NSU-Hinterbliebene
„Ich will Antworten, keine Betroffenheit“
Bundespräsident Joachim Gauck wollte den Angehörigen der NSU-Mordopfer im Schloss Bellevue seine Betroffenheit kundtun - öffentlichkeitswirksam. Im Rampenlicht stand aber die Schwester eines NSU-Mordopfers. In einem offenen Brief hatte sie ihre Teilnahme abgesagt: „Glauben Sie, es hilft mir, wenn Sie betroffen sind?“
Dienstag, 19.02.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 13.12.2013, 22:19 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Im November 2011 hatte Altbundespräsident Christian Wulff die Angehörigen der NSU-Mordopfer in das Schloss Bellevue eingeladen und ihnen umfassende Aufklärung zugesichert. Fast eineinhalb Jahre später stehen die Zeichen dafür alles andere als gut. Haarsträubende Ermittlungspannen, Vernichtung von Akten und das Gefühl, die Sicherheitsbehörden könnten in die NSU-Morde verwickelt sein, hinterlassen ein schlechtes Gefühl.
Dieses Gefühl wollte Bundespräsident Joachim Gauck den Angehörigen der NSU-Mordopfer öffentlichkeitswirksam nehmen. Wie schon sein Vorgänger lud er sie ins Schluss Bellevue ein. „Der Wille zur Aufklärung ist da“, versicherte der Bundespräsident seinen Gästen am Montag. Die „umfassende Aufklärung“ sei weiterhin das Ziel.
Gauck kann kaum überzeugen
So ganz überzeugen konnte Gauck seine Gäste nicht. Zu viele Fragen wurden im Zuge der bisherigen Aufklärungsarbeiten aufgeworfen, zu wenige beantwortet. Auch Gauck konnte beschränkte sich auf Fragen: „Warum hat es solche Fehler und Fehlentscheidungen in den Ermittlungen gegeben?“
Damit konnte er die Angehörigen nicht beeindrucken. Bereits im Vorfeld hatten zwei Mord-Angehörige Gauck eine Absage erteilt. Die Schwester eines ermordeten Lebensmittelhändlers machte in einem offenen Brief an den Bundespräsidenten deutlich: „Damals hat niemand um meinen Bruder getrauert. Heute ist er Euch auf einmal so wichtig. Und auch Ihnen, Herr Bundespräsident Gauck, ist mein Bruder doch nur wichtig, weil die NSU ein politisches Thema in Deutschland ist. Was wollen Sie an unserem Leid ändern? Glauben Sie, es hilft mir, wenn Sie betroffen sind?“ Sie machte klar: „Ich will Antworten, keine Betroffenheit.“
Gauck wollte keine Anwälte empfangen
Anlass für diesen Brief war die Ablehnung von Gauck, seine Gäste mit Begleitung zu empfangen. Die Schwester des Hamburger NSU-Opfers Süleymann Taşköprü hatte darum gebeten, ihren Anwalt mitbringen zu dürfen. Sie fühle sich der Situation nicht gewachsen. Später ließen auch Angehörige eines anderen Opfers erklären, dass sie nicht an dem Treffen teilnehmen würden. Man sehe in Anwesenheit so vieler Betroffener nicht die Möglichkeit, sich detailliert mit Gauck auszutauschen.
Neun türkisch- oder griechischstämmige Kleinunternehmer wurden zwischen 2000 und 2007 ermordet. Jahrelang war der rechtsterroristische Hintergrund der Morde nicht erkannt oder Hinweise darauf ignoriert worden. Stattdessen war im Umfeld der Opfer nach den Tätern gesucht worden. Zwölfeinhalb Jahre nach dem ersten Mord möchte der Bundespräsident sein Mitleid ausdrücken: „Für uns klingt das wie Hohn“, schreibt die Angehörige. (bk) Aktuell Politik
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