Bades Meinung
Terrorerfahrung als gesellschaftspolitischer Lernprozeß? Fehlanzeige
Nicht nur Rechtsextremismus und islamistischer Terrorismus, auch der antiislamische Fundamentalismus der Mitte ist eine Lebensgefahr für die Einwanderungsgesellschaft. Das Bundesministerium des Innern hat diese Gefahr erst ansatzweise erkannt, warnt Klaus J. Bade in seiner neuesten MiGAZIN Kolumne - Weichenstellungen der Migrations und Integrationspolitik, Folge 5
Von Prof. Dr. Klaus J. Bade Montag, 04.03.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 07.03.2013, 0:28 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Eine Lehre aus dem desaströsen Versagen der Sicherheitsbehörden gegenüber den antiislamisch motivierten Serienmorden des selbsternannten ‚Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)‘ lautet: Die Konzentration auf ›Rechtsextremismus‹ und dabei sogar noch auf die ›klassischen rechtsextremistischen Argumentationsmuster‹ (BMI) erzeugt einen amtlichen Tunnelblick, der blind macht gegenüber anderen gesellschaftlichen Gefahren:
Nicht nur das Gewaltpotential von Rechtsextremismus und islamistischem Fundamentalismus, auch der völkisch-kulturrassistische und in seiner konkreten Stoßrichtung antiislamische Fundamentalismus der Mitte ist eine Lebensgefahr für die Einwanderungsgesellschaft, die essentiell auf Anerkennung durch Teilhabe und die Akzeptanz kultureller Vielfalt in sozialem Frieden angewiesen ist.
Das wurde im Bundesministerium des Innern erst spät und nur ansatzweise entdeckt: Anfang Dezember 2012 erst fand in Berlin eine Tagung der Deutschen Islamkonferenz (DIK) des BMI zum Thema ›Muslimfeindlichkeit in Deutschland. Phänomen und Gegenstrategien‹ statt, auf der sich Ministerialbeamte und Behördenvertreter anhand der Berichte von Experten der Wissenschaft und der Praxis über den Ernst der Lage und damit auch über ihre eigenen Versäumnisse auf diesem Terrain kundig machen konnten.
Bis dahin hatte sich nur die im Herbst 2010 eingerichtete Arbeitsgruppe ›Präventionsarbeit mit Jugendlichen‹, und zwar nur unter anderem auch, um dieses Thema gekümmert, nämlich sehr breit und allgemein im Sinne von »Fragen der universellen Prävention von Muslimfeindlichkeit, Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen und Islamismus im Sinne eines religiös begründeten Extremismus«.
In der von der Arbeitsgruppe in Abstimmung mit dem BMI erarbeiteten einladenden Erläuterung der Konferenzagenda hieß es denn auch, in verschwurbelter Diktion versehentlich die enorme Erkenntnis- und Handlungsverzögerung des Ministeriums dokumentierend: »Laut der Bestandsaufnahme der Arbeitsgruppe beginnt Muslimfeindlichkeit erst ein Thema der spezifischen, themenbezogenen Präventionsarbeit zu werden. Das betrifft auch die Prävention von Muslimfeindschaft im Sinne einer Förderung positiver Einstellungen in der Mehrheitsgesellschaft gegenüber kultureller und religiöser Vielfalt mit konkretem Bezug auf Muslime. Aber auch im Blick auf Maßnahmen gegen Rechtsextremismus wird erst begonnen, sich mit ›Anti-Islamisierungs-Kampagnen‹ rechtsextremistischer Parteien und Gruppierungen auseinanderzusetzen.«
Ziel der DIK-Arbeitsgruppe soll es sein, »bis 2013 Ergebnisse zu erarbeiten, die die universelle Präventionsarbeit insbesondere mit Jugendlichen praktisch befördern«, wozu auch die Berliner Tagung einen Beitrag leisten sollte.
Bleibt zu hoffen, dass die Ergebnisse der Tagung hinter den Kulissen des BMI zu der Erkenntnis geführt haben mögen, dass das alles nach gehabten Erfahrungen einschließlich des antimuslimischen Terrors in Norwegen und in Deutschland wieder einmal sehr spät kommt und insgesamt zu wenig ist, gemessen an den hier anstehenden enormen gesellschaftspolitischen Vermittlungsaufgaben zur ›Förderung positiver Einstellungen in der Mehrheitsgesellschaft gegenüber kultureller und religiöser Vielfalt mit konkretem Bezug auf Muslime‹.
Dergleichen schiebt man im BMI, wie bei der DIK insgesamt, gern auf angegliederte Nebenstellen ab. Auf ihre Ergebnisse kann man stolz verweisen, wenn sie weiterzuführen scheinen. Und man kann sich von ihnen problemlos distanzieren, wenn ihre Bemühungen ergebnislos bleiben. Von einem Verständnis von Integrationspolitik als Zentralbereich der Gesellschaftspolitik zeugen solche ausgelagerten Beschäftigungsnachweise nicht. Aktuell Meinung
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1. Gemäß dem Begriff auf der 1998 in Jena gefundenen Diskette richteten sich der Hass und die nachfolgenden Mordtaten des NSU auf „Alidrecksau“, nicht Allahdrecksau. Drei der zehn Mordopfer waren Deutsche. Herr Boulgarides wird von Herrn Bade zum Muslim getauft. Es ist traurig, wenn ein geschätzter Migrationsforscher einen Rassismus, der sich gegen „türkische“ Einwanderer richtet, mit dem untauglichen Begriff antiislamischer Fundamentalismus der Mitte belegt. Fraglos ist dieser Rassismus in der Mitte hoffähig – wo wollen Sie, Herr Bade, diesen erörtern: auf der DIK?
2. Sarrazin belegt ein fiktive soziale Gruppe, die er als eugenisch minderwertig sieht, (wenn ich aus dem Buch mal addiere: die Bewohner der Türkei, Arabiens, Afrikas, der Uckermark) mit dem Begriff Muslime. Er sieht sie als Ethnie, der Begriff Rasse wurde im Lektoratsprozess gestrichen. Herr Bade, ich schätzte Sie bisher nicht nur als Historiker, sondern auch als Sozialwissenschaftler: was sind Muslime denn bei Ihnen. Eine Ethnie?. Oder eine Rasse?