Junge Islamkonferenz
Es geht nicht um Islam als Religion. Es geht um Pluralität in der Demokratie.
Bundespräsident Joachim Gauck hat am 8. März 2013 die Teilnehmer der "Jungen Islam Konferenz" empfangen. Thema war das Zusammenleben von Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland. Tutku Güleryüz hielt dazu eine Rede. Das MiGAZIN dokumentiert sie im Wortlaut:
Von Tutku Güleryüz Montag, 11.03.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 14.03.2013, 7:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
ich danke Ihnen für die Gelegenheit, Ihnen heute, stellvertretend für die 40 Teilnehmenden der „Jungen Islam Konferenz“, unser Projekt und unsere zentralen Anliegen vorstellen zu können.
Ich bin Tutku Güleryüz, 23 Jahre alt und Berlinerin. Ich stehe hier als eine von Vielen vor Ihnen: als eine von neun Millionen Jugendlichen, eine von 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, als eine von vier Millionen Muslimen in unserem Land und als eine von 82 Millionen Menschen in Deutschland.
Unser Land verändert sich und wir alle sind ein Teil dieses Landes und dieser Veränderung – ob mit oder ohne Migrationshintergrund, ob muslimisch oder nicht, religiös und auch nicht. Wir, die Junge Islam Konferenz, sind so, wie Deutschland gerade ist – vielfältig, normal, kritisch, manchmal zweifelnd, in Bewegung und neugierig.
In diesem Jahr beschäftigen wir uns mit der Frage, wie ein Dialog zwischen dem Staat und seiner muslimischen Bevölkerung nach der Bundestagswahl 2013 gestaltet werden kann. Da das Arbeitsprogramm der Deutschen Islam Konferenz vorerst auf die laufende Legislaturperiode begrenzt wurde, möchten wir diese Möglichkeit nutzen, um bis Mai einen Vorschlag zu erarbeiten, wie zukünftig ein solcher Dialog gestaltet werden kann.
Wir alle haben in den vergangenen Jahren deutlich gemerkt, dass sich viele in diesem Land schwer tun, den gesellschaftlichen Wandel zu akzeptieren und Deutschland als ein Einwanderungsland anzuerkennen. Diese Tatsache mag von Einigen als Bedrohung wahrgenommen werden, für die meisten von uns Jugendlichen, die gemeinsam aufwachsen, ist sie längst Normalität. Wir haben auch Fragen aneinander, Skepsis, manchmal auch Vorurteile – aber sie stellen nicht die Basis unseres Alltags in Frage. Diese Basis ist die Selbstverständlichkeit von Pluralität.
Allerdings bemerken wir den ansteigenden Rechtsextremismus und die Muslimfeindlichkeit nicht nur durch die Nachrichten, wir bemerken ihn teilweise in unserem Umfeld und bis in die Mitte der Gesellschaft und das macht uns Angst – ebenso wie Hinwendungen zum religiös begründeten Extremismus.
Wir sehen, dass die Diskurse, die zu Islam und Muslimen in Deutschland in den letzten Jahren geführt, die Bilder, die geprägt wurden, das Zusammenleben in unserer Gesellschaft vergiften.
Info: Die „Junge Islam Konferenz“ ein bundesweites Dialogforum für junge Menschen von 17 bis 25 Jahren mit und ohne muslimischem Migrationshintergrund zum Austausch über die Rolle von Islam und Muslimen in Deutschland. Sie ist ein Projekt der Stiftung Mercator und der Humboldt-Universität zu Berlin.
Gleichzeitig haben wir das Gefühl, dass es in Wahrheit gar nicht um Islam und Muslime geht. Es geht hier um die Demokratie in unserem Land und um die Rechte von kulturellen, religiösen oder ethnischen Minderheiten in dieser Demokratie. Eine der größten religiösen und kulturellen Minderheiten in diesem Land sind derzeit die Muslime. Es geht uns bei der JIK nicht um Islam als Religion. Uns geht es bei der JIK um die Wahrnehmung von Islam und Muslimen in Deutschland, stellvertretend für den Umgang unserer Gesellschaft mit Pluralität.
Viel zu oft haben wir in letzter Zeit bemerkt, dass es Unsicherheiten gibt, die folgenden drei Worte ganz selbstverständlich miteinander zu vereinbaren: Islam, Muslime, Deutschland. Wir verspüren hier nicht nur Unsicherheiten in der Gesellschaft, sondern auch auf politischer Ebene.
Lassen Sie uns gemeinsam ein neues deutsches „Wir“ entwickeln! Ein „Wir“, das wir zusammen mit Leben füllen.
Wir wünschen uns von Ihnen, dass Sie als Präsident aller Deutschen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, muslimisch oder nicht, religiös und auch nicht, den Menschen erklären, dass dieses Land sich wandelt und dass es dadurch nicht beliebiger wird, sondern selbstbewusster, wenn es sich im Spiegel betrachtet und irgendwann die Vielfalt als etwas typisch Deutsches anerkennt.
Ich danke Ihnen im Namen der gesamten Jungen Islam Konferenz. Aktuell Meinung
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Klingt ganz sympatisch, lässt aber den Kern leider offen: Sie fordern ein neues Wir. Einverstanden. Aber was heißt das? Ihr Aufruf führt das bestehende Kernproblem fort: Muslime stellen sich hin und sagen: Hier sind wir, akzeptiert uns.
Einwanderung ist das Hineinkommen. Und die Einwanderungsdebatte läuft auch bei Ihnen nur darum, zu diskutieren, dass die hereinkommenden ein Recht auf So-sein-wie-sie-sind haben. Und was ist mit der Annahme dessen was ist? Was Generationen das Atmen dieses Landes prägt?
Mir fehlt die Auseinandersetzung damit, dass Muslimsein in Deutschland nicht das gleiche ist wie Muslim in Marokko, Iran oder Pakistan. „Wir“ ist nicht fordern, sondern auch annehmen und geben!
Demokratie definiert sich von selbst. Was sollen Muslime denn bitte groß machen? Solange ehrliches Geld verdient und „keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ besteht (sorry der musste sein, einfach nur weil du schwammig redest) ist doch alles in Ordnung.
Die Aussage Demokratie heiße Vielfalt find ich klasse. Anders ist nicht schlecht. Was soll der Muslim denn NOCH geben und annehmen damit er akzeptiert und nicht mehr geduldet wird? Hoffe du meinst hier nicht Assimilation. Ich habe viel mit Muslimen zu tun und muss sagen, die Folgegenerationen sind sehr offen für neues und dennoch muslimisch.
Vllt kannst du dich besser ausdrücken, was dir nicht passt? :)
@Lutheros
—
“Wir” ist nicht fordern, sondern auch annehmen und geben!
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Das gilt auch für Sie.
@Lutherus,
man kann aus Ihrem Beitrag eine gewisse Bringschuld herauslesen, die die Hereinkommenden haben. Was müssen die Hereinkommenden, Ihrer Meinung nach, bringen? Deutschland oder die deutsche Gesellschaft ist nichts homogenes, sodass der Berliner froh über das Siegerländer Schwarzbrot wäre.
Einer Gesellschaft, die heterogen ist, etwas zu geben, gestaltet sich immer schwer. So sollte man sich auf etwas einigen, dabei sollten aber scheinbare Wahrnehmungen klargestellt werden, wie die Autorin bereits sagte.