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Doppelpass-Debatte 11/12

„Die FDP sollte sich überlegen, ob sie nun dafür oder dagegen ist.“

Politik ist langweilig und trocken? Die Bundestagsdebatte vom 5. Juni 2013 beweist das Gegenteil: Regierungs- und Oppositionspolitiker debattieren über die doppelte Staatsbürgerschaft. Das MiGAZIN dokumentiert die Reden im Wortlaut inklusive Zwischenrufe in einer 12-teiligen Serie. Heute Rüdiger Veit (SPD).

Freitag, 21.06.2013, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.06.2013, 22:40 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Rüdiger Veit (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einigen Rednern aus den Regierungsfraktionen und auch von der Regierung muss ich zu Beginn sagen, dass wir uns heute schon in einem konstruktiveren Dialog auseinandergesetzt haben, wohingegen ich jetzt bei einigen Redebeiträgen in dem Bemühen – ich bitte um Entschuldigung –, das Niveau noch oberhalb der Grasnarbe zu erkennen, nicht immer erfolgreich gewesen bin.

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(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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Zunächst einmal: Sie brauchen uns im Zusammenhang mit den Namen Sarrazin und Buschkowsky keine Scheinheiligkeit vorzuwerfen. Ich sage Ihnen dazu ganz klar meine Position, die vielleicht nicht in der Härte und in der Formulierung, wohl aber im Inhalt von weiten Teilen meiner Partei geteilt wird: Ich persönlich bin der Auffassung, dass viele der Thesen von Herrn Sarrazin durch das Wesen eines menschenverachtenden Psychopathen gekennzeichnet sind – und damit Ende der Diskussion.

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(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nachdem Herr Buschkowsky – ähnlich wie leider auch Herr Staatssekretär Dr. Schröder – in der Bild-Zeitung hat verlautbaren lassen, die doppelte Staatsbürgerschaft sei etwas, um sich am einfachsten strafrechtlicher Verfolgung zu entziehen, musste ich leider auch öffentlich, in einer Tageszeitung, meine Auffassung dazu äußern. Ich wiederhole sie hier und sehe allen juristischen Auseinandersetzungen, die da kommen könnten, mit Gelassenheit entgegen: Ich bin der Überzeugung, dass Heinz Buschkowsky mit dieser Auffassung endgültig von allen guten Geistern verlassen ist. Sie sollten sich also an ihm kein Beispiel nehmen. Sonst müsste ich über Sie genauso sprechen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht hier und heute auch nicht um Wahlkampf, wobei es schon interessant ist: Der eine von Ihnen beklagt, dass die Vorlagen der Opposition überraschend kommen, der andere beklagt sich darüber, dass sie immer wieder eingebracht würden, der Dritte schließlich behauptet, er beispielsweise habe das Ganze genau so gewollt und er bzw. seine Fraktion, die FDP, wasche die Hände in Unschuld. Alles das ist verkehrt.

Lesen Sie auch die anderen Debattenbeiträge:
Renate Künast (GRÜNE)
Ole Schröder (CDU/CSU)
Thomas Oppermann (SPD)
Hartfrid Wolff (FDP)
Sevim Dağdelen (LINKE.)
Reinhard Grindel (CDU/CSU)
Daniela Kolbe (SPD)
Serkan Tören (FDP)
Memet Kılıç (GRÜNE)
Stephan Mayer (CDU/CSU)
Rüdiger Veit (SPD)
Ingo Wellenreuther (CDU/CSU)

Aber wenn Sie Wahlkampf haben wollen, dann gehe ich gern noch einmal auf die Frage ein, wie es zu diesem Gesetz gekommen ist. Das fällt mir aus meiner Erinnerung deshalb relativ leicht, weil es das erste wichtige Gesetz war, an dem ich 1998 im Bundestag mitarbeiten durfte. Ich kann Ihnen definitiv sagen, dass es die Absicht und der Kern der sozialdemokratischen Politik war, allen in Deutschland geborenen Kindern, deren Eltern sich bereits langfristig hier aufhalten, endlich die deutsche Staatsbürgerschaft zu geben.

(Beifall bei der SPD)

Wir mussten erleben, dass im damaligen Landtagswahlkampf der spätere Ministerpräsident Roland Koch und seine Landes-CDU eine Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft losgetreten hatten, um sich auf diese Art und Weise einer drohenden Wahlniederlage zu entziehen. Leider haben bei dieser Landtagswahl im Februar 1999 die Grünen so viele Stimmen verloren, dass wir Sozialdemokraten diesen Verlust nicht kompensieren konnten.

Ich will Ihnen jetzt sagen, was an dieser Kampagne so maßlos verlogen war. Bevor wir dieses Thema endlich angepackt haben, war die Rechtslage folgendermaßen gekennzeichnet: Der vormalige Bundeskanzler Helmut Kohl – das war vor meiner Zeit als Bundestagsabgeordneter – hat bei seinem türkischen Amtskollegen dringend darum gebeten, dass die türkischen Konsulate und Botschaften davon Abstand nehmen mögen, offensiv für folgende Praxis zu werben: Die Türken gehen zu ihrem Konsulat oder ihrer Botschaft, beantragen die Entlassung aus der türkischen Staatsbürgerschaft und bekommen gleichzeitig gesagt: Wenn ihr die deutsche Staatsbürgerschaft habt, dann kommt ihr bitte wieder und dann erhaltet ihr die türkische Staatsbürgerschaft ebenfalls. – Das war damals die Rechtslage, bevor wir dieses Thema in Angriff genommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das war nicht die Rechtslage! Das war rechtswidrig!)

Wir mussten uns leider von der generellen Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft verabschieden und mussten die Optionsregelung deswegen mitmachen, weil dies die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat erzwungen haben. Wir wollten das nie. Wir wollten eine andere Regelung und haben deshalb entsprechende Anläufe unternommen. Es war niemand anders – auch daran kann ich mich gut erinnern – als der vormalige Justizminister von Rheinland-Pfalz Caesar, der die Idee des Optionsmodells hatte. Werfen Sie uns das heute also bitte nicht vor. Wir waren seit 1998 immer klar in unserer Auffassung; das betrifft jedenfalls Rot-Grün.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer in einer Zeit, in der die Ausnahme zur Regel geworden ist, dass nämlich 53 Prozent der Einbürgerungen nach heute geltendem Recht unter Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft erfolgen, noch der Auffassung ist, man solle dieses Modell beibehalten, dem sage ich ganz klar und deutlich: Wir Sozialdemokraten – die anderen Antragsteller nehmen das auch für sich in Anspruch – sind der Überzeugung, dass die Einbürgerung nicht der endgültige Schlusspunkt jedweder Integration ist, sondern ein ganz wichtiger Zwischenschritt.

Wer demgegenüber der Meinung ist, es möge möglichst wenig Einbürgerungen und möglichst viele Hindernisse geben, der kann die Auffassung weiterhin vertreten, dass man gegen die doppelte Staatsbürgerschaft sei. Der Verlust der ausländischen Staatsbürgerschaft bei zwei Dritteln derjenigen, die in Deutschland eingebürgert werden wollen und könnten, aber von einem Antrag Abstand nehmen, ist der wirkliche Grund bzw. das Hindernis, dass wir zu wenige Einbürgerungsverfahren haben. Damit wollen wir endlich aufräumen und bitten allenthalben um Unterstützung. Die FDP sollte sich überlegen, ob sie nun dafür oder dagegen ist – heute oder in Zukunft.

Danke.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

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