Doppelbesteuerung
Erheblicher Rückschlag für den deutschen Mittelstand
Die Bundesregierung hat das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Türkei gekündigt. Dies bedeute für den international operierenden deutschen Mittelstand einen erheblichen Rückschlag, so Dr. Christian Rödl, Geschäftsführender Partner von Rödl & Partner. Dessen Planungssicherheit nehme ab.
Von GastautorIn Freitag, 07.08.2009, 6:52 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 3:08 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Dr. Christian Rödl & Martin Führlein
Die Bundesregierung hat, wie bekannt wurde, am 21.07.2009 das seit 1990 anwendbare Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 16.04.1985 (BGBl 1989 II, S. 867) gekündigt. Die Kündigung gilt mit Wirkung zum 01.01.2011, d.h. die Abkommenswirkung entfällt für alle Besteuerungssachverhalte in Geschäftsjahren, die am 01.01.2011 oder danach beginnen. Laut Bundesministerium der Finanzen (BMF) wurde die Kündigung so langfristig ausgesprochen, um mit der Türkei genügend Zeit für die Verhandlung eines neuen DBAs zu haben, damit deutschen, in der Türkei investierenden Unternehmen Rechtssicherheit gewährt werden könne. Juristisch wäre die Kündigung bereits für alle ab 01.01.2010 oder später beginnenden Geschäftsjahre möglich gewesen.
„Die heutige Mitteilung bedeutet für den international operierenden deutschen Mittelstand einen erheblichen Rückschlag“, so Dr. Christian Rödl, Geschäftsführender Partner von Rödl & Partner. „Die Investitionen deutscher, insbesondere mittelständischer Unternehmen in der Türkei haben in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Die Kündigung des DBA bedeutet einen abrupten Wegfall der Planungssicherheit für künftige Expansionen in die Türkei sowie erhebliche Unsicherheiten für bereits getätigte Investitionen. Die Kündigung stellt offensichtlich einen weiteren Schritt Deutschlands dar, Vereinbarungen über fiktiven Quellensteuerabzug für Zins-, Dividenden- und Lizenzeinkünfte, wie er in der Vergangenheit häufig mit Entwicklungs- und Schwellenländern vereinbart worden ist, dann – gegebenenfalls auch einseitig – zu beenden, wenn diese Länder Deutschland wirtschaftlich gefestigt erscheinen. Ebenso war dies auch bei der Kündigung des DBA Brasilien im Jahr 2005“, vergleicht Rödl.
„Es bleibt abzuwarten, ob bis Ende 2010 / Anfang 2011 überhaupt die Neuverhandlung eines DBA mit der Türkei gelingt“, meint Rödl. „Traditionell zieht sich ein solcher Vorgang über einen deutlich längeren Zeitraum hin. Dies birgt für deutsche Unternehmen die Gefahr, dass türkische Betriebsstätteneinkünfte in Deutschland ab 2011 ebenfalls der Besteuerung unter Anrechnung der in der Türkei gezahlten Steuer unterzogen werden und durch das Abkommen gewährte Beschränkungen der türkischen Quellensteuersätze auf z. B. Dividenden künftig nicht mehr gelten“.
Dr. Christian Rödl, LL.M., Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Geschäftsführender Partner; Tel.: +49 (9 11) 91 93-10 00, E-Mail: christian.roedl@roedl.de
Martin Führlein, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Partner; Tel.: +49 (40) 22 92 97-500, E-Mail: martin.fuehrlein@roedl.de
Rödl & Partner ist eines der führenden deutschen Beratungs- und Prüfungsunternehmen. Rödl & Partner betreut Unternehmen weltweit bei ihren Geschäftsaktivitäten. Das Kerngeschäft bilden die Rechtsberatung, Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Die Kanzlei erzielte im Geschäftsjahr 2008 einen Gesamtumsatz von 209,4 Mio. Euro und beschäftigt derzeit 3.000 Mitarbeiter. Rödl & Partner ist in allen wesentlichen Industrienationen der Welt, insbesondere in Mittel- und Osteuropa, Westeuropa, Asien, Lateinamerika und den USA, mit 83 Niederlassungen in 37 Ländern vertreten.
Die Kündigung ist auch für die Immobilien- und Fondsbranche ein negativer Impuls“, so Rechtsanwalt und Steuerberater Martin Führlein, der als Partner für den Bereich Real Estate und geschlossene Fonds bei Rödl & Partner Verantwortung trägt. „Trotz der aktuellen Finanzkrise finden sich immer mehr deutsche Projektentwickler, die – unter großer Aufmerksamkeit der Fondsbranche – in türkische Solaranlagen investieren bzw. solche Projekte aufgreifen. Auch die Nachfrage nach Immobilien in der Türkei hat nach dem Einbruch in Folge des Lehman-Debakels inzwischen wieder Fahrt aufgenommen, da sich an den grundsätzlich positiven Rahmendaten für solche Investitionen in der Türkei nichts geändert hat. Gerade Fondsprojekte erfordern aber im Sinne der Anleger einen Planungs- und Prognosehorizont von häufig über 15 Jahren. Es bleibt deshalb zu wünschen, dass sich die Bundesrepublik und die Türkei rasch auf eine Neufassung, die den Interessen beider Rechnung trägt, einigen, um so wieder Planungssicherheit für Investitionen in die Türkei zu schaffen“, so Führlein. Meinung Wirtschaft
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„…Dies birgt für deutsche Unternehmen die Gefahr, dass türkische Betriebsstätteneinkünfte in Deutschland ab 2011 ebenfalls der Besteuerung unter Anrechnung der in der Türkei gezahlten Steuer unterzogen werden und durch das Abkommen gewährte Beschränkungen der türkischen Quellensteuersätze auf z. B. Dividenden künftig nicht mehr gelten“.
Und was soll daran bittschön verkehrt sein? Wenn das alles ist, dann ist die Kündigung nichts weiter als die Stopfung eines Steuerschlupflochs.
Ich bin zwar kein Steuerexperte, aber ich denke mal das die Doppelbesteuerung deutscher Unternehmen jetzt ein Problem für deutsche Mittelständler ist. Deshalb gibt es ja diese zwischenstaatlichen Abkommen, um Doppelbesteuerung zu vermeiden.
Oder finden Sie es OK, wenn z.B. Müller KG für ein- und dieselbe Sache sowohl in der Türkei, als auch in D Steuern zahlen muss. Ich nicht, und der fiktive Herr Müller bestimmt auch nicht und wird deswegen vielleicht einige Leute entlassen müssen, weil sich sein Türkeigeschäft evtl. nicht mehr lohnt. In der EU gibt es zwischen den einzelnen Ländern ja auch keine Doppelbesteuerung, was für deutsche bzw. europäische Wirtschaft von großem Vorteil ist.
„Oder finden Sie es OK, wenn z.B. Müller KG für ein- und dieselbe Sache sowohl in der Türkei, als auch in D Steuern zahlen muss.“
So steht es aber nicht da. Sondern:
„… der Besteuerung unter Anrechnung der in der Türkei gezahlten Steuer unterzogen werden“.
Das heißt, da wird nichts doppelt besteuert, sondern die deutsche Firma wird in der Summe nach den deutschen Regeln besteuert. Meines Wissens ist das bei Auslandsniederlassungen deutscher Firmen so üblich. Und ich finde es auch gerecht.