Bitte rechts halten!
Wie man Deutschland sicher an die Wand fährt
Sollten sich die großen etablierten Parteien tatsächlich rechts einsortieren, damit kein Platz für rechte Parteien ist? Würde man dieser Logik folgen, müsste man auch alle Ampeln abschaffen, um zu verhindern, dass jemand über rot fährt. Eine Replik zur Immigrationsdebatte von Timo Lochocki.
Von Sven Bensmann Dienstag, 14.05.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 17.05.2013, 0:49 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Es ist müßig, einem Journalisten noch die basalsten Fehler vorhalten zu müssen, doch einem Autor, der zunächst den Vornamen des Politikers Schill falsch wiedergibt und dann dessen Law-and-Order-Partei in die PRO-Bewegung einbettet, kann ein wenig Nachhilfe in Sachen politischer Bildung und Recherche vielleicht wertschätzen.
Erinnern wir uns: Ronald Schills Partei hieß „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ (und versuchte kurzzeitig durchaus, mit dem Kürzel „PRO“ (ohne Bewegung) aufzuwarten, aufgrund eines Rechtsstreits mit „ProDM“ war dies aber nicht möglich) und versuchte insbesondere mit Härte gegenüber dem, was man in jenen Kreisen wohl „Volksschädlinge“ nennt, zu punkten. Die PRO-Bewegung hingegen ist vor allem eine islamfeindliche Partei, die behauptet, „unsere“ offene Gesellschaft verteidigen zu wollen, indem sie diese für alle, die für diese offene Gesellschaft stehen, verschließt.
Info: Dieser Text ist eine Replik auf den Debattenbeitrag von Timo Lochocki „Die politische Sprengkraft der Doppelten Staatsbürgerschaft„, die ebenfalls auf MiGAZIN erschienen ist.
Natürlich sind beide Parteien deutlich rechts angesiedelt und werben, bzw. warben, für eine zumindest sehr ähnliche Klientel. Dennoch hat die Schill-Partei, die vor dem Auftreten der PRO-Bewegung bereits wieder verschwunden war, mit diesen eben nichts zu tun.
Ebenso müßig ist es, stets betonen zu müssen, dass „Deutschland“ kein Problem mit „Ausländern“ hat. Gerade in konservativen Kreisen tut man alles, dass Briten und Amerikaner doch bitte weiter in Deutschland stationiert bleiben mögen. Japaner, die ganze Stadtteile übernehmen, sorgen ebenso wenig für Widerspruch: PRO formierte sich in Köln, und nicht etwa in Düsseldorf.
Selbst die Polen, derzeit die größte Gruppe unter den Einwanderern, werden weitgehend als fleißige Handwerker geschätzt, rassistische Vorurteile manifestieren sich eher in billigem Humor als in direkter Konfrontation.
Ein Problem hat der deutsche Rechtsaußen mit jenen, die er, um erneut in den nationalsozialistischen Jargon zurückzufallen, für „Volksschädlinge“ hält, für„Untermenschen“ und „Sozialschmarotzer“. Das gilt ganz besonders für Muslime, die entweder Jihadisten oder Schläfer sind, je nachdem, wie gut sie integriert sind; aber auch gegenüber „Zigeunern“ wird der Ton derzeit wieder rauer. Gemein haben diese Gruppen aber vor allem eines, nämlich dass sie in der Mehrzahl in den typischen Einwandererstadtteilen leben, zusammen mit Linken und Arbeitslosen. Zusätzlich zu einer armutsinduzierten Kriminalität, die der Einfachheit auf die Einwanderer projiziert wird, weil, man erinnere sich an die NSU-Akten, „Deutsche so etwas nicht tun“, kommt also die Verbindung zu den Linken, die seit ehedem für den aufrechten Rechten (bis weit in die Union hinein) Volksschädlinge sind. Die behauptete Debatte findet so also in der bei Lochocki behaupteten Art gar nicht statt. Da sich dieser Fehler aber durch die gesamte Medienlandschaft zieht, sei er ihm verziehen.
Fataler wird es dann im Folgenden, wenn der Autor tatsächlich verkündet, alle müssten sich fein rechts einsortieren, damit kein Platz für rechte Parteien sei. Die Frage, warum es keine rechte Partei gebe, wenn alle Parteien sich rechter Standpunkte bedienen, erschließt sich dabei wohl nur Timo Lochocki, dem selbst die SPD noch als linksradikal-emanzipatorische Arbeiterbewegung daherkommt, weil das Logo so schön rot ist.
Natürlich, eine rechte Partei könnte eine Sogwirkung entwickeln, der alle anderen Parteien folgen, um alte Wähler zurückzuholen, wie Lochocki es darstellt. Indes hat auch die Formierung der Linken aus PDS und WASG die FDP nicht zum Marxismus konvertieren lassen; allenfalls im rotbepinselten Lager hat es zu kleinen Versprechungen und noch kleineren Taten geführt. Sogwirkung? Nicht wirklich.
Warum also eine isolierte Rechtsaußenpartei der Rassisten und Chauvinisten, der Steinbachs und Bosbachs eine solche Sogwirkung entfalten könnte, dazu fehlt es nicht nur mir an Fantasie, sondern auch Lochocki an Argumenten. Dieses nämlich wäre eine Rechtsaußenpartei höchstwahrscheinlich: Isoliert. Sie hätte eine spießbürgerliche Resonanzfläche und vielleicht sogar 15% der Sitze im Parlament – sie hätte aber auch viele Gegner, bis ins „bürgerliche“ Milieu hinein. Denn auch die FDP, früher Hort der Altnazies und Neurassisten, hat sich längst von solcherlei Spitzfindigkeiten verabschiedet und kämpft nun gegen alle Armen ohne Ansehen von Geschlecht, Religion oder Rasse.
Die Alternative dazu ist übrigens die derzeitige Situation: Außerparlamentarische Hetzer schreiben auf der Achse der Doofen und bei den ProvinzIdioten-News ungehemmt gegen alles, was Ihnen nicht passt, vergiften das gesamtgesellschaftliche Klima, bekommen Zuspruch von eben jener Resonanzfläche, und überdies selbst von angeblich linken Parteien signalisiert: „Leute, ihr seid mehrheitsfähig, Fans habt ihr sogar in der SPD!“.
So wird quer durch die Parteien ein rechtspopulistisch-antimuslimisches Klima konstituiert, dass sich „nicht rechts, nicht links“ nennen darf, ganz wie ehedem die Nationalsozialistische Arbeiterpartei. Und natürlich will ich an dieser Stelle nicht das jämmerliche Häufchen ProvinzIdioten mit der NSDAP vergleichen – jedoch die Mechanismen sind sehr ähnlich.
Darum täte es den demokratischen Parteien dieses Landes gut, sich für die offene Gesellschaft, für die sie zu stehen behaupten, stark zu machen, und sich nicht auf faule Kompromisse einzulassen, wie dies nach den Brandanschlägen von Rostock-Lichtenhagen und Mölln geschah, weil dies als genau das Buckeln vor dem rechten Mob verstanden wird, dass es ist.
Wenn sich das demokratische und offene Deutschland vor dem rechten Mob windet und ihm nachhechelt, mag es tatsächlich, wie Lochocki feststellt, keine Parteigründung rechts der Union geben. Dies geschähe aber um den Preis, dass es hierfür auch keinen Bedarf gäbe, weil die bestehenden Parteien sich bereits dort tummeln.
Folgt man dieser Logik, muss man auch alle Ampeln abschaffen, um zu verhindern, dass jemand über rot fährt.
Damit fährt man das Land aber um so sicherer an die Wand. Aktuell Meinung
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