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Rechte Wahlkampftaktik

Wir brauchen in Deutschland keine zweite Le Pen Partei

"Wir müssen uns davor hüten, Zuwanderer in zwei Klassen einzuteilen: Die Hochqualifizierten und die Sozialtouristen", schreibt Europaabgeorndete Nadja Hirsch in ihrer MiGAZIN Kolumne und fordert eine sachliche Auseinandersetzung.

Von Nadja Hirsch Dienstag, 21.01.2014, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.01.2014, 0:58 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

„Wer betrügt, der fliegt“ – populistische Parolen kann die CSU am besten. Es gilt, Stimmung zu machen für die anstehenden Kommunalwahlen in Bayern und die Europawahl. Ziel der Verbalattacken sind dabei die Bulgaren und Rumänen, die seit Anfang des Jahres uneingeschränkt in Deutschland arbeiten dürfen. Und was tut die CDU?

Die leistet Schützenhilfe: Allen voran Elmar Brok, der selbsternannte „Europäer“ und „Europa-Retter“. Der möchte die Fingerabdrücke von Zuwanderern in einer Datenbank speichern. Dabei sollte gerade er wissen, dass das rechtlich gar nicht geht. Bereits 2008 urteilte der EuGH, dass personenbezogene Daten nicht selektiv nur von bestimmten Nationalitäten verarbeitet oder gespeichert werden dürfen. Denn das ist Diskriminierung.

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Damit reihen sich die Seehofers und Broks in die Wahlkampftaktik von Marine Le Pen. Die hat sich und ihrer französischen Front National auf die Fahnen geschrieben, das Problem der „Arbeitsmigranten aus Osteuropa“ anzugehen. Für einen „echten Europäer“, wie Brok sich selbst so gerne nennt, ist eine solche Parallele hochpeinlich. Für die CSU mag das eine Bestätigung ihres Cowboy-Images sein. Sie testet ihre Grenzen. Doch wir brauchen in Deutschland keine zweite Le Pen Partei – auch nicht mit dem Charme eines Herrn Seehofers. Doch nicht nur in Deutschland und Frankreich brüstet sich die politische Führungsspitze mit populistischen Parolen. In Großbritannien ist es gar der Premierminister, der Vorurteile schürt und gegen Zuwanderer wettert.

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Viel zu lange wurde in den Mitgliedstaaten geschwiegen, jetzt endlich regt sich zumindest im Europäischen Parlament Widerstand. In einer Entschließung stellten Politiker fraktionsübergreifend klar, welchen Wert die Freizügigkeit hat und dass sie nicht umsonst Grundpfeiler unseres europäischen Systems – und damit auch des Erfolgs unseres wirtschaftlichen Projekts – ist.

Vielleicht ist das eigentliche „Problem“ an der Freizügigkeit also, dass sie schon viel zu sehr zu unserem Alltag gehört. „Freizügigkeit“ und „Frieden“ – viele Europäer zitieren diese Errungenschaft eher aus dem Effeff als aus voller Überzeugung. Kein Wunder, dass den Populisten so viel Raum für ihre Parolen bleibt.

Wir brauchen endlich wieder eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Armutseinwanderung in Europa ist ein bekanntes Phänomen und in der Tat sind einige deutsche Kommunen besonders davon betroffen. Dass es zu diesen Wanderbewegungen kommt, sollte nicht verwundern: Schließlich ist die wirtschaftliche Situation in den Mitgliedstaaten noch immer sehr unterschiedlich.

Die Armutseinwanderung macht allerdings nur einen kleinen Teil der Zuwanderung aus. Dennoch müssen wir uns davor hüten, Zuwanderer in zwei Klassen einzuteilen: Die Hochqualifizierten und die „Sozialtouristen“. Weder ist es 2011 nach der ersten Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts zu einer „Schwemme“ verarmter Zuwanderer in Deutschland gekommen noch stimmt es, dass speziell Bulgaren oder Rumänen häufiger als andere EU-Ausländer in Deutschland Sozialhilfe beantragen.

Deutschland hat sich mit seiner Sozialgesetzgebung selbst Probleme geschaffen, die Gerichte immer wieder anprangern und die nun auch vor dem EuGH behandelt werden. Laut EU-Recht haben nur arbeitende EU-Bürger einen Anspruch auf Sozialleistungen. Es enthält sogar eine Schutzklausel, die es erlaubt, bei unverhältnismäßiger Belastung der Sozialsysteme das Aufenthaltsrecht zu entziehen. Wenn in Deutschland EU-Ausländern ohne Aufenthaltsrecht innerhalb der ersten fünf Jahre Hartz IV zuerkannt wurde, so basiert dies allein auf deutschem Recht. Da hilft es also nichts, die Freizügigkeit an sich in Frage zu stellen.

Um die betroffenen Kommunen zu unterstützen, wäre es beispielsweise sinnvoll, EU-Gelder zu verwenden. So wissen wir zum Beispiel, dass Rumänien in den letzten sieben Jahren nur 30 Prozent und Bulgarien nur etwas mehr als 50 Prozent der Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds abgefragt hat. Diese nicht genutzten Mittel sollten wir in Deutschland verwenden, um Kommunen zu helfen, ihre Angebote zur Integration und Bildung zu finanzieren. Aktuell Meinung

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  1. Han Yen sagt:

    Der Argumentation ist zu widersprechen. Die Institutionalisierung der Unionsstaatsbürgerschaft mit ihrer Anknüpfung an die nationale Staatsangehörigkeit ist ursächlich verantwortlich dafür, dass die deutschen Arbeitsmärkte dem gewollten Lohndumping durch EU Ausländer ausgesetzt sind.

    Die Arbeitgeberseite schafft es immer wieder EU Ausländer um ihren Lohn zu betrügen, weil sie hoch mobil sind und die deutschen Gewerkschaften unzureichend europäisiert sind. Ungleiche soziale Rechte schafft immer einen Anreiz EU Ausländern gut organisierten deutschen Arbeitnehmern vorzuziehen. Die gewerkschaftliche Parade „Gleiche Rechte für alle“ durchzusetzen steht aber noch aus.

    Dafür hätte ich gern eine Quelle:

    „So wissen wir zum Beispiel, dass Rumänien in den letzten sieben Jahren nur 30 Prozent und Bulgarien nur etwas mehr als 50 Prozent der Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds abgefragt hat. Diese nicht genutzten Mittel sollten wir in Deutschland verwenden, um Kommunen zu helfen, ihre Angebote zur Integration und Bildung zu finanzieren.“

    Wir wissen, dass die Abrufung der EU Fonds von den administrativen Kapazitäten abhängig ist. Die förderale Struktur der BRD setzt sie immer im Vorteil gegenüber zentralistischen Staaten – die Schlußfolgerung kann aber nicht sein, dass man seine Wettbewerbsvorteile ausnutzen soll, um Rumänien und Bulgarien ihre EU Mittel wegzuschnappen. Die deutschen Länder sollten Trainingskurse für Rumänien und Bulgarien einrichten. In diesem Zusammenhang ist auch die interkulturelle Öffnung der deutschen Behörden wichtig, um die Ungleichgewichte beherrschbar zu machen. Administratives Wissen sollte geteilt werden. Wenn die us-amerikanische Finanzaufsicht die Finanzregulatoren aus aller Welt trainiert, um sie an die eigenen Standards anzupassen, warum sollte das soziale „Europa der Regionen“ nicht zum Leitbild der Beamten Weiterbildung werden.

    Die Instabilität der EU Staaten ist durch die deutsche Austeritätspolitik zu verantworten. Die Aufgabe einer Regierung in der Krise ist die Business-Zyklen über die Krisenzeit zu glätten. Hierzu hat sie mehrere fiskalische Mittel Erhöhung der Wohlfahrtsprogramme, progressive Steuern anpassen, Körperschaftssteuern anpassen. Jeder dieser Fiskalinstrumente kann die Businesszyklen glätten, und zu einem ausgeglichenden Haushalt beitragen, indem sie zu Konsum und Investitionen anregen. Dafür haben wir Haushaltsdaten.

    Die pseudo-keynesianische Afrika Abenteuer der Bundesregierung ist gerade eine Methode, die man nicht nutzen soll. Staatliche Ausgaben für Krieg haben zwar die angenehmen Effekte, die Investitionen der Rüstungsindustrie direkt auf die Konjunktur einwirken zu lassen. Jedoch weiss man bei solchen Ausgaben nicht, ob der Verteidigungshaushalt vorher oder nach dem Anspringen der Konjunktur anspringt.

    Für die Teilnahme der FDP an der schwarz-gelben Regierung, die mit Guttenberg die Abschaffung der Wehrpflichtigen-Armee zur Misere beigetragen hat, ist sie verantwortlich zu machen.

  2. Pippi sagt:

    Liebe Frau Hirsch,
    zur Erinnerung: es war nicht die Le Pen-Partei, die die rumänischen Zigeuner aus Frankreich „raus-eskortiert“ hat, sondern die Sarkozy-Partei!

  3. Soli sagt:

    Man kann die Meinung und Vorgehensweise der Partei teilen oder nicht – aber ob wir eine solche Partei brauchen – oder nicht – sollen die Bürgerinnen und Bürger doch bitte selbst enscheiden dürfen (ich sage ja auch nicht wir brauchen keine SED-Nachfolge-Partei)

  4. Rudolf Stein sagt:

    Ich warte schon lange darauf, dass diejenigen Einwanderer, die sich hier aufgrund ihres Fleißes und ihrer Einordnung in das demokratische System der BRD (ich weiß, ich weiß, ist nicht alles perfekt!) gut eingerichtet haben, nun nach Mittel und Wegen suchen, diejenigen abzuwehren, die neu kommen. Es ist sicher kein Zufall, dass im MIGAZIN ausgerechnet eine FDP-Politikerin zu Wort kommt und nicht eine Grüne, deren Mantra heißen würde:“Macht auf die Tür, das Tor macht weit“. Der entscheidende Passus im obigen Artikel lautet:“Deutschland hat sich mit seiner Sozialgesetzgebung selbst Probleme geschaffen, die Gerichte immer wieder anprangern und die nun auch vor dem EuGH behandelt werden. Laut EU-Recht haben nur arbeitende EU-Bürger einen Anspruch auf Sozialleistungen. Es enthält sogar eine Schutzklausel, die es erlaubt, bei unverhältnismäßiger Belastung der Sozialsysteme das Aufenthaltsrecht zu entziehen. Wenn in Deutschland EU-Ausländern ohne Aufenthaltsrecht innerhalb der ersten fünf Jahre Hartz IV zuerkannt wurde, so basiert dies allein auf deutschem Recht. “ Im Klartext heißt das: würde die deutsche Regierung die Interessen der hiesigen Bevölkerung wirklich wahrnehmen, hätte sie andere Gesetze gemacht, die uns davor bewahren würden, dass Einwanderung in unsere Sozialsysteme stattfindet. Eine solche Meinung ist natürlich grenzwertig. Daher ist es ungefährlicher, sie von einer FDP-Frau äußern zu lassen. MIGAZIN, klever gemacht!