Kardinal Meisner in der Kritik
Unchristlich, verfassungswidrig, verantwortungslos
Vor konservativen Katholiken sagte Erzbischof Kardinal Meisner: „Eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische Familien.“ Nach Kritik ruderte er zurück. Seine Wortwahl sei „vielleicht unglücklich“ gewesen. Ob das überzeugt?
Donnerstag, 30.01.2014, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 05.02.2014, 7:26 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner (80) hat bei einer Veranstaltung am vergangenen Freitag vor mehreren hundert Mitgliedern der katholischen Bewegung Neokatechumenaler Weg erklärt: „Ich sage immer, eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische Familien.“ In seiner Rede hatte Meisner Eheleute aus dieser Bewegung dafür gelobt, große Familien mit teils zehn Kindern zu gründen.
Dieser Vergleich stieß bei Vertretern islamischer Religionsgemeinschaften auf Unverständnis. Bekir Alboğa von der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger: „Man stelle sich vor, ein muslimischer Würdenträger in vergleichbarer Position würde diesen Satz formulieren – ein Empörungsschrei ginge durch die Gesellschaft.“ Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, warf Meisner vor, Ressentiments zu bedienen und Islamfeindlichkeit zu schüren.
Meisner rudert zurück
Kritik kam auch von der Politik. Neben weiteren NRW-Landespolitikern kritisierte auch Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) den Erzbischof: „Eine abgestufte Wertigkeit von Familien und damit von Kindern je nach Herkunft oder Religionszugehörigkeit verstößt nicht nur gegen unsere Verfassung, sie ist auch alles andere als christlich.“ Kardinal Meisner wäre gut beraten, „eine Klarstellung seiner verunglückten Aussagen vorzunehmen.“
Im Laufe des Tages ruderte Meisner dann auch tatsächlich zurück. In einer schriftlichen Mitteilung bedauerte er seine Äußerung über muslimische Familien. „Meine Wortwahl war in diesem Fall vielleicht unglücklich“, so der bald scheidende Erzbischof. Es sei keineswegs seine Absicht gewesen, „Menschen anderen Glaubens damit zu nahe zu treten“.
Auf der Erde helfen Rangordnungen nicht
Ob diese „Vielleicht“-Klarstellung überzeugt, darf bezweifelt werden. „Christliche Familien über muslimische zu stellen, mag vielleicht von einer besonderen bischöflichen Nähe zum Endgericht Gottes zeugen; solange wir hier auf Erden leben, helfen derartige Rangordnungen nicht“, erklärte Religionssoziologe Prof. Detlef Pollack dem MiGAZIN.
Solche Äußerungen sind laut dem Wissenschaftler aus dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster auch nicht geeignet, die Eintrittszahlen in die Katholische Kirche nach oben zu treiben. „So viel Sinn für die gleiche Würde von Menschen unterschiedlichen Bekenntnisses ist in unserer Gesellschaft denn doch akzeptiert“, so Polack im Hinblick auf neue Analysen, die er mit weiteren Wissenschaftlern in dem jetzt erschienenen Buch „Grenzen der Toleranz“ darlegt.
Worte genau bedenken
„Gegenüber kaum einer Bevölkerungsgruppe sind die Vorbehalte in Deutschland so stark wie gegenüber den Muslimen“, so der Religionssoziologe. Nur ein Drittel habe eine positive Meinung von ihnen, obwohl die meisten zugleich sagen, man müsse alle Religionen respektieren. Pollack weiter: „Auch wenn die Mehrheit also durchaus bereit ist, den vielen Religionen, die es in Deutschland inzwischen gibt, mit Achtung und Offenheit zu begegnen, herrschen abwertende Urteile gegenüber Muslimen doch vor“.
Die Haltung der Mehrheit zum Islam stehe auf der Kippe; selbst diejenigen, die sich eigentlich den Werten der Toleranz und des Respekts verpflichtet fühlen, ließen sich zu negativen Äußerungen hinreißen. „Angesichts dieser angespannten Situation müssen die Verantwortlichen in Gesellschaft, Politik und Kirche ihre Worte genau bedenken“, so Pollack abschließend. (bk) Leitartikel Politik
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Ich habe aus Herrn Meisners Mund die Worte gehört: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.
Diesem Motto gemäß lebt und redet er. Und ruiniert ist sein Ruf doch schon lange.
Hans-Georg Winter
Warum Meisners Worte kein größeres Echo finden?
Weil Katholiken ihren Meißner kennen und ihm nicht zuhören.
Das Pech eines Mufti ist es, daß seine Gemeinde nicht so bekannt in der Gesellschaft wäre.
Fazit: Die Gemeinden kennen sich gegenseitig zu wenig, daher haben die Schwätzer einen unverhältnismäßigen publizistischen Hebel.