Eltern mit Migrationshintergrund
Familienreport 2012 widerlegt zahlreiche Vorurteile
Fast ein Drittel aller Familien mit Kindern in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Das geht aus dem Familienreport 2012 hervor. Ein Faktencheck zwischen Familien mit und ohne Migrationshintergrund:
Donnerstag, 17.01.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Im Jahre 2011 gab es in Deutschland insgesamt 8,1 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern. Davon hatten 2,3 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern einen Migrationshintergrund. 2011 lebten insgesamt 12,9 Millionen Kinder unter 18 Jahren in Deutschland, rund ein Drittel (31 Prozent) hatte einen Migrationshintergrund. Das geht aus dem Familienreport 2012 hervor, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde.
Danach ist die Ehe mit einem Anteil von 71 Prozent an allen Familienformen die meistgelebte in Deutschland. Seit 1996 hat sich ihr Anteil jedoch um ein Drittel reduziert. Angestiegen sind hingegen die nichtehelichen Lebensgemeinschaften und die Zahl der Alleinerziehenden. Bei Familien mit Migrationshintergrund liegt der Eheanteil bei 80 Prozent.
Bild der erwerbsfremden Migrantin ist falsch
Wie aus dem Bericht weiter hervorgeht, sind in der Erwerbsbeteiligung große Unterschiede zwischen den Müttern mit und ohne Migrationshintergrund zu erkennen. Während 72 Prozent der Mütter in Familien ohne Migrationshintergrund erwerbstätig sind, sind es nur 50 Prozent der Mütter, die einen eigenen Migrationshintergrund haben. „Dennoch ist das Bild der ausschließlich familienorientierten und erwerbsfernen Migrantin nicht zutreffend. Insgesamt sind 58 Prozent der Mütter mit Migrationshintergrund erwerbsorientiert, d. h., sie sind entweder erwerbstätig oder auf der Suche nach einer Erwerbstätigkeit“, heißt es im Familienreport.
Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf können Mütter und Väter mit Migrationshintergrund allerdings seltener auf Unterstützungsmöglichkeiten zugreifen. Jede dritte Migrantin mit Kindern unter 14 Jahren gibt an, selten oder nie jemanden zu haben, der sich im Bedarfsfall um ihre Kinder kümmern kann. Die gleichen Sorgen hat in der vergleichbaren Gesamtbevölkerung nur jede fünfte Mutter.
Kitaplatz: Hürden bei der Platzvergabe
Auch in der Problemwahrnehmung der Mütter mit Migrationshintergrund spielt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine größere Rolle: 27 Prozent der vollzeiterwerbstätigen und 40 Prozent der nicht erwerbstätigen Mütter empfinden Familie und Beruf als nicht so gut vereinbar. „Insofern ist es nicht überraschend, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter mit Migrationshintergrund eine hohe politische Priorität haben“, heißt es weiter im Bericht.
Keine großen Unterschieden zwischen Eltern mit und ohne Migrationshintergrund gibt es in Bezug auf den Wunsch, einen Betreuungsplatz für die Kinder zu finden. Große Unterschiede gibt es jedoch bei der tatsächlichen Inanspruchnahme. Aktuelle Studien zeigen, dass Familien mit Migrationshintergrund ihre Kinder später in institutionelle Betreuung bringen und Angebote der Kindertagespflege kaum nutzen. Jedoch existieren laut Bericht auch Hürden bei der Platzvergabe, die Familien mit Migrationshintergrund den Zugang erschweren.
Migranten sehen Betreuungsangebote nicht skeptischer
So werden Migrantenkinder in der Altersgruppe von unter drei Jahren deutlich seltener (14 Prozent) in einer Kindertagespflege betreut als Kinder ohne Migrationshintergrund (30 Prozent). Im Vergleich dazu befinden sich jedoch 85 Prozent der drei- bis fünfjährigen Kinder mit Migrationshintergrund in einer Kindertagesbetreuung. Zwar werden seit 2009 immer mehr unter Dreijährige mit Migrationshintergrund in Einrichtungen oder Kindertagespflege betreut – die Betreuungsquote stieg zwischen 2009 und 2011 um drei Prozentpunkte. Im gleichen Zeitraum ist die Betreuungsquote von Kindern ohne Migrationshintergrund jedoch um fünf Prozentpunkte gestiegen, sodass sich die Schere in den Betreuungsquoten weiter geöffnet hat.
Grundsätzliche Einwände gegen die Betreuung von Kleinkindern haben nur 24 Prozent der Eltern von ein- bis zweijährigen Kindern. Migranten sehen Betreuungsangebote insgesamt nicht skeptischer als der Rest der Bevölkerung. „Die Nutzung frühkindlicher Betreuung liegt in erster Linie in der Berufstätigkeit der Mutter begründet. Weder die soziale Schicht, das Bildungsniveau noch der Migrationshintergrund haben hier einen signifikanten Einfluss“, heißt es im Familienreport dazu.
Bildungsgrad ist entscheidend
Ein weiterer Befund des Berichts ist: Während die Hälfte der Eltern mit hohem Bildungsstand häufig mit ihrem Kind Bildungsaktivitäten unternimmt, geben das nur 36 Prozent der Eltern mit niedrigem und 39 Prozent der Eltern mit mittlerem Bildungsstand an. Weniger stark ausgeprägt sind diese Unterschiede zwischen Familien mit und ohne Migrationshintergrund. Danach ist nicht der Migrationshintergrund maßgeblicher Faktor für Bildungsaktivitäten in der Familie, sondern der Bildungsgrad der Eltern.
Auch in hängen Bildungsaktivitäten innerhalb der Familie stark davon ab, ob die Elternteile einen eigenen Migrationshintergrund haben oder nicht. So nutzen 43 Prozent der Migrantenfamilien, in denen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren ist, für ihre unter zweijährigen Kinder organisierte Förderangebote wie Babyschwimmen, Krabbelgruppen oder gezielte Eltern-Kind-Angebote. Damit liegen diese Familien noch relativ weit unter dem Durchschnitt von 62 Prozent. In den Familien, in denen kein Elternteil im Ausland geboren ist, zeigen sich allerdings kaum Unterschiede im Vergleich zu Familien ohne Migrationshintergrund.
Eine Frage der Generation
Betrachtet man die Häufigkeit von Bildungsaktivitäten in Familien von unter sechsjährigen Kindern, so unternehmen Migrantenfamilien der ersten und zweiten Generation in diesem Bereich seltener etwas mit ihren Kindern. In der dritten Generation lassen sich in den familialen Praktiken aber keine Unterschiede mehr zu Familien ohne Migrationshintergrund feststellen.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch im Hinblick auf leseförderliche Aktivitäten in der Familie vor der Grundschulzeit. Familien mit Migrationshintergrund, in denen kein Elternteil im Ausland geboren ist, führen häufiger leseförderliche Aktivitäten in der Familie durch. (sb) Gesellschaft Leitartikel Studien
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