Dämmerlicht
Von der Einzigartigkeit der Maßstäbe
Die meisten Probleme entstehen nicht weil es unterschiedliche Menschen gibt, sondern weil unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden. Navid Dastkhosh-Issa über Selbstverständliches, das trotzdem immer wieder gesagt werden muss.
Von Navid Dastkhosh-Issa Montag, 11.11.2013, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 13.11.2013, 17:27 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Jeder Mensch ist einzigartig. Das scheint eine Tatsache zu sein, und dennoch ist es vonnöten hervorzuheben, dass den Menschen ihre Einzigartigkeit erlaubt sein sollte. Neben seiner Einzigartigkeit ist der Mensch jedoch auch ein soziales Wesens, das Gruppenzugehörigkeit sucht und im Grunde für ein gesundes psychisches Gedeihen und eine gesunde Selbstwahrnehmung die offenen Arme und die positive Resonanz (s)einer Gruppe bedarf. Sowohl die einzelnen Familien als auch ganze Völker haben wiederum ihre Eigenarten, Traditionen und Bräuche, die dem jeweiligen Menschen eine Basis verschaffen, aus der er heraus wichtige Bausteine seiner Identität bildet.
Unterschiede gibt es somit überall; zwischen einzelnen Menschen; zwischen Völkern und auch innerhalb von Nationen. Zwar ist es im Zuge der vielen Migrationen zu „Vermischungen“ gekommen – unsere Welt hat heute sehr viel mehr „Grauschattierungen“ als noch vor einigen Jahrzehnten – diese wiederum sind aber ebenfalls „Neukreationen“, die sich von dem altherkömmlichen „schwarz“ und „weiß“ unterscheiden. Der Versuch also, Unterschiede zwischen Menschen zu negieren oder aber sie zu verteufeln, ist wahrlich nicht zugunsten der menschlichen Natur.
Dennoch ist es heute mehr denn je an der Tagesordnung, jegliche Art von Unterschieden zwischen Menschen für sozial-politische Probleme verantwortlich zu machen. Dabei entpuppen sich viele, vielleicht sogar die meisten der Probleme dieser Art beim näheren, ehrlichen und unvoreingenommenen Hinsehen als Umstände, deren Zustandekommen nicht auf der Unterschiedlichkeit der Menschen, sondern auf der Unterschiedlichkeit der Maßstäbe, mit denen gemessen wird, basiert. Wenn nicht alle, so doch viel zu viele Probleme innerhalb unserer Gesellschaft, aber auch im internationalen Bereich, entwickeln sich nicht dadurch, dass Menschen unterschiedliche Kulturen angehören, unterschiedliche Bräuche pflegen und unterschiedliche Feste feiern, sondern dadurch, dass mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen wird, sodass hierdurch einerseits Diskriminierungen jeglicher Art gepflegt und gehegt und andererseits Wut, Minderwertigkeitsgefühle, Missgunst usw. geradezu herangezüchtet werden.
So unterschiedlich und einzigartig Menschen auch tatsächlich sind, eines verbindet sie: Die meisten Menschen wollen im Grund dasselbe: ein Dach über dem Kopf, ein geregeltes Einkommen und ein Mindestmaß an Sicherheit. Diese Wünsche sind im Grunde – denkt man an die Reichtümer auf dieser Erde – eine Kleinigkeit und mehr als machbar, wären da nicht Unersättlichkeit, Habgier und das Abschalten des eigenen Gewissens und des eigenen Verstandes, die diesen kleinen Akt, das Mindeste an Gerechtigkeit innerhalb von Gesellschaften und Innerhalb von Nationen in die Tat umzusetzen, nicht zustande kommen lassen und die den allgegenwärtigen Anspruch der Humanität als eine daher gesagte Floskel entlarven.
Umso tragischer ist, dass viele Menschen sich von dem (fast ausnahmslos negativen) Gerede über unüberbrückbare Unterschiede und über „Unvereinbarkeiten“ beeinflussen lassen und dabei vollkommen vergessen, dass wir – unerheblich unserer Nationalität und Glaubensüberzeugung – alle „nur“ Menschen sind im gleichen Boot, mit denselben Grundbedürfnissen, ja mit ganz ähnlichen Wünschen für uns und unserer Zukunft.
Wir sind umgeben von dramatischen Problemen und menschengemachten Katastrophen unfassbaren Ausmaßes, wenn wir uns die Welt anschauen. Es mag naiv klingen, aber es sind immer noch die kleinen Teile, die das Große ausmachen. Jeder einzelne Mensch gestaltet den Gesamtzustand unserer Welt mit. Ob ich als Geschäftsfrau/mann meinen Kunden auf unehrliche Weise das Geld aus der Tasche locke, Abgemachtes nicht erfülle, anvertrautes Geld verschleudere, lüge und betrüge, ob ich als Freund/in Anteilnahme am Glück und Leid nur vortäusche, ob ich als Ärztin/Arzt zum Wohle des Portemonnaies unverantwortlich mit der Gesundheit von Menschen umgehe, ob ich als Verwandte/r meine Angehörigen in Stich lasse, ob ich als Mann meine Frau betrüge, als Frau den eigenen Mann hintergehe, als Eltern die Kinder vernachlässige, ob ich als Mensch in anderen Menschen keine Mitmenschen, sondern Konkurrenten sehe, ob ich – solange ich selbst nicht davon profitiere – vor dem Leid Anderer Augen und Mund zumache usw. usf. ; diese „Kleinigkeiten“ – tagtäglich von abermillionen Menschen praktiziert – erlauben, dass unsere Welt zu dem wird, was sie heute ist. Unsere unzähligen und zum Teil mit Selbstverständlichkeit ausgeführten Unverantwortlichkeiten anderen Menschen und im Grunde uns selbst gegenüber nähren die Ungerechtigkeiten, nähren die Klüfte in dieser Welt, lassen Werte sinnlos und Menschlichkeit uns Menschen lästig erscheinen.
Unterschiedliche Kulturen und unterschiedliche Menschen können die Welt, können uns selbst bereichern. Von Einigen erfahren wir, wie wir unseren Verstand benutzen können, von Einigen lernen wir, wie wir die Stimme unseres Herzens wahrnehmen können und ja, von einigen wenigen können wir sogar zu erkennen lernen, dass Herz und Verstand immer nur dann „effektiv“ arbeiten, wenn sie Hand in Hand gehen.
Nein, nicht die Unterschiedlichkeit der Menschen und Kulturen, ungleiche Maßstäbe sind das eigentliche Problem. Aktuell Meinung
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