Anerkennungsgesetze der Länder
Noch lange nicht ausreichend
Die Gesetze der Länder zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse werden in Fachkreisen und Medien hochgelobt. Doch ein Blick hinter die Fassade offenbart eklatante Mängel. Bis auf einige Ausnahmen helfen die Gesetze nicht.
Von Bettina Englmann Montag, 26.08.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 30.08.2013, 1:49 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Seit dem 1.8.2012 haben sieben Bundesländer eigene Anerkennungsgesetze verabschiedet: Hamburg, Saarland, Niedersachsen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Positive Würdigungen erfolgten nicht nur durch die beteiligten Landesregierungen, sondern auch durch diverse Medien, Institute und Wirtschaftsverbände.
Man freute sich, dass nun in landesrechtlich geregelten Berufen Anerkennungsrechte geschaffen würden. Für die Unternehmen vor Ort entstünde die Chance, den zunehmenden Fachkräfteengpässen zu begegnen. Durch eine Vereinheitlichung würde endlich Chancengleichheit im Verfahren geschaffen, da nicht mehr nach Staatsangehörigkeit unterschieden werde – ein positiver Beitrag zur Integration. Doch diese Annahmen sind ungerechtfertigt.
BQFG = Anerkennungsgesetz? Ein Missverständnis
Das Anerkennungsgesetz des Bundes war keineswegs die erste rechtliche Regelung zu Anerkennungsansprüchen. Seit Jahrzehnten verfügt Deutschland über Anerkennungsrechte in den Berufsfachgesetzen des Bundes und der Länder. Die geringen Antragszahlen zeigten, dass ein Verfahrensanspruch nicht ausreicht, um eine erfolgreiche Verwaltungspraxis zu schaffen.
Mit dem Anerkennungsgesetz sollte eine zentrale Forderung erfüllt werden: Die rechtlichen Unterschiede für EU-Bürger und Drittstaatsangehörige sollten aufgehoben werden. Zudem sollte ein transparenter und einheitlicher Verfahrensverlauf für alle Berufe genutzt werden, damit die Akteure (Migranten, Arbeitgeber, Berater etc.) nachvollziehen können, wie sich der Bildungstransfer praktisch gestaltet. Im Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz, kurz BQFG, wurden diese Ansprüche umgesetzt: Die Verfahrensprivilegien des EU-Rechts – Anspruch auf Ausgleichsmaßnahmen, um nach einer Teilanerkennung das Verfahren in einem zweiten Schritt positiv abzuschließen – wurden auf alle Antragsteller ausgedehnt.
In den Anerkennungsgesetzen des Bundes und der Länder bildet das BQFG jedoch nur den Artikel 1. Wer wissen will, welche Regelungen tatsächlich für einen bestimmten Beruf gelten, muss weiter lesen. Erst in den Artikeln 2ff. wird ersichtlich, ob die Fortschritte des BQFG in den Berufsfachgesetzen umgesetzt wurden. In der Öffentlichkeit entstand jedoch der Eindruck, die Bestimmungen des BQFG würden für alle Berufe gelten, sobald das jeweilige Landesanerkennungsgesetz in Kraft tritt. Doch bisher hat jedes Landesanerkennungsgesetz diverse Berufe von der Anwendung ausgeschlossen. Dass damit zusätzliche Fachkräfte aus dem Ausland angelockt werden, ist wenig wahrscheinlich.
Ingenieure, Lehrer und Erzieher – weitgehend außen vor
Fachkräfteengpässe bestehen bereits heute bei Ingenieuren, Lehrern und Erziehern; sie werden aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmen. Quantitativ sind diese landesrechtlich geregelten Berufe für die Zugewanderten besonders wichtig. Für die pädagogischen Berufe gilt, dass Migranten bei den Beschäftigten deutlich unterrepräsentiert sind. Auf Länderebene wird die Frage, wie die Zahlen erhöht werden können, seit Jahren diskutiert. Eine gezielte Einbindung der Lehrer und Erzieher mit ausländischen Abschlüssen wäre durch Anpassungslehrgänge, die das BQFG vorsieht, möglich.
Wer erwartet, dass die Landesregierungen sich bei den Ingenieur- und Lehrerbildungsgesetzen sowie den Erzieherverordnungen besondere Mühe gaben, die veralteten Anerkennungsregelungen zu ersetzen, sieht sich enttäuscht.
Eine Flexibilisierung der Anerkennungsrechte für Lehrer findet sich nur in Hamburg. Erstmals haben auch Lehrer aus Drittstaaten das Recht auf individuell zugeschnittene Anpassungsmaßnahmen erhalten, über das EU-Bürger längst verfügen. Um diese Lehrer tatsächlich in den Schuldienst zu bringen, wurden die Laufbahnregelungen angepasst, die in Deutschland vorsehen, dass zwei Fächer unterrichtet werden. International ist es üblich, dass Lehrer sich auf ein Fach spezialisieren. Lehrer aus dem Ausland können nun in Hamburg auch für ein einzelnes Fach eingestellt werden. Obwohl Hamburg das erste Land mit eigenem Anerkennungsgesetz war, hat diese Erfolg versprechende Regelung bisher keine Nachahmer gefunden.
Die Erzieherverordnungen wurden mehrheitlich nicht an das BQFG angepasst. Nur das Saarland sieht explizit vor, dass alle Antragsteller das Angebot von Ausgleichsmaßnahmen erhalten sollen. Bayern schafft erstmals ein umfassendes Verfahren nach dem BQFG für akademisch ausgebildete Erzieherinnen („Kindheitspädagogen“); dies begegnet der international verbreiteten Akademisierung des Berufs.
Auch die Ingenieurgesetze wurden links liegen gelassen. In sechs Anerkennungsgesetzen wurde festgelegt, dass es keine Umsetzung des BQFG geben solle. Nordrhein-Westfalen bildet die einzige Ausnahme.
Neun Landesparlamente können noch aktiv werden
Auch wenn die Zwischenbilanz mager ausfällt, so bestehen doch für neun Parlamente noch alle Chancen. Sie können ihre Gesetzentwürfe so weit verbessern, dass eine umfassende Umsetzung der BQFG-Regelungen im Fachrecht erfolgt. Besondere Aufmerksamkeit sollte den Passagen gelten, die aus den Fachministerien kommen. In vorgelegten Gesetzentwürfen findet sich teilweise die Formulierung, es gäbe bereits „spezialgesetzliche Regelungen“ im jeweiligen Berufsfachrecht. Die Interpretation, dass die BQFG-Rechte im Land längst vorhanden seien, trifft leider niemals zu. Leitartikel Meinung
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Der grundsätzlichen Kritik kann ich zustimmen, aber im Detail folgender Hinweis: auch in Hamburg werden Erzieher_innen nach dem Landes-BQFG anerkannt, Anpassungslehrgänge gibt’s ebenfalls.
Ich stimme der Kritik auch grundsätzlich zu und hoffe, das die Möglichkeiten der beruflichen Anerkennung und vor allem gut durchdachte Anpassungsmaßnahmen (beispielsweise berufsfachsprachliche Deutschkurse) in den nächsten Jahren weiter ausgebaut und entwickelt werden. Die Anerkennung allein stellt nämlich noch lange nicht die erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt da. Eine kleine Korrektur auch meinerseits: bei der Anerkennung von Ingenieurs-Qualifikationen geht es vor allem um die Führung des deutschen Berufstitels „Ingenieur“. Die Tätigkeit im Beruf ist unter der Verwendung des ausländischen Originaltitels auch ohne Anerkennung möglich. In Berlin ist es für Personen mit ausländischen Ingenieurs-Qualifikationen möglich sich die Führung des deutschen Berufstitels genehmigen zu lassen – unabhängig vom Land des Abschlusses. Darüber hinaus ist im Zuge des BQFG ein bundesweites Beratungsnetzwerk, das „Netzwerk Integration durch Qualifizierung“ entstanden, was zumindest zuverlässige Informationen zur Anerkennung bietet.
Fortschritte in diesem Bereich sind ein erster Schritt, aber strategisch halte ich es für unschlüssig. Nehmen wir einmal die drei Berufsgruppen: Erzieher, Lehrer und Ingenieure, die einen ausländischen Abschluss haben. Für diese Berufsgruppen hat ein ausländischer Staat Steuergelder verausgabt, die Einwanderung in die BRD ist ein hochqualifizierter Arbeitskräfte-Export. Die BRD erkennt die Abschlüsse nicht an und erhält dadurch weniger Steuereinnahmen, aber auch die Einnahmen des Herkunftsstaates durch Steuereinnahmen aus Tourismus, Rücküberweisungen, Investments und internationale Telefonate fallen durch Nicht-Anerkennung geringer aus. Beide Staaten könnten durch Kooperation ihre Auszahlung verbessern, dennoch tun sie das nicht. Warum ? Weil die Entscheidungsmacht bei den Landesregierung liegt. Die Lösung wäre also, die Entscheidungsmacht über die Anerkennung der Bildungsabschlüsse an eine intergovernmentale Institution auf UNO Ebene zu delegieren. Alternativ kann man hochqualifizierten Arbeitskräfte-Export auf den Welthandelsrunden zusammen mit Güterhandel und Dienstleistungen verhandeln und analog Sanktionen vereinbaren. Z.B. sollte der Auswanderungsstaat im Falle der Nicht-Erfüllung einer festgesetzten Anerkennungsquote das Recht erhalten, Strafzölle auf Gütergruppen zu erheben gegen den Einwanderungsstaat. Bei Übererfüllung der Anerkennungsquote können Zollschranken gesenkt werden.