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Kılıçs kantige Ecke

Ein grüner Inklusionsansatz für das Einwanderungsland Deutschland

Wir sind es alle gewohnt, in Kategorien wie, „neu“ und „alt“; „mit“ und „ohne“ zu denken. Nach zwanzig Jahren ist immer noch die Rede von den „neuen Bundesländern“ und nach mehr als einem halben Jahrhundert sprechen wir immer noch von den „Gastarbeitern“. Oft verharren manche Kategorien, egal wie viel Zeit vorüber geht. Dabei hat sich in den letzten 60 Jahren so viel verändert.

Von Memet Kılıç Dienstag, 20.08.2013, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 21.08.2013, 23:30 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Wir befinden uns mit unserer Gesellschaft im Wandel; wir sind der Wandel. Eine Politik, die diesen Umstand ignoriert und der Realität nicht Rechnung tragen kann strebt keinen Zusammenhalt an, sondern Ausgrenzung. Für uns Grüne ist Vielfalt der Ausdruck von Vitalität und Pluralität einer freien Gesellschaft. Wir wissen aber auch, dass in dieser Vitalität auch der Problemdruck liegt. Denn Fakt ist, dass die gegenwärtige Strukturen unserer Gesellschaft sich dem Wandel nicht anpassen können.

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Deshalb wollen wir, die grüne Bundestagsfraktion, unsere Programmatik in der Migrationspolitik weiterentwickeln. Wir wollen unsere Integrationspolitik um den Ansatz der Inklusionspolitik vervollständigen. Inklusion ist eine der tragenden Säulen des internationalen Menschenrechtsschutzes: Inklusion baut gesellschaftliche Barrieren für allen Menschen ab, unabhängig vom sozialen und kulturellen Hintergrund, sozialer oder sexueller Identität, Alter, körperlicher oder geistiger Fähigkeiten. Eine inklusive Politik schätzt die Vielfalt von Lebensrealitäten.

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„Deutschland Vielfältig Denken“
Es geht darum, gesellschaftliche Institutionen und Voraussetzungen an die Vielfalt der Bevölkerung anzupassen. Mit unserem Fraktionspapier „Deutschland Vielfältig Denken- Ein grüner Inklusionsansatz für das Einwanderungsland Deutschland“ möchten wir dazu beitragen, den international anerkannten, umfassenden menschenrechtlichen Anspruch auf Inklusion in seiner ganzen Breite durchzusetzen.

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Inklusive Politik ist klassische Querschnittspolitik. Sie entwickelt bei der Suche nach ursachenorientierten Lösungen gesellschaftlicher Probleme ihre eigenen Ideen, ohne die Probleme zu ethnisieren oder individualisieren. Eine migrationsspezifische Inklusionspolitik kann ergänzend zu den notwendigen Reformen darauf hinweisen, auf welche Art und Weise die Strukturen an die vielfältigen Lebensentwürfe der in Deutschland lebende Einwanderer angepasst werden können.

In unserem Papier haben wir verschiedene Aspekte aus dem Blickwinkel des Inklusionsansatzes ausgeführt. Diese reichen von Sprachförderung, Erweiterung der politischen Teilhaberechte, einen Mentalitätswandel in Amtstuben bis hin zu institutioneller aber auch zivilgesellschaftliche Antidiskriminierungsarbeit.

Konservative Politik war jahrzehntelang durch eine systematische Integrationsverweigerung des Staates geprägt. Nichts anderes war die unselige Gastarbeiterpolitik. Allen Lippenbekenntnissen zum Trotz hat Merkels schwarz-gelbe Bundesregierung bei den Teilhabechancen wenig und bei den Gleichbehandlungsrechten nichts vorangebracht. Sie hat zwar den Integrationsbegriff übernommen, ihn in der Praxis aber zunehmend diskreditiert. Schaut man hinter die Kulissen erschöpft sich der konservative Integrationsansatz weitgehend darin, Menschen mit erhobenem Zeigefinger ständig zur Einordnung in eine sog. Leitkultur aufzufordern.

Für uns Grüne sind die zentralen Grundwerte und Regeln des Zusammenlebens die der deutschen und europäischen Verfassungstradition: Freiheit und Demokratie sowie die Gleichheit aller Menschen und der Geschlechter, sowie ein selbstbestimmtes Leben für alle.

Probleme dort lösen, wo die Ursachen liegen!
Der Inklusionsansatz erweitert den Blick und öffnet die bisherigen Denkschubladen. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der nicht in jedem sozialen Problemfeld, auch wenn die Ursachen offenkundig woanders liegen, zwanghaft nach dem Migrationshintergrund gesucht wird. Zum Beispiel hängen in Deutschland wie in kaum einem anderen Land der Bildungserfolg und die Chancen am Arbeitsmarkt von der sozialen Herkunft ab. Das schlechtere Abschneiden von Menschen mit Einwanderungsgeschichte hat also, wie die offiziellen Bildungsstatistiken und Arbeitsmarktforschungen belegen, nichts mit ihrem „Migrationshintergrund“ zu tun. Kinder aus bildungsfernen und finanziell schwächeren Elternhäusern haben beispielsweise zwei mal geringere Chancen eine Gymnasialempfehlung zu bekommen, als Akademiker-Kinder, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Am Arbeitsmarkt werden junge und gleich qualifizierte Menschen benachteiligt, weil sie keinen deutsch klingenden Namen haben. Die Ursachen hierfür liegen in der sozialen Selektion unserer Strukturen sowie an Rassismus und Diskriminierung und nicht an bestimmten sozialen Gruppen, die an diesen Hürden scheitern. Deshalb gilt wie überall auch für einen inklusiven Politikansatz in einer Einwanderungsgesellschaft das Motto: Probleme dort lösen, wo die Ursachen liegen!

Gemeinsam für eine bessere Zukunft
Ein inklusiver Politikansatz in einer Einwanderungsgesellschaft setzt auf eine Abkehr von Defiziten hin zu einer Chancenorientierung. Es beruht darauf, die Flexibilität und Vielfältigkeit der Möglichkeiten gesellschaftlicher Räume und sozialer Dienste neuzugestalten. Hierfür werden Mehrsprachigkeit, Mehrfachzugehörigkeit und herkunftskulturelles Wissen als Potenzial erkannt, genutzt und gefördert.

Rechtliche Gleichbehandlung, Teilhabe und Chancengleichheit, das ist der dreifache Auftrag von Inklusion. In einer inklusiven Gesellschaft sind alle dazu aufgerufen, Hindernisse zu beseitigen, die Menschen am gesellschaftlichen Aufstieg hindern.

Der Weg zu einer inklusiven Gesellschaft mit fairen Teilhabechancen ist lang und steil. Doch wir Grünen haben den Antrieb! Aktuell Meinung

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  1. mo sagt:

    Der Inklusionsansatz ist durchaus sympathisch. Mutig sind die Grünen auch. In Wahlkampfzeiten über Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer nachzudenken:
    „Die Grünen in Baden-Württemberg prüfen die Wiedereinführung von Studiengebühren. Betroffen wären allerdings nur Nicht-EU-Ausländer – Studenten aus den USA oder Asien könnten sich das leisten, so das Ministerium.“ (Quelle: spon)

  2. Ochljuff sagt:

    Sehr guter Ansatz, Herr Kilic, aber eben unglaubwürdig, wenn Sie dies für Ihre Partei in Anspruch nehmen.
    „Für uns Grüne sind die zentralen Grundwerte und Regeln des Zusammenlebens die der deutschen und europäischen Verfassungstradition: Freiheit und Demokratie sowie die Gleichheit aller Menschen und der Geschlechter, sowie ein selbstbestimmtes Leben für alle.“ passt nicht recht dazu, dass die grüne Partei, wo sie Regierungsverantwortung hat (Baden-Württemberg), über die Einführung neuer struktureller Diskriminierungen nachdenkt (Gebühren nur für Ausländer*innen)! Zum europäischen Gedanken passt es auch nicht, zumindest wenn der europäische Gedanke mehr sein soll als eine Wirtschaftsunion und wie der Bolognaraum über die EU hinausgeht. Dass diese strukturellen Diskriminierungen ganz wesentlich auf den Bildungserfolg Einfluss nehmen, wissen Sie ja aus der Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die sie ja pressemässig auch schon bearbeitet haben. Dass ausländischen Studierenden besonders häufig Studienerfolg durch finanzielle Schweirigkeiten erschwert wird, ist dieser Studie (wie auch vielen anderen) ebenfalls zu entnehmen.

    Also: nicht nur schöne Artikel schreiben, sondern bitte, wo Ihre Partei dran ist, auch mal danach handeln, und nicht das Gegenteil machen! Sie selbst haben doch ihren Wahlkreis in Baden-Württemberg, und trotzdem macht ihre Partei dort einen solchen […]!

  3. posteo@lothar.busold sagt:

    Die neuen Bundesländer werden ihren Namen wahrscheinlich behalten, genau wie das neue Schloss in Stuttgart, obwohl dieses inzwischen gut 200 Jahre auf dem Buckel hat.

  4. Nun, was ich immer wieder vermisse ist die „Kunst der Dialektik“.
    Würde diese öfter zum Tragen kommen, dann kämen auch öfter Beiträge zu Stande, die nicht nur „Wind machen“, sondern konkret aufzeigen wie es funktionieren kann … Gebetsmühlenartig ist z.B. zu hören, dass soziale Probleme nicht „ethnisiert“ werden sollten.

    Wo ist aber auch nur ein einziger wirklich kreativer und durchschlagskräftiges Projekt, das z.B. genau diesen Mechanismus der Ethnisierung von sozialen Problemen zu bearbeiten sucht, und zwar ganz spezifisch. (?)

    Josef Özcan (Diplom Psychologe)