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Neue Chance?

Tauwetter im iranisch-westlichen Verhältnis

Seit Amtsbeginn des neuen iranischen Präsidenten Hassan Rohani hat sich das Verhältnis zwischen dem Iran und dem Westen deutlich entspannt. Grund ist vor allem die veränderte, nun vergleichsweise gemäßigte Rhetorik aus Teheran. Zudem scheint der Iran im Atomkonflikt neuerdings zu weitreichenden Zugeständnissen bereit zu sein. Zeichnet sich eine historische Wende im zerrütteten Verhältnis zwischen dem Iran und dem Westen ab?

Von Julian Kerkhoff Mittwoch, 06.11.2013, 8:26 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 07.11.2013, 21:09 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Das diplomatische Potential des charismatischen Rohani jedenfalls scheinen viele Politiker im Westen schon frühzeitig erkannt zu haben. So gratulierte neben US-Präsident Barack Obama auch der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck dem neuen iranischen Präsidenten zu seinem Wahlsieg. Dieser startete seinerseits mithilfe seines Teams eine in der Geschichte der Islamischen Republik bisher beispiellose Charme-Offensive.

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Mit Rohani macht der Iran eine gute Figur
Bereits in seiner ersten Pressekonferenz erklärte Rohani, die seit Dezember 2009 abgebrochenen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm wieder aufnehmen zu wollen. Dass er als neuer Präsident im Gegensatz zu seinem Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad jetzt der Diplomatie den Vorrang geben wolle untermauerte Rohani mit der Aussage, dass Ergebnisse in den Verhandlungen nur durch Gespräche und nicht durch Drohungen erreicht werden könnten. Auch die Absetzung des als Hardliner bekannten Saeed Jalili, der zuvor Chefunterhändler bei Verhandlungen bezüglich des iranischen Atomprogramms war, wirkte im Westen sehr positiv. Die veränderte Haltung Irans machte sich schließlich auch in den mit Spannung erwarteten Gesprächen über sein Atomprogramm bemerkbar, die Mitte Oktober in Genf stattfanden. Hier war es vor allem die von der Islamischen Republik signalisierte Bereitschaft, die Urananreicherung zu begrenzen und die Atomanlagen einfacher kontrollieren zu lassen.

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Doch nicht nur bei den Atomverhandlungen macht der Iran neuerdings eine gute Figur. So nahm die westliche Presse vergangenen September erstaunt zur Kenntnis, dass Rohani via Twitter Juden in aller Welt zu ihrem Neujahrsfest gratulierte. Auch hier zeigte sich eine deutliche Abgrenzung der Politik Rohanis zu der seines Vorgängers Ahmadinedschad. Dieser ließ bekanntlich keine Gelegenheit aus, mit wiederholten Holocaust-Leugnungen sowie der ständig geforderten Vernichtung Israels, den Iran in der Wahrnehmung der Weltöffentlichkeit als einen Hort des Antisemitismus erscheinen zu lassen.

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Die Vorteile der iranisch-westlichen Annährung
Freilich wird Rohanis Charme-Offensive wohl nicht zuletzt auch der Versuch sein, die unter Ahmadinedschad verspielte Integrität in der Welt wiederherzustellen. Dessen konfrontative Politik hatte den Iran zunehmend in die politische Isolation geführt und Sanktionen provoziert, unter denen die Wirtschaft und die Bevölkerung des Landes heute leiden.

Doch geht es dem Iran wohl nicht allein um eine Lockerung der Sanktionen. Bald 34 Jahre nach der Ausrufung der Islamischen Republik möchte der Iran, dass seine politische Integrität nicht länger bedroht wird. Allzu oft mischte sich Amerika in die inneren Angelegenheiten Irans ein. So wurde 1953 mithilfe des amerikanischen Geheimdienstes CIA ein demokratisch gewählter iranischer Premierminister gestürzt. Zuletzt bezeichnete der ehemalige US-Präsident George W. Bush den Iran gar als Teil einer „Achse des Bösen“. Seitdem waren immer wieder Angriffsszenarien gezeichnet worden, die mitunter auch den Sturz des politischen Systems in Iran mit einbezogen haben. Und schließlich holten bisher nicht überführte Gegner Irans in der Vergangenheit immer wieder zu Mordanschlägen gegen die politische Führung sowie gegen Atomwissenschaftler aus.

Annäherung könnte sich auszahlen
Doch auch für den Westen könnte sich eine Verbesserung seines Verhältnisses zum Iran auszahlen. So bestünde für die USA zum ersten Mal seit 1979 die Aussicht, wieder umfassende Handelsbeziehungen mit dem Iran aufzubauen. Das wiederum könnte nicht nur der angeschlagenen US-Wirtschaft zu neuem Schwung verhelfen. Durch ein Ende des Öl-Embargos würde sich zudem die Abhängigkeit der USA vom saudischen Erdöl relativieren. Erwünschter Nebeneffekt: der gegenwärtig bei über 100 US $ liegende Ölpreis könnte nach einer Analyse der Investmentgesellschaft Merril Lynch auf 20 US $ fallen. Auch die deutsche Wirtschaft könnte substanziell von einem Ende der Iran-Sanktionen profitieren, und damit an die traditionell guten wirtschaftlichen Beziehungen Irans zur Bundesrepublik anknüpfen.

Ein normalisiertes Verhältnis zwischen dem Iran und dem Westen hätte schließlich auch sicherheitspolitische Bedeutung für die gesamte Region des Mittleren Ostens. Dort sind viele Konflikte ohne die Regionalmacht Iran mittlerweile kaum noch beizulegen. Würde der Westen hier mit dem Iran an einem Strang ziehen, könnte endlich Bewegung in den syrischen Bürgerkrieg sowie in den Palästinenserkonflikt kommen. Auch in Afghanistan und Irak könnte der Iran einen Beitrag zur Lösung der seit Jahren schwelenden Gewalt beitragen. Letztlich haben der Iran und der Westen in der Region oft gleiche Interessen: beiden Seiten geht es darum, Sicherheit herzustellen sowie das Drogengeschäft in Afghanistan zu zerschlagen, dessen größtes Opfer derzeit Iran ist.

Verhandlungen in Kürze
Tatsächlich böte eine weitere Verbesserung der iranisch-westlichen Beziehungen also überwiegend Vorteile. Rohanis Charme-Offensive sollte daher nicht zurückgewiesen werden. Noch scheint dessen Ölzweig-Politik zwar unter dem Segen von Revolutionsführer Ajatollah Ali Khameini zu stehen, der im politischen System Irans stets das letzte Wort in Fragen von Politik und Wirtschaft hat. Doch könnte dieser dem in seiner Heimat durchaus umstrittenen Präsidenten letztlich seine Zustimmung entziehen und ihm damit seiner Handlungsmöglichkeiten berauben: Schon bei der Rückkehr Rohanis von der UN-Generalversammlung in New York war der Widerstand von Teilen der Gesellschaft gegen seine Politik nicht zu übersehen. Am Flughafen von Teheran skandierten seine erzürnten Gegner „Nieder mit Amerika“. Außerdem wurde sein Konvoi laut Augenzeugenberichten mit Eiern beworfen. Rohanis Politik der Annäherung ist daher auf rasche Erfolge angewiesen, die ein Entgegenkommen des Westens voraussetzen. Andernfalls könnte die vielleicht vorerst letzte Chance zur Beilegung des Atomkonflikts vertan werden.

Klarheit über den weiteren Kurs der iranisch-westlichen Beziehungen wird in jedem Fall die Fortsetzung der Atomverhandlungen bringen. Diese wird der Iran und die fünf UN-Vetomächte sowie Deutschland am 7. und 8. November erneut in Genf führen. Aktuell Ausland

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