Rückblick
Warum die Deutsche Islamkonferenz gescheitert ist
Zum letzten Mal in dieser Wahlperiode tagt heute die Deutsche Islamkonferenz. Eins der Themen ist der Kampf gegen Extremismus und Islamismus. Mit ein Grund, wieso die Konferenz scheiterte. Eine Analyse.
Von Yasin Baş Dienstag, 07.05.2013, 8:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 01.12.2015, 9:28 Uhr Lesedauer: 9 Minuten |
Die Deutsche Islamkonferenz (DIK), die von dem damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufen wurde, hatte zum Ziel, die Eingliederung der etwa viereinhalb Millionen Muslime in Deutschland zu verstärken und „anstatt über die Muslime mit ihnen“ zu sprechen. In seinem Vorwort anlässlich des dreijährigen Bestehens der Islamkonferenz sprach Wolfgang Schäuble 2009 davon, dass die DIK einen „institutionellen Rahmen für den Dialog zwischen Menschen muslimischen Glaubens und Vertretern aller Ebenen unseres Gemeinwesens“ biete, dass die Muslime darüber hinaus „ein Teil unserer Gesellschaft und unseres Landes“ seien und dass das Gremium demonstriere, „wie wichtig der regelmäßige Dialog zwischen Staat, Muslimen und Gesellschaft ist – für die Integration der Muslime und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Für Schäuble bedeutete die Einberufung der DIK eine Überwindung der „Sprachlosigkeit der vergangenen Jahrzehnte“, das „neue Perspektiven für Gemeinsamkeit“ schaffe. Da Wolfgang Schäuble das muslimische Leben in Deutschland als eine „Lebenswirklichkeit“ bezeichnete, kann davon ausgegangen werden, dass sich seit spätestens 2006 eine Veränderung in der Betrachtungsweise der Muslime durch den deutschen Staat ergeben hat.
Gastgeber Wolfgang Schäuble rief die Muslime in Deutschland auf, sich stärker in die Gesellschaft zu integrieren und „deutsche Muslime“ zu werden. Und: Er fügte hinzu, dass der Islam gerade dafür stehe, was vielen Menschen in Deutschland zu entgleiten drohe: „Die Wichtigkeit von Familie, der Respekt vor den Alten, ein Bewusstsein und Stolz mit Blick auf die eigene Geschichte, Kultur, Religion, Tradition, das tägliche Leben der eigenen Glaubensüberzeugung“.
Die erste Zusammenkunft der Rund 30 Konferenzteilnehmer in Berlin, darunter Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden sowie Gesandten der islamischen Religionsgemeinschaften und „unorganisierten“ Einzelpersonen, fand im September 2006 unter großem Medienecho und mit hohen Erwartungen auf beiden Seiten statt. Dass Vertreter muslimischer Organisationen in Deutschland mit offiziellen Staatsbediensteten an einem Tisch saßen, verhieß Hoffnung für die Zukunft, besonders im Hinblick auf die gleichberechtigte Anerkennung des Islam als körperschaftliche Religionsgemeinschaft. Im März 2007, wenige Wochen vor der zweiten Zusammenkunft der DIK, wurde von den teilnehmenden muslimischen Verbänden der Konferenz ein geeinter Dachverband, der „Koordinierungsrat der Muslime“ (KRM) gegründet. Im KRM sind die vier größten islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland organisiert: DITIB, ZMD, Islamrat und VIKZ. Zunächst positiv aufgenommen wurde der KRM wenige Tage später in der Öffentlichkeit als „schleichende Reislamisierung“ dargestellt.
Aufgrund von Bundestagswahlen und Kabinettsumbildungen wurden die späteren Plenarsitzungen der DIK unter der Schirmherrschaft der nachfolgenden Innenminister, zunächst unter Thomas de Maizière und anschließend unter Hans Peter Friedrich verwirklicht. Doch weder de Maizière noch Friedrich schafften es, an dem anfänglichen Erfolg Schäubles anzuknüpfen. Schlimmer noch: Eine Diskussion über den Fortbestand sowie den Sinn der DIK stellte die gesamte Dialogplattform zur Disposition. Die beiden großen Spitzenorganisationen der DIK, der Zentralrat der Muslime (ZMD) und der Islamrat (IR) traten aus der DIK aus, da sie die „Dialogplattform“ eher ausgrenzend als integrationsfördernd empfanden. Darüber hinaus gab es Konflikte um die Einladung bewusster Islamkritikerinnen, die angeblich Vertreter/innen der „nichtorganisierten Muslime“ sein sollten. So gibt es in der DIK lediglich noch die Türkisch-Islamische Union (DITIB) und den Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), die die praktizierenden Muslime vertreten. Wie viele Muslime diese Organisationen vertreten, bleibt offen, da immer noch keine gesicherten empirischen Daten darüber vorliegen. Die ehemalige Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, Barbara John (CDU), bezeichnete die DIK daher als einen „Gipfel der Abwesenden“. Auch Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister aus Berlin, nannte die Islamkonferenz in der derzeitigen Form eine „Farce“. Somit scheint klar zu sein, dass die „Konferenz mit dem Islam“ ihre Legitimität verloren hat, da nur noch zwei islamische Verbände übrig geblieben sind und der KRM – ob beabsichtigt oder nicht – faktisch gegeneinander ausgespielt wurde.
Das Vertrauensverhältnis zwischen dem jetzigen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und den Muslimen scheint zunächst durch die Äußerungen des Ministers und daraufhin mit seiner Initiative Sicherheitspartnerschaft (ISP) sowie der dazu gehörigen „Vermisst-Kampagne“ von Anfang an zerrüttet. Friedrich ließ mit seiner, auch vom rechten Rand bejubelten, Äußerung „dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt”, jegliches Augenmaß und Realitätssinn vermissen. Gerade ein Minister des Innern, dessen Aufgabe es ist, den angefangenen Dialog mit den islamischen Gemeinden fortzuführen, hätte beim Thema Islam mehr Sensibilität vorweisen können. Zudem deutete vieles darauf hin, dass aus der DIK eine Art Sicherheitskonferenz kreiert wurde, welches sich dann auch im Juni 2011 mit der Einberufung des „Präventionsgipfels“ verdeutlichte und der Initiative Sicherheitspartnerschaft fortgesetzt wurde. Die ISP war ein herber Rückschlag für die Kooperation zwischen den islamischen Religionsgemeinschaften und der Politik. Die „Partnerschaft“ mündete schließlich in ein Desaster. Alle „Partner“ bis auf die AABF (Alevitische Gemeinde Deutschland e.V.) verließen diese stigmatisierende Partnerschaft, die Muslime pauschal zu Kriminellen degradierte.
Ein Verbandsvertreter drückt es folgendermaßen aus: „Wir gingen am Anfang der Islamkonferenz einen Dialogprozess ein, der am Ende in eine ‚Vermisst-Kampagne‘ und Sicherheitsdebatte mündete. Ein weiteres Kuriosum war, dass wir als muslimische Gemeinschaften Bücherverboten zustimmen sollten. Von einem Dialog auf Augenhöhe kann keine Rede mehr sein.“
Die Verantwortung dieser „Entartung der DIK“ dürfte bei den „Falken“ sowie einigen ihrer islamkritischen Berater und Teilen ihrer ethnonationalistischen Mitarbeiter liegen. Auch die Leistung des Ministers im Hinblick auf die Ereignisse der Aufdeckung der rechtsextremistischen „Zwickauer Terrorzelle“ ließ zu wünschen übrig. Der Ex-Bundespräsident Christian Wulff hat hier deutlich mehr Signale an die Migranten in Deutschland gesetzt. Für Wulff waren Migranten in Deutschland gleichberechtigte Staatsbürger und keine Menschen zweiter oder dritter Klasse. An dieser modernen Sichtweise hätten sich andere Politiker ein Beispiel nehmen können. Aber gerade auch für diese moderne Staatsführung wurde Wulff von diversen Seiten angegriffen. Nicht zuletzt durch die oben erwähnten „Falken“.
Der Initiator der Islamkonferenz, Ex-Innenminister Schäuble hätte wohl im Gegensatz zu dem Franken Friedrich eher dem Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer Glauben geschenkt. Denn dieser bestätigt: „Die Zahl der Rechtsextremisten ist sicher weit größer als die der Jugendlichen, die in den Islamismus abgleiten könnten.“ Für die Sicherheitsexperten im Lande wäre es nicht verkehrt, wenn sie dem Migrationsforscher und Historiker Klaus J. Bade ein Ohr schenken. Seine konstruktiven Ratschläge sind nicht zu unterschätzen. Wolfgang Schäuble hat das als Innenminister sehr gut gewusst und auch genutzt. Er ließ sich von Professor Bade jahrelang beraten. Aktuell Meinung
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