Der Triebtäter
Was Hänschen nicht lernt…
Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Und ich will auch gar nicht. Weil im folgenden Fall sichtbar wird, wie tief jene rassistisch-xenophobe Abgrenzungstendenzen im Lande verwurzelt sind, über die wir uns bei jeder neuen Studie wundern, woher sie denn wohl kommen, und was das eigentlich für Menschen sind, die so denken.
Von Sven Bensmann Dienstag, 30.07.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 02.08.2013, 0:40 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im Marie-Schlei-Haus in Berlin-Reinickendorf wohnen, so berichtet eine Berliner Tageszeitung, besonders schutzbedürftige Flüchtlinge, etwa Behinderte, Schwangere und traumatisierte Menschen – einige von jenen wenigen, die trotz des faktisch abgeschafften Asylrechts in Deutschland einen solchen Status zugebilligt bekamen. Und einige dieser Menschen haben, wie sollte es anders sein, auch Kinder.
Besonders diese Kinder nun hält eine Reinickendorfer „Bürgerinitiative“ für besonders gefährlich; Worte von „Seuchengefahr“ (in einer Einrichtung der Arbeiter-Wohlfahrt) machen die Runde, von „sozialem Sprengstoff“ – bei den Ausgestoßenen jener Mehrheitsgesellschaft, welche sie so sehr ablehnt; was da wohl Henne und was Ei ist, soll jeder für sich beantworten.
Zum Schlachtfeld des Streits hat sich inzwischen insbesondere der Spielplatz einer Wohneigentümergemeinschaft gemausert: Schon in der frühen Kindheit, so weiß der ordentliche Deutsche, müssen die Grundlagen für Fremdenangst und -hass gelegt werden, denn Vorurteile, die ein Kind nie lernt, kann man auch einem Erwachsenen nicht mehr beibringen. Weil also der Spielplatz nicht nur der einzige weit und breit und für die Flüchtlingskinder gut erreichbar, sondern auch öffentlich zugänglich ist, spielen die Kinder gern dort: die Fertigstellung des eigenen Spielplatzes hatte sich schließlich bisher „aufgrund unverständlicher Auflagen des Bezirksamts“ verzögert, wie die AWO erklärt.
Also versuchen die Anwohner, durch Einflussnahme auf die AWO und allerlei Beschwerden bis hin zum Land Berlin zu verhindern, dass sich Kinder begegnen, womöglich miteinander spielen, um so ihren Spielplatz gegen eine Überfremdung durch Flüchtlingskinder zu schützen – wer sich hier unwillkürlich an „Blut und Boden“ (vielleicht eher „Blut und Sandkasten“) erinnert fühlt, liegt wohl nicht ganz falsch. Dasselbe gilt aber auch für „So ein Kindergarten!“.
Immerhin sind die Reinickendorfer bisher mit ihren segregationären Anliegen bei den Behörden stets auf taube Ohren gestoßen, zum Beispiel, weil auf einem öffentlich zugänglichen Spielplatz nicht einfach bestimmte Gruppen anlasslos ausgeschlossen werden dürfen, der Spielplatz also erst einmal gegen jede Öffentlichkeit baulich abgegrenzt werden müsste. Das wiederum scheint aber nicht im Sinne der „Bürgerinitiative“ zu sein: Ein Spielplatz, der leer bleibt, nur um Ausländer auszuschließen würde vielleicht auch auf eine zu offensichtlich extremistische Geisteshaltung schließen lassen.
Aber auch in Reinickendorfs übriger Bürgerschaft scheint es langsam zu gären: Die Grüne Claudia Peter erklärte auf Nachfrage der Zeitung, mehrere Nachbarn im Reinickendorfer Ortsteil Wittenau hätten sich bereits direkt an ihre Partei gewandt, weil sie die Stimmungsmache der „Bürgerinitiative“ dort als unerträglich empfinden. Ende des Sommers wolle man an die Öffentlichkeit gehen, um den Ausländerfeinden das Feld nicht mehr vollends zu überlassen.
Dann haben kleine Kinder, die dem Leid ihrer Heimat entflohen sind, bereits einen Sommer voller Anfeindungen erlebt, bloß weil sie gern auf einem Spielplatz spielen möchten, dessen Besitzer „Willkommenskultur“ für den Untergang des Abendlandes halten.
Ob aus diesen Kindern Jugendliche und Erwachsene werden, die sich lieber in „Parallelgesellschaften“ flüchten, in denen sie diesen Anfeindungen nicht mehr ausgesetzt ist, wird allein die Zeit zeigen. Aktuell Meinung
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Es gibt eine Vorgeschichte: Bis März diesen Jahres befand sich in dem Marie-Schlei-Haus ein von der AWO betriebenes Altenpflegeheim.
Das wurde kurzfristig in ein Übergangswohnheim für Asylbewerber umgewandelt – mit der Auflage dort Sport- und Spielmöglichkeiten auf dem Gelände für die Bewohner zu schaffen.
Diese Auflage befindet die AWO „unverständlich“ – gemeint ist wohl zu teuer, denn Spielgeräte kosten locker einige tausend Euro.
Die AWO als Betreiber eines Heims mit 190 Bewohnern, das erst seit wenigen Wochen besteht, sollte ihren Verpflichtungen nachkommen und gar nicht erst Konfliktpotential in eine ohnehin skeptische Nachbarschaft verlagern.
„Ob aus diesen Kindern Jugendliche und Erwachsene werden, die sich lieber in „Parallelgesellschaften“ flüchten, in denen sie diesen Anfeindungen nicht mehr ausgesetzt ist, wird allein die Zeit zeigen.“
Die Ausgrenzung und das Unrecht, was die Kinder erfahren, werden sie niemals vergessen. Jahre, Jahrzehnte werden vieleicht vergehen, aber sie werden nichts davon vergessen. Ich habe auch nichts vergessen. Nichts ist vergessen.
@Vendetta (Nomen est omen???)
„Jahrzehnte werden vieleicht vergehen, aber sie werden nichts davon vergessen. Ich habe auch nichts vergessen. Nichts ist vergessen.“
Als der zweite Weltkrieg vorbei war, war ich ein kleiner Junge. Was dann folgte, habe ich nicht vergessen. Ich habe auch nichts vergessen. Nichts ist vergessen! Glauben Sie mir, wir vergessen absolut nichts!
„Vandetta“:
Gerade auch Kinder speichern bestimmte negative sie abwertende Erfahrungen was ihre eigenen tieferen Identifikationen betrifft so nachhaltig, dass diese ein fester Bestandteil ihres „Gedächtnisses“ und damit vor allem auch ihrer „Emotionen“ werden. Erinnerungen die dann je nach Fall immer wieder im Leben der Person auftauchen können und dann wieder untertauchen, ohne jedoch jemals ganz abzutauchen.
Für die Praxis bedeutet dies gerade auch im Umgang mit Kindern aus Migrantenfamilien höchste Sensibilität walten zu lassen, gerade auch wenn es um ihre tiefen Identifikationen geht.
Für die Zukunft gilt; Fehler sind dazu da verbessert zu werden und aus ihnen zu lernen.
Josef Özcan (Diplom Psychologe / Amnesty International)
Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat mittlerweile einen Zaun um das Grundstück mit dem Spielplatz ziehen lassen:
http://www.berliner-zeitung.de/berlin/spielplatz-eingezaeunt-fluechtlingskinder-muessen-draussen-bleiben,10809148,23867006.html
Lionel hat recht, die AWO ist laut Umnutzungsgenehmigung eigentlich von Anfang an verpflichtet, einen Spielplatz zu haben. Die AWO ist der Bösewicht und Lügenbold, denn ein Zaun um den Spielplatz bestand schon seit 30 Jahren, nur wurde er jetzt erneuert. Flüchtlingsheime zu betreiben ist heute ein lukratives Geschäft, besonders, wenn man wie die AWO, personal spart und die Flüchtlinge am Wochenende sich selbst überläßt.
@ Bernd Mueller
Interessant, am Wochenende wird nicht ein Betreuer abgestellt für Asylantragsteller, die angeblich besonders traumatisiert und schutzbedürftig sein sollen?
Das kenne ich allerdings anders.
Solche Wohnheime zu betreiben war schon vor Jahrzehnten ein lukratives Geschäft der Sozialindustrie – für die AWO, deren Kreisverband, der das vormalige Pflegeheim in dem Haus betrieb und der Konkurs anmelden musste, ist es ganz sicher eins.