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ARD Talkshow

Das große Ablenkungsmanöver der Anne Will

Ein deutscher Comedian sagte einst treffend: „Wenn sich Ochs und Esel gute Nacht sagen, nennen wir das Talkshow. Jeder darf da ran, Anne Will und Kann Nicht...“

Von Donnerstag, 30.05.2013, 18:56 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 30.05.2016, 16:23 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Anlass für dieses Zitat ist die Talkshow mit dem Titel „Allahs Krieger im Westen – wie gefährlich sind radikale Muslime?“, zu der Frau Will am Mittwoch geladen hatte. Politischer Talk will aber gekonnt sein; in erster Linie geht es darum, die richtigen Themen zur richtigen Zeit anzusprechen.

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Mittwoch war der 29. Mai. Am 29. Mai 1993 sind – zur Erinnerung an die, die vergessen haben oder vergessen wollen – fünf türkischstämmige Menschen in Solingen von Rechtsradikalen getötet worden. Am 20. Jahrestag dieses Verbrechens ist es ausgerechnet das Erste Deutsche Fernsehen, das das Geschehen nicht adäquat würdigt und der Opfer nicht gedenkt.

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Liebe ARD, an dieser Stelle stellt sich die Frage, ob denn vielleicht anti-muslimische Ressentiments in Ihren Redaktionen ausschlaggebend waren für die Themenauswahl? Vielleicht sitzen zu wenige MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund in ihren Redaktionen, die eine alternative Sichtweise hätten bieten können?

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MitarbeiterInnen, die ihnen vielleicht gesagt hätten, dass Solingen noch ganz tief sitzt, auch bei denen, die 1993 noch nicht auf der Welt waren oder zu jung waren, um die Tat zu verstehen. Und, auch dass es nach Solingen einen Bruch gab, sodass Misstrauen und eine tiefe Wunde aufkamen. Eine Wunde, die nicht verheilen kann, weil sie immer wieder geöffnet wird.

20 Jahre nach dem verheerenden Brandanschlag in Solingen waren es die NSU-Morde, die erneut in die Wunde stachen und sie durch den Umgang mit ihnen klaffen ließen. Opfer wurden zu Tätern, Opferfamilien wurden kriminalisiert und beschuldigt. Seit der Aufdeckung dieser fremdenfeindlich motivierten Morde folgte eine Panne der anderen. Sei es im Umgang der Behörden bei den Ermittlungen vor der Aufdeckung, oder auch danach.

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages zieht ein katastrophales Fazit: ein Totalversagen der Behörden. 20 Jahre nach Solingen und am Gedenktag des Brandanschlags versagt das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Es versagte nicht nur, weil es nicht das richtige Thema wählte, sondern weil es am 20. Jahrestag von Solingen fremdenfeindliche Ressentiments bediente und Islamophobie beförderte.

Befördert durch die Unkenntnis eines CSU-Politikers, der große Phrasen in den Raum und sogar den Iran und den Salafismus in einen Topf wirft. Befördert aber auch durch die Intoleranz einer Necla Kelek, die sich über das äußerliche Auftreten einer Teilnehmerin beschwert und somit aufdeckt, in welch oberflächlichen Mustern sie denkt.

Eine Frau Kelek, die alle Missstände der Welt, angefangen bei schlechter Ernte, Niederlagen im Sport oder die Finanzkrise, mit Zwangsehen und Kopftüchern erklären würde. Sie ist gewiss keine sachliche und lösungsorientierte Gesprächspartnerin. Und da war ja noch eine Moderatorin, die der Frage nach der Gefahr radikaler Muslime, über die Antworten einer muslimischen Teilnehmerin aus der Schweiz im Bezug auf ihre Einstellungen gegenüber dem Sexualverhalten Dritter, nachgehen wollte, nachdem sie sich zuvor einen Freud’schen Versprecher darüber geleistet hatte, welche Rechte eine vollverschleierte Frau denn für sich beanspruchen könne.

Auch wenn die gestrige Talkshow für die Opfer vom 29. Mai 1993 keine symbolische Kerze anzündete, so taten es viele Menschen in diesem Land. Solingen wird nicht in Vergessenheit geraten. Der Versuch der Ablenkung ist gescheitert. Aktuell Meinung

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  1. Arrival sagt:

    Diese Worte unterschreibe ich mit allem, was ich bin. Vielen Dank, Herr Chahrour. Dank Menschen wie Ihnen gibt man die Hoffnung auf ein besseres Deutschland nicht auf, auf ein Deutschland mit Menschlichkeit.

    Mit hoffnungsvollen Grüßen!

  2. Kigili sagt:

    Die von ihrem Bruder umgebrachte Arzu, welche Necla Kelek in der Sendung mindestens zweimal als eine Tat von Menschen muslimischen Glaubens dargestellt hat, stammte in Wirklichkeit aus einer kurdischen Familie jesidischen Glaubens. Das Jesidentum ist eine Religion für sich und hat nichts mit dem Islam zu tun, weist viele christliche Elemente auf, ist aber älter als das Christentum. Necla Kelek argumentiert wie immer, nämlich so wie es ihr gerade in den Kram passt. Die absurde Gleichsetzung des Iran mit dem Salafismus des Bajuwaren Joachim Herrmann schlägt in die gleiche Kerbe. Früher hieß es eben Ausländer, Fremde, Neger, Schwarzkopf, Ölauge, Kanake, Türke, Kurde, Araber, etc.. Jetzt hat man dafür einen begrifflichen Platzhalter gefunden und subsumiert undifferenziert alles unter Muslime, um ein bewusst gezieltes Bild zu vermitteln und zu fördern: Ihr seid hier nicht gewünscht!

  3. E.H. sagt:

    Mittlerweile müsste selbst Redaktionen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens bekannt sein, dass Necla Kelek ihre Prominenz dem rechtspopulistischen und rechten Lager zu verdanken hat. DIE Quotenfrau schlechthin, wenn es darum geht das Feinbild Islam zu propagieren und die Islamophobie zu schüren.

    In der gestrigen Sendung wies sie dann noch ständig auf den Ehrenmord von Arzu Özmen und den anschließenden Prozess hin, natürlich um demonstrieren zu wollen, wie es tatsächlich im Islam zugeht. So kam es jedenfalls beim Zuschauer an. Nur eben zu dumm, dass die Familie Özmen der jesidischen Religion angehört. Das Jesidentum ist eine eigenständige monotheistische Religion und hat mit dem Islam so viel zu tun wie der Atheismus.

    In der Runde hat das niemand gemerkt, gewusst oder klar gestellt. Auch in den Medienberichten heute zur Sendung kein Wort dazu. So viel zur Kelekschen Manipulation, die zudem wunderbar fruchtet!

  4. Cengiz sagt:

    Vielen Dank für den Beitrag.
    Für die GEZ-Gebühren sind wir alle gut. Doch wenn es um die Gefühle von Ausländern geht, scheint es für das öffentlich-rechtliche Fernsehen egal zu sein, ob diese verletzt werden.
    Nur zur Erinnerung: „Die Würde des Menschen ist unantastbar (…)“ – Auch die der Ausländer und Muslime!

  5. Gast sagt:

    Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass der Autor den „Freud’schen Versprecher“ von Will erwähnt hat. Als ich das hörte, wär ich fast vom Stuhl gekippt und hab für diejenigen, die sich den Quatsch nicht komplett reinziehen wollen, die – wenn man so will – Selbstentlarvung Wills mal abgetippt:

    Anne Will: „Ich will gleich noch zu dem Punkt kommen, ob es tatsächlich für uns alle hinnehmbar sein muss, dass eine Frau vollverschleiert gleiche Rechte haben will, beziehungsweise eine Anstellung haben will. Gleiche Rechte hat sie natürlich selbstverständlich.“

  6. Mathis sagt:

    Die Talkshow war wirklich eine Katastrophe und noch schwerer erträglich als üblich.
    Dass die „Regie“ ausgerechnet eine Frau einlädt, die wirkte, als sei sie geradewegs von der Kostümprobe ins Studio geeilt, um die „traditionelle Muslima“ abzugeben, um sie da um so wirkungsvoller der „aufgeklärten Muslima“ gegenüber stellen zu können – das war so durchschaubar wie misslungen.Das Format „Anne Will“ steht aber nie für Qualität, was es mit den meisten Formaten dieses Genres gemeinsam hat.

  7. papierfrau sagt:

    diese sendung war eine absolute schande. die aussagen der sendung lassen sich auf drei punkte zusammenbringen: muslime sind attentäter, sie begehen ehrenmorde und sie zwingen ihre frauen zur verschleierung. schön das der neokolonialismus immer noch existiert. das die angebliche soziologin wirklich wissenschaftlerin ist, daran kann man spätestens dann zweifeln, wenn sie von zina spricht, und allen uneingeweihten das gefühl vermittelt, nur frauen müssten der unzucht vorbeugen. das es für beide geschlechter gilt wurde gekonnt verschwiegen. und was haben die rechte der frau im islam, homosexualität mit dem thema der sendung zu tun. man kann zur ganzkörperverschleierung stehen wie man möchte, aber man hätte ja auch einfach mal türkische frauen einladen können, die studiert sind, kopftuch tragen und erfolgreich im beruf sind, aber das passt dann ja wieder nicht ins bild. und der artikel hat absolut recht, einzig die bildzeitung interessierte sich bislang für den eklat im studio von anne will!

  8. Alerta! sagt:

    Nicht vergessen:
    Guten Tag!
    Nach der gelungenen Jubiläumssendung mit Anne Will zum Brandanschlag von Solingen „Allahs Krieger im Westen – wie gefährlich sind radikale Muslime?“ hier eine Kurzvorschau auf die ARD-Sendungen zu den nächsten Jahrestagen: Zum Gedenken an den 1. September 1939: „Wodka-Säufer im Westen – wie aggressiv sind besoffene Polen?“ Zum CSD am 28. Juni: „Schwule Lobby im Bundestag – wie pädophil sind radikale Homos?“ Und natürlich am 27. Januar zur Befreiung des KZ Auschwitz: „Jahwes Krieger in Nahost – wie gefährlich ist Israel für den Weltfrieden?“

    (mit wohlwollendem Unwissen der taz/VERBOTEN) ;-)
    Mehr muss dazu kaum sagen.

  9. klartext sagt:

    Bei allem Respekt, aber warum darf Anne Will angesichts der Anschläge von London und Boston nicht über Amok laufende Islamisten talken? Richtig, wegen des Solingen-Jahrestages, wurde ja auch nicht auf allen Kanälen drüber rauf und runter berichtet. Auch die Morde der NSU werden ja journalistisch unter den Teppich gekehrt, überhaupt keine kritische Berichterstattung. Und überhaupt erfährt das Dritte Reich viel zu wenig Aufmerksamkeit in den Medien. Blödsinn!
    Die Sendung von Anne Will hätte auch an jeden anderen Tag laufen können, Sie hätten sie trotzdem für falsch gehalten.