Vorurteile
Der ewige Kampf
Wir wissen alle, dass der Mensch immer das Unbekannte diskriminiert. Aber haben wir uns je gefragt, was das Unbekannte ist oder wer die Unbekannten sind, dass sie in vorherigen Jahrhunderten nicht akzeptiert, unterdrückt, öffentlich erniedrigt, ausgegrenzt und exekutiert wurden?
Von Deniz Ismaili Dienstag, 29.10.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 04.11.2013, 9:51 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Wie können wir etwas über eine Gruppe von Leuten sagen, wenn wir sie überhaupt nicht kennen? Wie können wir anhand ihres Aussehens, ihrer Nationalität, Religion oder ihres sozioökonomische Status etwas über ihren individuellen Charakter aussagen? Wir müssen uns fragen, ob wir wirklich alle gleich vor dem Gesetz sind oder ob bestimme Menschen eine privilegierte Position in der Gesellschaft haben? Sind wir alle gerecht, ehrlich und friedlich oder sind wir Lügner, Diebe und Verbrecher? Sie fragen sich nun, weshalb ich so viele Fragen stelle und ob ich keine richtigen Antworten auf diese Fragen habe. Aber ich werde jetzt nicht über die Antworten auf diese Fragen reden.
Wir leben im 21. Jahrhundert. Auf diesem Planeten leben heute sieben Milliarden Menschen. Eine Milliarde Menschen leben in Indien, dem Herkunftsland meiner Vorfahren. Als im 11. Jahrhundert die großen Kriege zwischen den Königreichen in Indien begannen, flohen sie massenhaft in alle Richtungen der Welt.
Meine Vorfahren haben ihr Heimatland nicht aus eigenem Willen verlassen, sie waren gezwungen, das Land zu verlassen und verließen Indien mit der Hoffnung, Friede und ein ruhiges Leben in anderen Teilen der Welt zu finden. Die Geschichte ist traurig und den meisten Menschen unbekannt.
Ein Mensch ohne Herkunft, Religion, Kultur und natürlich Sprache ist wie ein Körper ohne Seele, ohne Identität. Erst wenn er seine Seele gefunden hat, wird er anfangen zu leben. Mein Volk sucht seit Jahrhunderten das versprochene Land, in dem es froh, gleich und herzlich sein kann. Aber was ist bisher passiert, was ist los?
Wir sind noch immer nicht akzeptiert – wir sind unbekannt. Ich weiß, dass mein Volk in manchen Ländern in Massen ermordet worden ist. Kinder wurden getötet und Frauen sterilisiert, weil es keine nächste Generation mehr geben sollte. Auch ihre Zungen haben sie ihnen abgeschnitten, um zu verhindern, dass sie ihre Sprache sprechen können.
Wir wissen, was im Holocaust, während des Zweiten Weltkriegs passierte, was mit meinem Volk gemacht wurde. Die offizielle Statistik besagt, dass eine halbe Million (500.000) unschuldige Menschen dem Genozid zum Opfer gefallen sind. Wir sind immer noch da und werden immer da sein, weil wir vor Gott alle gleich sind. Die Mehrheit von euch nennt uns Zigeuner – Menschen, die überall für Ärger und Zerstörung sorgen.
Aber es ist genug mit diesen Stereotypen und Stigmatisierungen. Wir sind nicht Zigeuner, wir sind Roma!
Wir haben eine Herkunft, Sprache, Flagge und Hymne. Wir sind Roma, trotz aller Schmerzen und Schwierigkeiten bewegen wir uns jeden Tag und kämpfen für eine bessere Zukunft. Wir geben die Hoffnung nicht auf, bis zu dem Tag, an dem wir gleich, akzeptiert und glücklich sein werden.
Es gibt drei Typen von Menschen: Kämpfer, Feiglinge und Verräter. Leider gibt es bei uns mehr Verräter und Feiglinge als Kämpfer. Warum schreibe ich das? Ich weiß, dass viele Leute ihre Identität, Herkunft und Sprache verloren und sich assimiliert haben, um akzeptiert zu werden. Sie haben Angst, denn Roma zu sein ist in dieser modernen Welt wie von einem Virus infiziert zu sein, den nur die Stärksten und die Tapfersten überleben.
Ich weiß, dass die Geschichte sich wiederholt. In der Vergangenheit haben die Juden das Gleiche erlebt. Aber sie müssen heute keine Angst mehr haben, Juden zu sein. Sie sind von der Gesellschaft als gleiche, freie Menschen akzeptiert. Auch eine andere Gruppe, die Afroamerikaner, waren in den frühen sechziger Jahren nicht akzeptiert, aber heute haben wir einen Afroamerikaner, Barack Obama, als Präsidenten der USA. Heute sind wir die Roma…
Und ich frage mich, ob wir verurteilt sind zu einem ewigen Kampf gegen die Stereotypen und die Demütigung? Ich bin aber auch überzeugt, es wird die Zeit kommen, in der wir auch akzeptiert und gleich sein werden wie alle Bürger Europas. Dann bedrückt mich aber die Frage, wer die Nächsten sein werden. Aktuell Meinung
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Liber Deniz Ismaili,
vielen Dank für deinen Meinungsbeitrag. Dieser lädt durchaus zum Nachdenken an.
Beste Grüße,
Merfin
https://twitter.com/IsmailiDeniz
Gern Merfin Demir :)
Ich finde es höchst problematisch dass der autor hier „verräter und feiglinge“ in einen zusammenhang mit menschen bringt, die eine andere identität für sich gewählt haben, als es dem autoren recht zu sein scheint. Damit bestätigt er rassistisch-genetische denkweisen und der sprachgebrauch verräter ist eher bekannt von allen möglichen formen der zwangsgruppe. Ich fühle mich jedoch frei, meine identität selber zu bestimmen, ohne dass ich mich deswegen als Verräter beschimpfen lassen müsste.
Auch das bild dass hier von juden gezeichnet ist für einen bachelor erschreckend naiv: Juden müssen keine angst mehr haben? Warum stehen vor jeder synagoge weltweit schwerbewaffnete polizisten?!
„Es gibt drei Typen von Menschen: Kämpfer, Feiglinge und Verräter. Leider gibt es bei uns mehr Verräter und Feiglinge als Kämpfer. Warum schreibe ich das? Ich weiß, dass viele Leute ihre Identität, Herkunft und Sprache verloren und sich assimiliert haben, um akzeptiert zu werden.“
Manche Autoren scheinen nicht zu bemerken, dass sie den Rassisten und Nationalisten, die sie eigentlich bekämpfen wollen im Geiste näher stehen als ihnen lieb ist. Die wahren Kämpfer sind diejenigen, die nicht ausgewandert sind und in ihren Heimatländern für ein besseres Leben und Wohlstand „kämpfen“. Feiglinge und Verräter sind diejenigen die vor diesen Aufgaben geflüchtet sind (wenn überhaupt)! Das ist nicht meine Meinung, aber in der Logik des Artikels vielleicht ein bisschen konsequenter, wenn man überhaupt zwischen Verräter, Feiglinge und Kämpfer unterscheiden will. Assimilation ist ein normaler Vorgang und wer anfängt Menschen zu verachten, die sich dafür entschieden haben sich ihrer neuen Umgebung anzupassen, sollten sich mal ernsthaft durch den Kopf gehen lassen, was auf der Welt los wäre, wenn alle so gedacht hätten und immer noch denken würden!
„kämpfer, feiglinge und verräter“ ? drei typen menschen- so einfach ist das. und natürlich sind unsere leute die schlimmsten …bei solchen roma-aktivisten brauchen wir bald keine gadje mehr, die uns fertig machen!
es gibt viele roma, die täglich gute arbeit an zusammenhalt und community leisten und es gibt viele roma, die gerade aus der erfahrung des verlustes von sprache und romanipe politisch aktiv werden, es gibt alte, die diese jungen menschen unterstützen, es gibt roma vereine, die sich politisch engagieren und viele einzelne roma, aus deren worten liebe und respekt zu ihren leuten spricht! ich frage mich warum migazin nicht in der lage ist solche leute sprechen zu lassen?
Herr Ismaili lassen sie sich von meinen Vorrednern nicht entmutigen. Diese Leute verstehen nichts von Kultur und ganz offensichtlich fehlt es auch an Selbstvertrauen in die eigene Kultur. Sie haben Angst dass sie sich selbst verlieren. Und Angst treibt die Menschen bekanntermaßen in die Asozialität.
@sunny
Die Kritik an Assimilierten und Aufsteigern ist sehr berechtigt, weil sie die Augen vor der Wirklichkeit verschließen – und damit die Rassifizierung und die Unterdrückung fortsetzen. In den USA nennt man sie People-Of-Color Konservative. Das sind Menschen mit den festen Glauben, Rasse und Ethnizität transzendieren zu können, seltsamerweise schreiben sie dann Biographien, wo explizit Rasse und Ethnizität als Barrieren spielen. Das wird individuell als „Abhärtungsprozedur“ dargestellt, und es wird dafür von der Dominanzgesellschaft Beifall erwartet.
Sozioökonomisch marginalisierte Minderheiten können Identitäten nicht wählen, sondern ihre soziale und ökonomische Rolle wird durch den Gesetzgeber organisiert und durch öffentliche Diskurse legitimiert.
Der Diskursstar Chancengleichheit schafft die Kinderrei, dass jeder glaubt wirklich seines eigenen Schicksals Schmied zu sein. Ein einfacher Blick in das soziologische Schriftum lehrt aber in jeder Generation etwas anderes.
Man kann die Existenz rassischer und ethnisierender Identitätspolitik seitens der hegemonialen Meinungsmacher nicht zum Verschwinden bringen, indem man meint, die Abgestempelten so hypnotisieren zu können, dass sie nicht mehr glauben, als „Andere“ identifiziert zu werden, wenn sie sich nur nicht selbst so identifizieren.
Han Yen sagt:
„…Die Kritik an Assimilierten und Aufsteigern ist sehr berechtigt, weil sie die Augen vor der Wirklichkeit verschließen – und damit die Rassifizierung und die Unterdrückung fortsetzen. .. Das sind Menschen mit den festen Glauben, Rasse und Ethnizität transzendieren zu können, seltsamerweise schreiben sie dann Biographien, wo explizit Rasse und Ethnizität als Barrieren spielen. …“
Einerseits wird die Existenz von menschlichen Rassen inzwischen in Frage gestellt und auch gefordert, seine Mitmenschen nicht in ethnische Schubladen zu stecken.
Aber dann wird seitens des Autors den Roma das individuelle Recht abgesprochen, selbst zu entscheiden, wie weit sie diese ethnische Zugehörigkeit leben und auch nach außen tragen möchten.
Dabei hinkt für mich auch der Vergleich mit den Schwarzen. Phänotypisch unterscheiden sich Roma von den anderen Europäern relativ wenig, es gibt auch naturblonde Roma, so wie es auch dunkelhaarige Nordeuropäer gibt. Ich hatte längere Zeit beruflich mit einer Sinti-Familie zu tun und erfuhr erst ziemlich spät, dass sie Sinti waren. Für mich waren sie aufgrund ihres Dialekts waschechte Kurpfälzer und sonst gar nichts.
Wie ich mit der Formulierung „wie weit sie DIESE ethnische Zugehörigkeit leben wollen…“ zum Ausruck bringen wollte, sind Roma ja nicht nur Roma, sondern auch Vertreter einer jeweiligen Region, Nation und eines Kontinents (es gibt zumindest auch amerikanische und indische Roma, genaueres weiß ich nicht).
Darüber hinaus teilen sich die Roma in Europa selbst in mehrere Volksgruppen mit ganz unterschiedlichen Traditionen, autochtonen Dialekten, bis hin zu unterschidlichen Sprachen (Romanes und Sintitikes) und auch einer jeweils ganz unterschiedlichen Geschichte.
Von daher ist die Fordeung des Autors, sich zu seiner Roma-Identität zu bekennen, durchaus diskussionsbedürftig.
Haben die „FEiglinge und Verräter“ wirklich Angst – oder gefällt ihnen vielleicht die andere Lebensweise und/oder Kultur einfach besser?
Und macht sie das dann zu schlechteren „Roma“ ? JEder darf doch selber Entcheiden wie er lebt!
Zudem „Wir sind keine Zigeuner, wir sind Roma“ ist auch nicht korrekt. Jeder Mensch für sich alleine entscheided was er ist – das kann nie jemand anders für ihn tun. ER kann gerne sagen „ICH bin Roma“, aber das war es dann schon.