronomieindustrie wollte sich die Jury endlich einmal dankbar erweisen. Das war die Geburtsstunde des Bambis für Integration.
So ein Geistesblitz kann unberechenbar sein. Nachdem der fünftägige Aufbau, mit rund 1.500 Arbeitsstunden so viel Zeit in Anspruch genommen hatte, hatte die Jury schlichtweg vergessen, sich Gedanken darüber zu machen, welche Voraussetzungen der Integrationspreisträger erfüllen sollte – außer, dass der- oder diejenige einen Migrantenbuckel mit sich tragen sollte. Und so ging der Preis ohne viel Überlegung an den Gangsta-Rapper Bushido und dem begnadeten Dribbelkünstler Mesut Özil. Beide wurden ganz offiziell zu deutschen Kreuzrittern der Integration geschlagen.
In diesem Jahr findet die Bambiverleihung in Düsseldorf statt. Noch wird heftig darüber spekuliert, wer wohl dieses Mal den Bambi in der Kategorie Integration bekommen wird. Vielleicht bleibt bei der diesjährigen Feier, neben dem ganzen Aufbaustress ein wenig Zeit, um eine gute Wahl zu treffen. Derweilen stellte ich mir die Frage, wer sich in diesem Jahr besonders für die Integration hervorgetan hat.
Auf Anhieb fiel mir Heinz Buschkowsky ein, der Oberbürgermeister von Neukölln. So, wie sein Parteigenosse Sarrazin hat er es geschafft, mit minimalem Einsatz größtmöglich von der Integration in die eigene Tasche zu wirtschaften. Das hat einen Preis verdient. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Da gibt es nämlich noch andere Preisanwärter, wie z.B. das Landesgericht Köln mit ihrem Beschneidungsurteil, Bundesinnenminister Friedrichs mit seiner kreativen Antiislamismus Plakataktion, die sämtliche muslimisch aussehende Menschen unter Generalverdacht des Terrors stellt und die Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung, die ein Pilotprojekt mit acht Unternehmen startete, nur um herauszufinden, dass Menschen und Besitzer exotischer Namensträger auf dem Arbeitsmarkt nicht diskriminiert werden. Zugegebenermaßen haben sie alle den Bambi für Integration verdient. Doch das Oberverwaltungsgericht Koblenz toppt sie alle.
Das Gericht urteilte nämlich, dass das Alleinstellungsmerkmal, nämlich eine andere Hautfarbe zu besitzen, nicht automatisch eine polizeiliche Personenkontrolle zur Folge haben darf. Für diese erleuchtende Erkenntnis hat sich das Oberverwaltungsgericht Koblenz den Bambi für Integration redlich verdient. Ich habe die Veränderung förmlich in der Luft gespürt. Die Zeit war einfach reif für diese Feststellung. Es hat zwar etwas Zeit in Anspruch genommen, aber jetzt im 21. Jahrhundert haben wir es begriffen.
Prompt beschwerte sich die Polizei über das Urteil, weil es ihnen den Kampf gegen die zunehmende Kriminalität erschwere. Zeitgleich riefen sämtliche Afrikaner am Görlitzer Park zu einem großen Parkfest auf und sangen Bob Marleys „Redemption Song“. Ab sofort ist die Polizei gezwungen, bei polizeilichen Personenkontrollen gegenüber optisch erkennbaren Migranten freundlicher zu sein – eine Initiative der Bundesregierung, die zur Verbesserung der Willkommenskultur beitragen soll. Und so stelle ich mir die Handlung einer zukünftigen polizeilichen Razzia bei Migranten vor:
„Lieber Herr Mensch mit optisch erkennbarem aber nicht einzuordnendem Migrationshintergrund. Bitte verzeihen Sie der Generalisierung Ihrer sehr zu schätzenden Migrationsgeschichte. Damit wollte ich keinesfalls ihre Persönlichkeit schmälern. Im Gegenteil, ich heiße Sie herzlich willkommen in unserem wundervollen Einwanderungsland und schätze sie als Gewinn unserer immer bunter werdenden Gesellschaft. Der Grund, warum ich Sie anhalte ist, weil sich in mir eine Frage aufdrängt, die keineswegs mit ihrer Hautfarbe zu tun hat. Verraten Sie mir doch gütigerweise, seit wann Sie Bewohner unseres einwanderungsfreundlichen Landes sind?“
„Du kannst mich mal! Ich kenne meine Rechte!“, so der Migrant und verschwindet.
Ich erinnere mich noch an meine Studienzeit in Belgien. Die ersten Wochen pendelte ich noch zwischen Brüssel und Krefeld. Bei einem Mal war meine Mutter dabei. Wir waren abends auf dem Rückweg nach Krefeld. Kurz nachdem wir die ehemalige Grenze passiert hatten und wieder auf deutschem Boden unterwegs waren, folgte uns nebenher ein Streifenwagen. Der Polizist leuchtete kurz mit einer Taschenlampe in unser Auto, überholte uns und forderte uns auf, ihm zu folgen. Den Anweisungen der Polizei ist Folge zu leisten, das gehört zum Allgemeinwissen eines jeden in Deutschland lebenden Migranten.
Nachdem ich mich ausgewiesen hatte, forderten uns die Polizisten auf, aus dem Auto auszusteigen. Meine Mutter war durch die ruppige und unhöfliche Art der Polizisten sehr verängstigt. Nachdem die Polizisten unser Auto durchsucht hatten und nichts weiter als meine nach Schweiß stinkende Eishockeytasche entdeckten, ließen sie uns in Ruhe. Doch ich konnte mir die Frage nicht verkneifen, ob meine Mutter und ich wie Musterbeispiele von Drogenkurieren aussehen oder den Anschein Schwerstkrimineller erwecken. Eine Antwort erhielten wir nicht. Viele Jahre sind seit der Begegnung mit der Polizei vergangen. Doch vergessen habe ich dieses Erlebnis nie.
Von einem Spaziergang im Kloster Chorin fuhren meine Freundin Dani und ich, sowie Yong-ho und Jürgen vor Kurzem zurück nach Berlin. Yong-ho war unser Fahrer, der ein wenig abgelenkt schien, weil sein laktoseintoleranter Bauch wegen dem Verzehr eines milchhaltigen Produktes ständig grummelte. So möchte ich Yong-ho nicht unter Verdacht stellen, aber irgendjemand ließ ständig Winde von sich. Von den exotischen Gerüchen war Yong-ho scheinbar so abgelenkt, dass er einen kleinen Schwenker mit dem Auto verursachte, um das Fenster runterzukurbeln. Es ließ nicht lange auf sich warten, bis die Polizei mit Blaulicht hinter uns auftauchte und uns aufforderte, ihr zu folgen. Der unhöfliche Polizist forderte Yong-ho auf, sich auszuweisen. Yong-ho verteidigte seinen kleinen Schwenker damit, weil jemand im Auto „gepupst“ hatte und er dringend das Fenster runterrollen musste. Jedenfalls ging alles glimpflich aus.
Nur ein Tag später fällte das Oberverwaltungsgericht Koblenz das oben genannte Urteil. Rückblickend wird mir klar: Die Polizei wollte sich vor dem Urteilsspruch noch einmal so richtig austoben. Vielleicht nicht bei den Schwarzen oder türkischstämmigen Mitbürgern, die wissen sich zur Wehr zu setzen, sondern bei den Asiaten. Mit den Asiaten kann man es machen. Schließlich sind sie die einzige Minderheit in Deutschland, bei der man sich in ihrer Gegenwart sogar lustig machen kann. Aktuell Meinung
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Selten habe ich mich so schlapp gelacht!!! Lustige Kolumne mit bitterem Beigeschmack.
Es gibt keinerlei Belege dafür, ob „racial profiling“ erfolgreich zur Bekämpfung der Kriminalität beiträgt. Von daher ist diese Methode pure Schikane und rassistisch!!! Hoffentlich wird das Urteil auch praktisch umgesetzt!!!!!
„Auf Anhieb fiel mir Heinz Buschkowsky ein, der Oberbürgermeister von Neukölln. So, wie sein Parteigenosse Sarrazin hat er es geschafft, mit minimalem Einsatz größtmöglich von der Integration in die eigene Tasche zu wirtschaften. Das hat einen Preis verdient. “
;)
@Herr Hyun
Noch jemand hat den Preis verdient und zwar der Koreaner PSY mit seinem Gangnam Style. Dank ihm haben die Koreaner in Deutschland eine zusätzliche positive Aufmerksamkeit, nebst Samsung und LG ;)